Finanzwelt vor Problemen

Klare Sicht für Anleger?

06.10.13 03:00 Uhr

Die Bundestagswahl ist entschieden. Für Anleger ist das eine gute Nachricht, denn damit entfällt ein Unsicherheitsfaktor. Doch Politik, Konjunktur und Tapering bergen weiterhin Risiken für die Kapitalmärkte.

von Björn Jesch, Gastautor von Euro am Sonntag

Wie die künftige Regierungskoalition auch aussehen mag — die Grundlinien der deutschen Politik dürften sich in zentralen Fragen wie der Bekämpfung der Euroschuldenkrise nicht wesentlich ändern. Deutschland als Schwergewicht der Währungsunion gewinnt wieder an Handlungsfähigkeit, nachdem im Vorfeld der Wahl sowohl auf nationaler wie auch europäischer Ebene keine größeren Projekte angegangen werden konnten.

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Eine nachhaltige Überwindung der europäischen Schuldenkrise und ein anhaltender wirtschaftlicher Aufwärtstrend erfordern aber weitere Anstrengungen, etwa bei der Sanierung des Bankensektors — und damit die Öffnung des Kreditkanals in der Peripherie. Die Fortsetzung der Strukturreformen und die Bekämpfung der Haushaltsdefizite in den Problemländern, ohne gleichzeitig das zarte Wachstumspflänzchen zu zertreten, sind weitere Punkte. Und schließlich bleiben institutionelle Reformen der EU bei der Wirtschafts- und Fiskalunion erforderlich. Eine handlungsfähige deutsche Regierung ist für die Lösung dieser Aufgaben eine notwendige Bedingung. Allerdings ist derzeit noch offen, in welcher Konstellation und unter welchen Voraussetzungen die neue Bundesregierung zustande kommt.

Ein weiteres Fragezeichen der vergangenen Monate war aus Sicht der Kapitalmärkte die europäische Konjunktur. Immerhin: Der Euroraum hat im zweiten Quartal die Rezession hinter sich gelassen. In einigen Staaten wie Spanien, Portugal und Irland haben sich die Leistungsbilanzen enorm verbessert, die Reformen scheinen zu greifen. Und auch die Frühindikatoren deuten nach oben. Die verbesserte Konjunkturlage eröffnet Spielräume für die politischen Akteure zum institutionellen Umbau der Währungsunion, da die unmittelbare Krisenbekämpfung in den Hintergrund rückt. Diesen Vorteil gilt es zu nutzen. Vorsicht ist dennoch angebracht: Von einem selbst tragenden, robusten Aufschwung ist die Eurozone noch ein Stück entfernt.

Dritter Unsicherheitsfaktor: Die Situation in den USA. Dort war im September allgemein mit einer Drosselung der Anleihekäufe, dem Tapering, durch die US-Notenbank gerechnet worden. Aber es kam anders, die Fed entschied sich für eine Vertagung. Offensichtlich sind das Tempo des konjunkturellen Aufschwungs und die Wachstumserwartungen aus Sicht der Fed noch nicht nachhaltig und dynamisch genug, als dass diese das Tapering bereits jetzt gerechtfertigt hätten. Der Beschluss war zugleich eine faustdicke Überraschung und eine verpasste Chance, denn die Kapitalmärkte waren auf den Schritt im September gut vorbereitet. Nun wird die Fed ihr Ankaufprogramm später — etwa im Dezember oder Anfang 2014 — zurückfahren. Wann immer sie sich dazu durchringt: Kurzfristig dürfte die Maßnahme die Kurse sowohl bei Aktien und Rohstoffen als auch bei Renten wieder in Bewegung setzen. Und schließlich stehen im Washingtoner Herbst die schwierigen fiskalpolitischen Verhandlungen zur Anhebung der Schuldenobergrenze und zum US-Haushalt für 2014 an — Ausgang ungewiss.

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Das Fazit? Die Börsen lieben klare, übersichtliche Verhältnisse. In dieser Hinsicht gab es zuletzt Fortschritte. Die Bundestagswahl ist entschieden und Deutschland mit Ende des Wahlkampfes wieder handlungsfähig. Außerdem sind die Sorgen um die europäische Konjunktur zurückgegangen. Damit haben die Anleger etwas mehr Klarheit gewonnen. Aber: Unsicherheiten bleiben bestehen. Welchen Kurs wird die neue Bundesregierung verfolgen? Wie werden die Reformen auf europäischer Bühne angegangen? Wann kommt das Tapering durch die Fed? Und können sich die Parteien in den USA im Budgetstreit einigen? All diese Themen haben das Potenzial, die Kapitalmärkte in die eine wie die andere Richtung zu beeinflussen. Unterm Strich überwiegen aber die Chancen, daher dürften risikobehaftete Anlageklassen die meiste Luft nach oben haben.

zur Person:

Björn Jesch,
Leiter Portfolio­management bei Union Investment
Jesch wurde Anfang der 90er-Jahre bei der Dresdner Bank als Bankkaufmann und Devisenhändler ausgebildet und war in dieser Funktion unter anderem bei der Landesbank Hessen-Thüringen in Frankfurt tätig, bevor er zur Deutschen Bank wechselte. Seit Herbst 2012 leitet er das Fondsmanagementteam der Union Investment mit rund 240 Mitarbeitern. Union Investment gehört zu den Volks- und Raiffeisenbanken und verwaltet aktuell ein Vermögen von rund 200 Milliarden Euro.