Benjamin Feingold-Kolumne

Daumenschrauben statt Freiheit

30.05.25 15:22 Uhr

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Daumenschrauben statt Freiheit | finanzen.net

Die Bafin will den Handel mit Turbo-Zertifikaten einschränken - doch dafür gibt es keinen ersichtlichen Grund.

Die deutsche Finanzaufsicht Bafin will hierzulande die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von Turbo-Zertifikaten beschränken. Mit den Hebelprodukten, die bereits seit Jahrzehnten am Markt sind, können Anleger überproportional an Kursbewegungen von Basiswerten wie Aktien, Währungen oder Rohstoffen teilnehmen. Mit Long-Papieren setzen sie auf steigende und mit Short-Papieren auf fallende Märkte. Der Hebel gibt an, um welches Vielfache Anleger an der Kursentwicklung partizipieren. Beispiel: Ein Anleger setzt mit einem Long-Turbo auf den DAX, mit einem Hebel von 5. Steigt der DAX um 1 Prozent, steigt der Wert des Turbos um 5 Prozent. Der Hebel wirkt aber auch in die andere Richtung: Sollte sich die Markterwartung nicht erfüllen, verliert das Papier entsprechend dem Hebel überproportional an Wert. Außerdem gibt es bei Turbos eine Knock-out-Schwelle: Berührt der Basiswert diese Kursmarke, verfällt der Schein wertlos oder zu einem Restbetrag.

"Viele Kleinanleger sind sich über die Risiken dieser Produkte nicht vollständig im Klaren", sagte Bafin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch jüngst gegenüber dem Handelsblatt. Die Bafin hatte in einer Untersuchung festgestellt, dass von 2019 bis 2023 in Deutschland 74 Prozent der Kleinanleger mit Turbo-Zertifikaten Verluste erlitten haben. Deshalb will sie nun mehrere Maßnahmen erlassen:

  1. Die Adressaten (Intermediäre, Emittenten und Anbieter) müssen eine standardisierte Risikowarnung abgeben. Aus dieser soll hervorgehen, dass sieben von zehn Kleinanlegern Verluste erleiden.
  2. Die Adressaten dürfen keinen Bonus gewähren, der Kleinanlegern Anreize für den Handel mit Turbo-Zertifikaten bietet. Etwa bei Ordergebühren oder Neukunden. Dies gilt auch für nicht-monetäre Vorteile wie bevorzugter Kundenservice oder Geschenke.
  3. Anleger sollen künftig in einem Test mindestens sechs Fragen zum Handel mit Turbos beantworten, bevor sie die Produkte kaufen dürfen. Der Test muss alle sechs Monate wiederholt werden.

Die Idee der Bafin ist wieder einmal ein schönes Beispiel dafür, wie stark in die Freiheit der Anleger eingegriffen wird. Erstens: Wer an der Börse Geld anlegen will, sollte sich stets über die Chancen und Risiken des Investments informieren - dies ist selbsterklärend. Wer das nicht tut, handelt fahrlässig. Über das Chance-Risiko von Investments sind sehr viele Bücher geschrieben worden, so dass Anleger jederzeit diese Informationen einholen können. Zweitens: Das Prinzip von Turbo-Zertifikaten ist denkbar einfach (siehe oben). Anleger können mit ihnen per Hebel überproportional an der Börse gewinnen oder verlieren. Im schlechtesten Fall erleiden sie einen Totalverlust. Wie groß der Hebel ist und in welchem Szenario der Kapitaleinsatz verloren ist, sehen Anleger anhand der von den Emittenten zur Verfügung gestellten Factsheets. Wer dieses Risiko nicht eingehen will, lässt es. Außerdem haben Anleger die Möglichkeit, mit kleinen Hebeln wie etwa "2" zu agieren, um das Risiko gegenüber großen Hebeln zu reduzieren. Und drittens: Hebelprodukte wie Turbos sind nicht nur dazu da, an den Märkten zu spekulieren. Mit ihnen können sich Anleger auch gegen fallende Kurse absichern, indem sie zum Beispiel Aktienpositionen mit Short-Produkten in Eigenregie hedgen. Kurzum: Die Initiative der Bafin greift zu stark in die Freiheit der Anleger ein. Solange Börsengeschäfte transparent für alle Seiten sind, gibt es keinen ersichtlichen Grund, den Handel mit Wertpapieren einzuschränken.

150 Jahre Börsenerfahrung kombiniert technische Analyse, Trading, Börsenpsychologie und konkrete Investments. Benjamin Feingold ist Mit-Gründer von Feingold Research. Unseren Börsendienst finden Sie unter feingoldresearch.de!

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