Kurzfristige Chance für die Bären

Seit einigen Tagen zeichnet sich an den wichtigsten internationalen Börsen eine Entwicklung ab, ...
... die in einen kurzfristigen Umverteilungsprozess münden und die Seitwärtsbewegung bestätigen könnte. Noch ist es natürlich viel zu früh, über die Intensität von möglicherweise bevorstehenden Gewinnmitnahmen zu spekulieren, vor allem da die herkömmliche Charttechnik gar nicht mal so negativ ist. Bereits heute ist es aber wieder einmal unterhaltsam, die verkrampften Erklärungsversuche der bisher moderaten Gewinnmitnahmen in der Presse zu lesen. Da wird von schwächeren Wirtschaftsdaten bis hin zu neuerlichen Inflationsängsten wegen der seit langer Zeit hohen Geldmenge in den Märkten berichtet. Meiner Meinung nach übersehen die meisten Analysten und Journalisten noch viel stärker als viele Investoren, dass es völlig normal ist, dass Kurse tendieren und dann wieder konsolidieren. Trendschwache Phasen wechseln sich mit trendstarken ab, ähnlich wie wir ein- und ausatmen. Das Sprichwort, dass eine Hausse in der Angst gedeit, ist sehr zutreffend und kann aktuell beobachtet werden. Immerhin waren im zurückliegenden Jahrhundert Zeiträume mit großer Ängstlichkeit wegen durchaus erkannten Problemen immer gute Kaufgelegenheiten. Auch diesmal würde ich - trotz der immensen Verschuldungsproblematik – nicht auf den möglichen Weltuntergang, sondern auf eine jahrelange zähe Seitwärtsbewegung der Kurse wetten, die durchaus attraktive Kursschwankungen bieten wird.
Trotzdem muss man sich als realistischer Anleger aber von der Vorstellung befreien, dass es konstant gelingt, die kurzfristigen Schwingungen der Kurse auf Dauer profitabel zu nutzen. Daher bin ich ein Anhänger der Point & Figure Charts, da diese von vorneherein gar nicht erst versuchen, das kurzfristige „Rauschen“ des Marktes zu handeln. Vielmehr werden bestimmte Kursveränderungen als Messgröße definiert und skaliert. Durchschreitet der DAX z.B. ein Kästchen welches für 50 Punkte steht und steigt von 6.080 auf 6.120 Punkte, wird das Kästchen von 6.100 Punkten mit einem X gefüllt. Erst wenn eine Kursveränderung von mindestens 3 Kästchen, also 150 Punkten im DAX vorliegt, wird eine neue Spalte begonnen. Ein Kaufsignal ereignet sich, wenn die aktuelle X-Spalte die vorhergehende überschreitet. Ein Verkaufssignal umgekehrt, wenn die jetzige 0-Spalte die frühere unterschreitet. Die erhaltenen (Ver) Kaufsignale sind objektiv und resultieren einzig aus dem Verhältnis von Angebot zu Nachfrage und eignen sich daher hervorragend als Ausgangspunkt für zyklische Betrachtungen des breiten Marktes. Um nicht jeder kleinsten Kursveränderung auf den Leim zu gehen, werden außerdem Umkehrgrößen für neue Spalten festgelegt. Eine neue 0-Spalte wird erst eröffnet, wenn der DAX um drei Kästchen, also 150 Punkte gefallen ist. Dies mag Ihnen jetzt als viel zu große Einheit für den schnellen Börsenhandel unserer Tage erscheinen und ist natürlich nichts für Day-Trader. Trotzdem ist diese Skalierung aber eine stabile Einheit für mittelfristig orientierte Trader, die nicht stündlich mit Ihren Positionen zittern, aber relativ stark an den Trends partizipieren wollen.
Nasdaq mit kurzfristigem Korrekturbedarf
Die für große Weichenstellungen an den Börsen typische Irritation der Investoren wird aktuell an der Nasdaq deutlich. Streng genommen wird die Nervosität vor allem im verbreiteten Linien- oder Kerzenchart deutlich. In den von mir wegen der oben genannten Vorteile (weniger Signale und geringere Konfusion) bevorzugten Point & Figure Charts ist der Kampf zwischen Bullen und Bären recht eindeutig.

Wie Sie gut an der rechten X-Spalte erkennen, sind die Bullen grundsätzlich im Vorteil, obwohl sich aktuell eine negative 0-Spalte bildet. Bereits in den ersten Septembertagen (Ziffer 9) wurde der seit Mai dominierende Abwärtstrend nachhaltig geknackt. Küezlich fiel auch der Widerstand des Zwischenhochs bei 2.340 Punkten. Auf diesem Niveau wurde die Bodenbildung vollendet und das nächste Kursziel befindet sich nach konservativer Betrachtung bei 2.500 Punkten, wo die Kurse im Mai ein wichtiges Hoch markierten, dann unter hohem Volumen in die Knie gingen. Die im September begonnene X-Spalte ist sehr dynamisch und deutet daher auf ein Umdenken der Marktteilnehmer, bzw. auf starkes Kaufinteresse. Immerhin signalisiert die Projektionsmethode der P & F Technik nach dem mehrfachen Kaufsignal und der Länge der X-Spalte zu urteilen auf ein mittelfristiges Kursziel von über 2.850 Punkten. Man darf also gespannt sein, ob der September wirklich den Ansprüchen der Bären gerecht wird. Bisher sieht es nicht danach aus, obwohl sich jüngst eine 0-Spalte gebildet hat. Bisher ist diese nur eine gesunde Gegenreaktion der Bären und es wäre keineswegs beunruhigend für die Bullen, falls die 0-Spalte bis in die Gegend von 2.230 Punkten hinunterreichen würde.
Der innere Markt bleibt grundsätzlich positiv
Brenzlig würde die charttechnische Situation an der Nasdaq erst unterhalb der vor wenigen Handelstagen geknackten bärischen Widerstandslinie bei etwa 2.200 Punkten. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg und dieses Terrain stufe ich sogar als gute Nachkaufgelegenheit ein. Übrigens deutet auch das von mir verfolgte Modell des „inneren Marktes“ auf eine vorübergehende Abkühlung, aber mittel- bis langfristig auf weitere Kurssteigerungen an den wichtigsten Börsenplätzen. Auf die kurzfristig überkaufte Situation des breiten Aktienmarktes deutet der hier auch schon in der vergangenen Woche angesprochene “10-Wochen-Indikator“, der den Anteil der Aktien an der NYSE zählt, die oberhalb ihres wichtigen 50-Tage-Durchschnitts handeln. Dieser Indikator pendelt frappierend gleichmäßig zwischen seinen extremen Zonen zwischen 30 und 70 Prozent. Vor wenigen Tagen erreichte dieser Indikator den sehr überhitzten Zustand von 84 %, drehte dann nach unten in eine 0-Spalte und handelt heute immerhin noch bei 77 %. Der überkaufte Bereich baut sich also langsam ab, der potentielle Konsolidierungsdruck ist aber nach wie vor erheblich. Übrigens bin ich auf Grund dieses überhitzten Indikators in meiner vergangenen Kolumne hier etwas skeptischer für die aktuelle Woche geworden, was bisher auch gar nicht so verkehrt war.
Ganz anders die mittel- bis langfristige Perspektive des Marktes. Der NYSE Bullish Percent, der den Prozentsatz der Aktien der NYSE spiegelt, die auf einem objektiven Kaufsignal stehen, befindet sich nach wie vor in einem sehr gesunden und keinesfalls überkauftem Marktzustand bei 58 Prozent und in einer X-Spalte, die den anhaltenden Kapitalzufluss zeigt. Demnach kann man also bisher ganz eindeutig davon ausgehen, dass die aktuelle Konsolidierung sich nicht zu einem herbstlichen Kursrutsch ausweitet und die offensive Mannschaft auf dem Feld bleiben darf.
Dollar wieder unter Druck
Hier sehen Sie den Verlauf des Dollar-Index während der vergangenen zehn Jahre. Deutlich erkennbar ist der heftige Schlagabtausch während der vergangenen beiden Jahre am häufigen Spaltenwechsel.

Im Frühjahr dieses Jahres versuchte der Dollar den Rückenwind der Währungskrise zu nutzen und nach oben auszubrechen. Dies misslang und im Juli (Ziffer 7) bildete sich eine erneute 0-Spalte und erhöhter Verkaufsdruck drückte den Index wieder unter die zuvor geknackte bärische Widerstandslinie. Damit bildete sich eine klassische Bullenfalle im Dollar und nun scheinen die Höhenflüge der US-Währung fürs Erste beendet zu sein. Die Anleger erkennen, dass der Dollar nicht zu einer Hartwährung wird, „nur“ weil auch Südeuropa ein Verschuldungsproblem hat. Noch bedeutender für die Dollarschwäche ist aber die Tatsache, dass der berühmte Carry-Trade gegen den Yen wird, da der Zinsunterschied zwischen amerikanischen und japanischen Anleihen nur noch marginal ist, die Kursrisiken aber bestehen bleiben. Es fließt weniger spekulatives Geld in den Dollarraum zurück. Dies schwächt tendenziell die Währung und kommt der US-Administration sehr gelegen. Wegen des abflauenden Carry-Trades sollten sowohl der Edelmetallsektor als auch Rohstoffe interessant für Anleger bleiben. Denn obwohl die Rentenmärkte nach wie vor viel Geld anziehen, steigt das Bedürfnis der Investoren, Teile des Vermögens in Sachwerte wie Aktien und Edelmetalle zu schichten. Aus diesem Grunde bleibe ich für Aktien strategisch vorsichtig optimistisch.
HUI Goldminenindex ausgebrochen
Weil der Chart so schön ist, hier noch rasch der Blick auf den HUI-Goldminenindex.

Nun ist es endlich geschafft und die Goldminen haben ihre sechsmonatige Seitwärtsbewegung nach oben aufgelöst. Es bildete sich ein mehrfaches Kaufsignal welches auf deutliches Kurspotential der Minen deutet. Ich tippe auf ein Anschlusspotential des Goldsektors in diesem Jahr von weiteren 10 Prozent. Dies deutet darauf, dass sich die Anleger trotz der deutlichen Deflationsängste der FED nicht auf eine Seite des Marktes festlegen und diversifiziert bleiben wollen. In Anbetracht der anstehenden Phase neuerlichen „Gelddruckens“ mehrerer wichtiger Notenbanken ist es sicherlich kein Fehler, in physischem Gold und dem Goldsektor investiert zu bleiben.
Klaus Buhl hat in 18 Jahren als Händler und Analyst gelernt, wie Märkte funktionieren und welche Fehler von Anlegern gemacht werden. Er betreibt die Seite www.libra-invest.de, auf der Sie sich bitte für einen kostenlosen aber informativen Newsletter eintragen, der ihnen einen Einblick in den „inneren Markt“ gibt.
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