Euro am Sonntag-Interview

Jörg de Vries-Hippen: "Natürlich geht das in die Knochen"

28.03.20 09:29 Uhr

Jörg de Vries-Hippen: "Natürlich geht das in die Knochen" | finanzen.net
Jörg De Vries-Hippen, Allianz AG

Jörg de Vries-Hippen, der Investmentchef für europäische Aktien bei Allianz Global Investors, über Handeln in turbulenten Zeiten.

von Redaktion Euro am Sonntag

€uro am Sonntag: Wie haben Sie den Crash am Montag erlebt?

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Jörg de Vries-Hippen: Es war schmerzvoll. Ich war mit den Bewertungen der Aktienmärkte schon länger nicht mehr im Reinen und habe mit einer schwierigen Phase gerechnet, aber nicht mit dem, was wir jetzt sehen. Es geht ja nicht nur um den Montag.

Kann man als Fondsmanager da wirklich ruhig bleiben?

Natürlich geht einem so eine Phase in die Knochen, egal wie erfahren man ist. Dass ich persönlich ruhig bleibe, ist aber nicht entscheidend. Wir müssen alles tun, damit die Kunden es auch bleiben und nicht unüberlegt handeln.

Nach welchen Kriterien verkaufen Sie an solchen Tagen?

Maximal verkauft man das, was für einen selbst die schwächste Position im Portfolio ist. Aber man hat eine Strategie, die man weiter verfolgt. Wenn Sie plötzlich etwas ganz Neues versuchen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie viele Fehler machen.

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Wie geht es weiter?

Wie es aussieht, haben wir in Europa noch lange nicht den Höhepunkt der Epidemie erreicht. Die Amerikaner stehen erst am Anfang. Die Unsicherheit wird also noch einige Zeit hoch bleiben. Erst wenn Corona mit einem normalen Grippevirus vergleichbar wird, kann sich die Börse beruhigen. Die Frage ist, was bis dahin in der Realwirtschaft passiert ist.

Sind weitreichende Quarantäne-Maßnahmen wirklich angemessen angesichts der enormen wirtschaftlichen Schäden?

Es läuft eine Grippewelle über Europa, jetzt kommt das Coronavirus dazu. Was getan wird, ist, dass man Menschenleben vor wirtschaftliche Leistung stellt. Wenn ich Gesundheitsminister wäre, ich würde wahrscheinlich nicht anders handeln als Herr Spahn.

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Müssen wir uns darauf einstellen, dass die Weltwirtschaft künftig alle paar Jahre in eine Virus-Rezession gerissen wird?

SARS war extrem gefährlich, aber regional begrenzt. Corona ist ein globales Phänomen und darum etwas völlig Neues. Beim ersten Mal reagieren die Börsen heftig, bis sie das Schema gelernt haben. Wenn das Wirtschaftssystem Corona überstanden hat, wird die Reaktion der Finanzmärkte auf ein ähnliches Szenario beim nächsten Mal wahrscheinlich nicht so extrem ausfallen.

Welche Aktien-Investments machen jetzt am ehesten Sinn?

Wenn Sie langfristige Dividende und ein vernünftiges Bewertungsniveau suchen, landen Sie bei den Versicherungen. Die Branche gefällt mir weiterhin sehr gut, weil die Unternehmen dort ein relativ stabiles Geschäft haben und vernünftige Möglichkeiten, ihre Preise im Markt durchzusetzen.

Sollte man jetzt schon auf ein Comeback der Zykliker setzen?

Im Moment würde ich bei den stabilen Sektoren bleiben. Bei Zyklikern würde ich warten, bis erste Zeichen der Besserung zu erkennen sind, und dann am ehesten Industriewerte kaufen.








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Bildquellen: Jens Komossa/Allianz AG