Ökonomen-Barometer: Volkswirte schöpfen wieder etwas Hoffnung
Experten bewerten die Lage im Mai besser als im Vormonat. Die Prognose für die kommenden zwölf Monate erreicht den bislang höchsten Wert seit Januar.
von Wolfgang Ehrensberger, €uro am Sonntag
Nach dem Durchhänger in den zurückliegenden Monaten hat die wirtschaftliche Entwicklung nach Einschätzung führender Volkswirte wieder etwas Fahrt aufgenommen. Allerdings könnten Faktoren wie der Handelskonflikt zwischen den USA und China, mögliche US-Zollerhöhungen auf europäische Autos und der ungewisse Brexit-Ausgang nach wie vor die Konjunktur im weiteren Jahresverlauf beeinträchtigen.
Vor diesem Hintergrund fällt die Erholung verhalten aus: In der Mai-Umfrage des Ökonomen-Barometers von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv bewerten die Experten die aktuelle konjunkturelle Lage mit 52,2 Punkten, ein Plus von fast sechs Prozent gegenüber dem Vormonat (49,3 Punkte). Damit ist die Bewertung auch wieder über der 50-Punkte-Marke angekommen, die Stagnation anzeigt.
Die Prognose für die kommenden zwölf Monate legte noch stärker - um 16 Prozent - auf 46,8 Punkte zu und erreichte damit den höchsten Stand seit Januar (49,7 Punkte). Vor allem eine nach wie vor robuste Binnenkonjunktur, hohe Bauinvestitionen und stabiler privater Konsum tragen derzeit die wirtschaftliche Entwicklung.
Nach den bereits am Mittwoch vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Zahlen zum Wirtschaftswachstum in Deutschland mit einer Wachstumsrate von 0,4 Prozent im ersten Quartal schätzen Experten die Rezessionsgefahr in Deutschland wieder etwas geringer ein. Im zweiten Halbjahr 2018 war Deutschland mit einem Rückgang um 0,2 Prozent im dritten Quartal und Stagnation im vierten nur knapp an einer Rezession vorbeigeschrammt.
Kein Konjunkturprogramm
Bundesregierung und EU-Kommission rechnen für das Gesamtjahr 2019 mit einem deutschen Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent, nachdem es 2018 noch zu 1,4 Prozent gereicht hatte. Wilfried Fuhrmann von der Uni Potsdam rechnet mit einer höheren Wahrscheinlichkeit von Krisen in der EU - vor allem in Italien und Frankreich -, in den Schwellenländern - vor allem in Südamerika - und im Welthandel durch den Zollstreit.
Forderungen nach einem staatlichen Konjunkturprogramm in Deutschland, wie sie jüngst beispielsweise von der OECD kamen, erteilen die Volkswirte in der Mai-Umfrage eine klare Absage. 80 Prozent der Teilnehmer sprachen sich gegen staatliche Konjunkturhilfen aus, und lediglich 17 Prozent dafür.
"Angesichts eines Arbeitsmarkts, der sich nahe an der Vollbeschäftigung befindet, wäre ein Konjunkturprogramm unangebracht", sagt Friedrich Heinemann vom ZEW Mannheim. Ähnlich äußern sich Jan Schnellenbach (TU Cottbus) und Horst Schellhaaß (Uni Köln). "Ein Konjunkturprogramm muss nicht durch höhere Staatsausgaben realisiert werden. Niedrigere Steuern wären auch ein Konjunkturprogramm", sagt Schnellenbach.
Andere Ökonomen verweisen vor diesem Hintergrund darauf, dass ein Konjunkturprogramm im engeren Sinne nicht angebracht sei, wohl aber eine deutliche Verbesserung der Rahmenbedingungen insbesondere für Investitionen (Siegfried Franke, Uni Budapest; Volker Hofmann, Bundesverband deutscher Banken). Thomas Gitzel von der VP Bank Gruppe nennt als Beispiele insbesondere digitale Infrastruktur, raschere Energiewende und Bildung.
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