MARKT-AUSBLICK/Berichtssaison liefert kaum Argumente für Jahresendrally
Von Thomas Leppert
DOW JONES--Während die Lebkuchen in den Geschäften langsam auf Weihnachten einstimmen, stellt sich Investoren die Frage, ob ihnen die Aktienmärkte eine Jahresendrally bescheren. Der DAX notiert seit Jahresbeginn gut 20 Prozent im Plus, doch wenn man ehrlich ist, wurde der überwiegende Teil der Gewinne in den ersten beiden Monaten eingefahren. Seit Jahresmitte tendiert der DAX allenfalls seitwärts. Was spricht dafür, dass es in den letzten beiden Monaten des Jahres nach oben geht? Ehrlich gesagt, wenig. Eine Unterstützung der Europäischen Zentralbank (EZB) in Form von Zinssenkungen ist nicht in Sicht. Die Leitzinsen wurden diese Woche bei 2 Prozent bestätigt und auch für die kommenden Monate wird keine weitere Senkung erwartet.
Und wie schlagen sich aktuell die deutschen Unternehmen? Vor diesem Hintergrund ist ein Blick auf die laufende Berichtssaison opportun. Die Bewertungen an der Börse sind momentan nicht günstig, und so werden Verfehlungen bei den Unternehmensgewinnen schnell einmal mit einem zweistelligen Kursminus abgestraft. Erwartet gute Zahlen haben dagegen kaum mehr die Chance, dem Aktienkurs einen positiven Impuls zu versetzen. Zwei Drittel der europäischen Marktkapitalisierung haben ihre Zahlen zum dritten Quartal bereits berichtet. Dabei haben 22 Prozent der Unternehmen die Gewinnerwartungen übertroffen, wobei die abgegebenen Prognosen laut Morgan Stanley Research eher neutral ausfielen. Die Breite der Gewinnrevisionen bleibe allerdings negativ und hinke weiter anderen wichtigen globalen Regionen hinterher. Morgan Stanley erwartet seit längerem auch für 2026 weitere negative Revisionen. Ein Kaufargument für europäische Aktien kann hieraus schlecht abgeleitet werden.
Mit Blick auf die kommende Woche hat die deutsche Berichtssaison einige Hochkaräter parat. So legen FMC und Fresenius ihre Ergebnisse vor. Bei FMC schließt Deutsche-Bank-Analyst Falko Friedrichs nicht aus, dass die Umsatzprognose für das Gesamtjahr angehoben und die Ergebnisprognose bestätigt wird. Die Aktie von BMW wiederum profitierte jüngst bereits von der Zahlenvorlage von Mercedes-Benz und muss nun beweisen, ebenfalls erfolgreich gewirtschaftet zu haben. Daimler Truck dürfte auch mit dem Wettbewerber Traton verglichen werden, die VW-Tochter überzeugte bei der Marge positiv. Bei Rheinmetall ist eine Enttäuschung nahezu ausgeschlossen, allenfalls dürfte die Frage im Raum stehen, inwieweit die hohe Bewertung gerechtfertigt ist.
Nullwachstum in Deutschland
Während die DAX-Unternehmen vom globalen Wachstum profitieren, sind die deutschen Mid- und SmallCaps stärker vom heimischen Markt abhängig - und hier fehlt weiterhin der sogenannte Silbertsreif am Horizont. Die Stagnation des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) im gerade abgelaufenen dritten Quartal bestätigt das große Bild, dass es mit der Wirtschaft in Deutschland wegen der schlechten Standortqualität und des aufgekommenen Protektionismus bisher nicht bergauf geht. Einen Lichtblick sieht LBBW-Volkswirt Jens-Oliver Niklasch in den steigenden Investitionen. Allerdings müsse sich hier ein über längere Zeit stabiler Trend etablieren.
Das deutsche BIP wirke besonders trist, weil es in den anderen Ländern des Euroraums besser laufe. Die Frühindikatoren hierzulande machten ebenfalls wenig Mut, was die kommenden ein bis zwei Quartale angehe. Nur immer auf den Impuls des Sondervermögens zu verweisen, werde auf die Dauer zu wenig sein. Wachstumsfördernde Reformen seien in Deutschland das Gebot der Stunde.
US-Haushaltssperre geht in den zweiten Monat
Die Haushaltssperre in den USA - "Shutdown" genannt - hält weiter an. Dieser startete am 1. Oktober und dürfte sich noch bis weit in den November hinein ausdehnen. Die längste Haushaltssperre gab es im Jahr 2019, auch damals hieß der US-Präsident Donald Trump. Sie dauerte 34 Tage und hatte überschaubare Folgen für Wirtschaft und Kapitalmärkte. Nachhaltige Auswirkungen auf den Aktienmarkt erwarten Analysten auch diesmal nicht. Allerdings erschwert die anhaltende Haushaltssperre auch weiterhin den Zugang zu wichtigen Wirtschaftsdaten, was es den US-Notenbankern zunehmend schwierig macht, ihre nächsten Schritte zu bestimmen.
Investmentthema KI kein Thema in Europa
In Europa fehlt es an erstklassigen Unternehmen beim aktuellen Investmentthema Künstliche Intelligenz (KI). Für Investoren, die auf das Thema setzen und die USA umschiffen und in Europa anlegen wollen, ist die Auswahl eher dünn. Echte KI-Titel gibt es für Arne Rautenberg, Leiter Portfoliomanagement Aktien bei Union Investment, auf dem alten Kontinent quasi nicht. Aber es existierten einige Surrogate, über die man am Boom teilhaben könne.
Die niederländische ASML als Zulieferer für die Chipindustrie und die deutsche Siemens Energy hätten das Potenzial, von der großen Welle der KI-Investitionen mitgenommen zu werden. Auch beim heimischen Chiphersteller Infineon gebe es Grund für Optimismus. Dessen am stärksten wachsender Bereich rüste KI-Datencenter aus. Eine Kooperation mit Nvidia über die Stromsteuerung in Großanlagen bestehe bereits, so Rautenberg.
Und wenn die Trendthemen KI und Automatisierung ineinander griffen, dürften der Bedarf an Sensoren und die Nachfrage nach Steuerungssystemen für die Stromzufuhr enorm ansteigen. Das dürfte dann auch bei Europas Chip-Herstellern für eine rege Nachfrage sorgen. Bis es so weit sei, liege aber nur das eine Ende der Hantel in Europa - das andere ruhe fest in den USA, so der Portfoliomanager.
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October 31, 2025 06:25 ET (10:25 GMT)
 
                                