ROUNDUP/Klingbeil: Keine Kehrtwende mit mir bei Ukraine-Kurs

12.06.25 17:20 Uhr

BERLIN (dpa-AFX) - SPD-Chef Lars Klingbeil wertet das außenpolitische "Manifest" prominenter Sozialdemokraten nicht als Attacke auf ihn selbst, geht inhaltlich aber klar auf Distanz zu dem Papier. "Ich bin weit davon weg, politische Debattenbeiträge als persönlichen Angriff auf mich zu sehen", sagte der Vizekanzler in Berlin. Die SPD sei eine Partei, die mit sich ringe und diskutiere. "Wenn wir mal nicht einer Meinung sind, dann macht uns das nicht gleich zu Gegnern", sagte Klingbeil.

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Zugleich betonte der Parteichef, inhaltlich teile er die Meinung der Autoren des Grundsatzpapiers nicht. Es habe zuletzt viele diplomatische Bemühungen gegeben, den Ukraine-Krieg zu beenden. Der russische Präsident Wladimir Putin lasse sich darauf aber nicht ein. "Es wird, das will ich sehr klar sagen, mit mir keine Kehrtwende geben bei der Unterstützung der Ukraine", betonte Klingbeil. "Militärische Stärke auf der einen Seite und diplomatische Bemühungen auf der anderen Seite sind keine Gegensätze, sondern das sind zwei Seiten einer Medaille."

"Über Waffen kann öffentlich jeder Trottel reden"

Trotz heftiger Kritik aus der eigenen Partei halten SPD-Politiker an einem Positionspapier fest, das eine Abkehr von der Aufrüstungspolitik fordert. Gut zwei Wochen vor dem Bundesparteitag stellen sie sich damit gegen die offizielle Linie der SPD in der schwarz-roten Bundesregierung zum Ukraine-Krieg und der Verteidigungspolitik insgesamt. Das sogenannte Manifest war am Mittwoch bekanntgeworden. Zu den Unterzeichnern gehören Ex-Fraktionschef Rolf Mützenich, Ex-Parteichef Norbert Walter-Borjans und der Außenpolitiker Ralf Stegner.

"Über Waffen kann öffentlich jeder Trottel reden. Selbst jemand, der ein Gewehr nicht von einem Regenschirm unterscheiden kann. Aber die Diplomatie, die hinter verschlossenen Türen stattfindet, das ist die wirkliche Kunst", sagte Stegner dem Magazin "Cicero". Auf NDR Info warnte er bei aller notwendigen, auch militärischen Unterstützung der Ukraine gegen die russische Invasion davor, "sich wechselseitig totzurüsten und damit die Kriegsgefahren auch zu erhöhen".

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Bewusst vor dem Parteitag veröffentlicht

Ex-Parteichef Walter-Borjans sagte der "Westdeutschen Zeitung": "Was wir beklagen, ist der Glaube, dass man einem Ende des Blutvergießens näher kommt, wenn man Abrüstungsverhandlungen für nicht mehr zeitgemäß erklärt, Sicherheit nicht mehr mit, sondern gegen einen nach wie vor großen Nachbarn organisieren will und sich bei schon sehr hohen Rüstungsausgaben in einen finanziell unbegrenzten Rüstungsrausch steigert."

Mützenich sagte dem Berliner "Tagesspiegel": "Unsere Überlegungen sollen eine breite, seit Jahren in der SPD und außerhalb geführte Diskussion ergänzen. Dass es vor dem Parteitag fertiggestellt wurde, hat auch damit zu tun, dass wir uns ein neues Grundsatzprogramm geben wollen." Stegner stellte klar, das Manifest sei "keine Forderung an die Bundesregierung, sondern ein Diskussionspapier für die Debatte in der Sozialdemokratie".

Verständnis für die Initiative, aber nicht für den Inhalt

Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) sagte zu dem Papier im "Playbook-Podcast" von "Politico", sie teile dessen Vorschläge nicht. Allerdings betonte sie auch: "Dass Ralf Stegner oder Rolf Mützenich diese Position vertreten, ist nicht wahnsinnig überraschend." Sie lehne zwar die Debatte darüber nicht ab, doch: "Zusammenarbeit mit (Kremlchef Wladimir) Putins Russland, das glaube ich, ist nicht das, was die Situation gerade hergibt."

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Ähnlich äußerte sich Juso-Chef Philipp Türmer bei "Zeit Online". Er habe zwar Verständnis für das Ziel der Abrüstungs- und Friedenspolitik. "An anderer Stelle erscheint mir die Linie, die dort skizziert wird, leider zu kurz gedacht und unausgegoren - insbesondere mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Da bleibt das Papier eine zentrale Antwort schuldig: Wie geht man mit einem Russland um, das keine Gespräche führen will? Wie soll eine Entspannungspolitik mit Putin möglich sein?"

Harte Kritik von Pistorius

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der als einer der Urheber der aktuellen Sicherheitspolitik gilt, war mit dem "Manifest" hart ins Gericht gegangen: "Dieses Papier ist Realitätsverweigerung. Es missbraucht den Wunsch der Menschen in unserem Land nach Ende des furchtbaren Krieges in der Ukraine. Nach Frieden", sagte Pistorius der Deutschen Presse-Agentur.

Wagenknecht schlägt gemeinsame Demo mit SPD-Linken vor

BSW-Parteichefin Sahra Wagenknecht sagte dem Nachrichtenportal t-online, auch wenn die Initiative zu dem Manifest keine Mehrheit finde, dürfe die Debatte nicht beendet sein. Sie schlug vor, dass das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und die Initiatoren aus der SPD gemeinsam zu einer großen "Kundgebung" aufrufen sollten. Ziel sei es, alle Unterstützerinnen und Unterstützer des Manifests zu mobilisieren, und sie zu "bitten, sich zu beteiligen", sagte Wagenknecht./mi/DP/men