Vermögensverwalter-Kolumne

Fallen Angel-Aktien: Vom Star zum Geächteten - und selten zurück

03.09.25 13:04 Uhr

Fallen Angel-Aktien: Vom Star zum Geächteten - und selten zurück | finanzen.net

Eine Fallen Angel-Aktie ist die Aktie eines Unternehmens, das einst zu den Stars und Blue Chips an der Börse gehörte, aber aufgrund fundamentaler Probleme, veränderter Marktbedingungen oder großer Managementfehler massiv an Wert, Reputation und Anlegergunst verloren hat.

Der "Engel" fällt also von seiner einstigen Höhe (hohe Bewertung, stabiles Wachstum, starke Marke) in die Tiefe (sinkende Kurse, Verlust von Marktanteilen, hohe Verschuldung).

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Typische Merkmale eines Fallen Angel:

• Größe und Stärke: Das Unternehmen war ein etablierter Marktführer oder ein sehr respektierter Player in seiner Branche.
• Dramatischer Wendepunkt: Ein bestimmtes Ereignis oder eine Kette von Ereignissen leitet den Niedergang ein (z.B. eine verpatzte eine schwere Wirtschaftskrise).
• Massiver Kursverlust: Die Aktie verliert oft 50 Prozent, 70 Prozent oder sogar über 90 Prozent ihres Höchststands.
• Fundamentale Verschlechterung: Die Geschäftszahlen brechen ein: sinkende Umsätze, schrumpfende Gewinnmargen, hohe Schulden und negative Cashflows. • Psychologische Komponente: Die Anlegerstimmung ist extrem negativ. Das Unternehmen ist "out of favor" und wird von der breiten Masse gemieden.

Die Chance: Wenn es der Unternehmensführung gelingt, die Probleme in den Griff zu bekommen (durch Restrukturierung, Schuldenabbau, innovative neue Produkte oder eine strategische Neuausrichtung), kann der Aktienkurs stark steigen. Da der Kurs bereits sehr tief gefallen ist, bietet dies ein enormes Aufwärtspotenzial - der "Engel" erhebt sich wieder.

Das Risiko: Der viel größere und häufigere Fall ist, dass der Niedergang weitergeht. Das Unternehmen kann sich nicht erholen und rutscht immer weiter ab, bis hin zur Insolvenz oder zur Übernahme zu einem Schleuderpreis. Was wie ein Schnäppchen aussieht, kann sich als Value Trap (Wertefalle) entpuppen - die Aktie ist nur scheinbar billig, weil die Fundamentaldaten sich nie wieder erholen.

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Hier einige Beispiele:
1. General Electric (GE):
Der Engel: GE war über 100 Jahre lang ein Inbegriff für industrielle Stärke, Innovation und Management-Exzellenz. Unter CEO Jack Welch war GE das wertvollste Unternehmen der Welt und eine Dividenden-Legende.
Der Fall: Nach Welchs Rücktritt kamen Probleme ans Licht: eine überdimensionierte und riskante Finanzsparte (GE Capital), verpasste Trends und hohe Verschuldung. Die Aktie stürzte während der Finanzkrise und in den folgenden Jahren ab und wurde 2018 aus dem Dow Jones Index entfernt.
Aktuell: GE hat sich inzwischen radikal restrukturiert und in mehrere unabhängige Unternehmen aufgespalten (Energiewesen, Luftfahrt, Healthcare). Die Aktien haben sich deutlich besser entwickeln können und teilweise die Vergleichsindices schlagen können.

2. Deutsche Bank:
Der Engel: Einst eine der angesehensten und mächtigsten Banken der Welt, ein Symbol für den deutschen Finanzsektor.
Der Fall: Nach der Finanzkrise 2008 geriet die Bank durch eine Reihe von Skandalen (Geldwäsche, Zinsmanipulation), milliardenschwere Strafzahlungen, hohe Kosten und strategische Orientierungslosigkeit unter massiven Druck. Die Aktie verlor über viele Jahre hinweg dramatisch an Wert.
Aktuell: Unter dem aktuellen CEO Christian Sewing vollzieht die Bank einen harten Restrikturierungskurs. Die Aktie hat sich etwas erholt, aber von der alten Stärke ist man noch weit entfernt.

3. Bayer:
Der Engel: Ein traditionsreicher und weltweit führender Chemie- und Pharmakonzern mit starken Marken
Der Fall: Die Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto für 63 Milliarden Dollar im Jahr 2018 entpuppte sich als fataler Fehler. Bayer erbte damit zehntausende Klagen wegen angeblicher Krebsrisiken durch Monsantas glyphosathaltiges Pflanzengift "Roundup". Die darauf folgenden hohen Schadensersatz- und Anwaltskosten in Milliardenhöhe belasten den Konzern bis heute extrem. Die Aktie verlor etwa zwei Drittel ihres Wertes seit dem Deal.
Aktuell: Bayer kämpft mit der Bewältigung der Klagen und einer hohen Schuldenlast. Ob und wann ein Turnaround gelingt, ist völlig offen. Ein klassischer Fall, bei dem die Gefahr einer Value Trap sehr real ist.

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Fazit

Fallen Angel-Aktien sind faszinierende, aber extrem riskante Anlageobjekte. Sie bieten die verlockende Aussicht auf hohe Gewinne, wenn ein Turnaround gelingt. In der Realität ist es jedoch sehr schwierig, den Punkt zu erkennen, an dem der Sturz endet und die Erholung beginnt. Für die meisten Privatanleger ist es ein gefährliches Spiel, das viel Research, Branchenverständnis und eine hohe Risikotoleranz erfordert. Oft ist der gefallene Engel am Ende doch nur ein sterbliches Unternehmen auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit, was beispielsweise die beiden Mobilfunkriesen Nokia und Blackberry erleben mussten, die vom "Neuling" Apple überrollt wurden und sich nie wieder im alten Glanz erheben konnten.

von Marc Gabriel, CIIA®, CESGA® und Kundendirektor, Oberbanscheidt & Cie. Vermögensverwaltung in Kleve Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Ihren Meinungen und Online-Anlagestrategien finden Sie auf https://www.v-check.de/


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