Fondsboutiquen und Family Offices - Kunst & Handwerk versus "Digitalisierung"?
"Jede Kunst schließt ein Handwerk in sich ein; das Handwerk der Kunst nenne ich den Teil derselben, der gelehrt und gelernt werden kann; wo das Handwerk aufhört, da beginnt erst die eigentliche Kunst" (Otto Ludwig).
Auch in der Fondsbranche wird oft die Diskussion darüber geführt, ob Portfoliomanagement eine reine Wissenschaft ist oder manchmal vielleicht auch Elemente von Künstlertum beinhaltet. Handwerkliches Können und Kunst im Sinne von Konzentration und Leidenschaft müssen keine Gegensätze sein. Inhaber von Fondsboutiquen sowie auch Asset Manager bei Family Offices stellen einen Kontrast gegenüber den "normalen" Angestellten der Finanzindustrie dar. Ohne eine Wertung zu treffen - die Motivationslage erscheint im Bereich der Unabhängigen oft anders, Berufswege wirken weniger eindeutig, man geht anders mit Unsicherheit um. Warum erinnern viele der interessanten Persönlichkeiten aus dem Bereich der Unabhängigen an Künstler? Welche Faktoren erscheinen hier interessant? Welche Folgen hat das für den Bereich der Kommunikation?
Fondsboutiquen - das eigene Werk
Bei vielen Asset Managern steht der Wunsch nach Unabhängigkeit im Vordergrund. Das reine Angestelltendasein wird als wenig reizvoll empfunden. Oft steht auch Protest als Faktor im Raum. Abhängiges Arbeiten unter Vorgesetzen, die man zum Beispiel als weniger kompetent erachtet, kann ein Faktor sein. Dies muss sich nicht festmachen an der Person des Vorgesetzten, oft liegt auch eine Kombination vor - mangelnde fachliche Eignung, Ausstattung vor Ort, Konzernstrukturen etc. Unabhängig davon gibt es die andere Richtung der Motivation, die eher an Künstlertum erinnert: den "perfekten", handwerklich gesehen sauber gemanagten Fonds unter eigener Verantwortung. Ohne Wenn und Aber, mit allen Chancen und Risiken. Insofern erinnert dieser Sachverhalt an das allgemeine Setting von Start-ups. Wichtig ist, dass ein hoher Grad der Spezialisierung bei der Gründung eines eigenen Fonds vorliegt und zwei Engpässe die weitere Unternehmensgeschichte begleiten: Skalierbarkeit und Visibilität im Markt.
Family Offices und Fondsboutiquen - alles, nur nicht 0815-Ansatz
Auch bei vielen Family Offices findet man exzellente Asset Manager. Es besteht das Problem, dass viele dieser Manager nicht sehr visibel im Markt auftreten. Bis hin zum "Stigma" in der aktuellen Diskussion, dass Family Offices kein Asset Management betreiben sollten. Die Praxis scheint hier aber immer noch ein Übergewicht gegenüber der Theorie zu haben, um die Deutungshoheit wird hier engagiert in Fachkreisen diskutiert. Nimmt man die Plain-Vanilla-Fondsboutique oder die "Fondsboutique im Family Office", so ist die Motivationslage ähnlich, vielleicht erscheint die Tätigkeit im Family Office häufig sogar als die Vorstufe zur Gründung eines eigenen Unternehmens. Kernelement bei Angestellten oder bei Gründern in diesem Segment: starker Wunsch nach Unabhängigkeit, hoher Spezialisierungsgrad und auch, ohne mystische Überhöhung und falschem Pathos, oft anzutreffen: der Wunsch nach professioneller Vervollkommnung, Perfektion. Ob mehr regelgebundene Ansätze oder Management mit hohen diskretionären Freiheitsgraden - dieser Wunsch und diese Motivation erscheinen im direkten Gespräch oft wie ein ständiger, unausgesprochener Unterton. Handwerk, Perfektion und Leichtigkeit in Verbindung mit dem Wunsch, das eigene Geld und das Geld der Kunden mit einem hohen Verantwortungsgefühl managen zu wollen. Natürlich, Wille ohne Skills hilft keinem Kunden - hier hilft aber die Peitsche der Transparenz im reinen Publikumsfondsbereich!
Digitalisierung, Kapitalsuche und Skalierbarkeit
Spricht man mit Unternehmen im IT-nahen Bereich (Fintech, Blockchain-Thematik etc.), so erstaunt häufig, dass diese im Gespräch sehr stark in Kategorisierung von Standardisierung, Skalierbarkeit und vielmals auch in Kategorien von Exit im Kapitalmarktbereich sprechen. Im Gegensatz zu klassischen Fondsboutiquen hat man hier oft den Eindruck, dass man auch mit wenig Feldkompetenz ein Höchstmaß an Professionalität aufweisen möchte. Oft entsteht ein Bild im Kopf (subjektives Urteil des Verfassers, natürlich gibt es Ausnahmen, positive Beispiele!), dass viele dieser "Möchtegern-Gründungen" mehr fasziniert zu sein scheinen von den Möglichkeiten das Kapitalmarkts als von der professionellen Vertiefung der persönlichen Feldkompetenz, der fachlichen Vervollkommnung, dem Mehrwert, den die Technik dem Verbraucher liefern soll. Vielleicht ist diese Meinung aber nur der Tatsache geschuldet, dass ohnehin nur ein ganz kleiner Teil später zur Gründung findet.
Kommunikation und nicht skalierbare Unternehmerpersönlichkeiten
Es wird noch länger dauern, bis die Visibilitätslücke zwischen kleinen, unabhängigen Asset Managern und Investoren geschlossen sein wird. Die Ökonomie der Aufmerksamkeit bildet das Korrektiv bei Übermaß an digitalen Vermarktungsformaten. Noch lange wird hier die Devise gelten: Der höchste Genuss bleibt das persönliche Gespräch!
Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt. Seine Fachgebiete liegen in Marketing / Vertrieb / PR und in der Managerselektion. Hill beschäftigt sich intensiv mit Private Label Fonds, Fondsboutiquen und dem Einsatz von Publikumsfonds (Fondsselektion) bei Institutionellen.
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