Euro am Sonntag-Serie

Ayurveda für das Volk

28.01.10 12:03 Uhr

Nicht jede gesetzliche Krankenkasse bietet das Gleiche. Euro am Sonntag erläutert, welche Zusatzangebote es bei den einzelnen Kassen gibt.

von Erhard Drengemann, Euro am Sonntag

Ulla Schmidt konnte sich der Tränen nicht erwehren. Bei der Übergabe ihres Ministeriums an den neuen Amtsinhaber Philipp Rösler musste die rheinische Frohnatur die bittersten Pillen seit Amtsantritt schlucken: Abschied von der Macht, Verlust des Dienstwagens.

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Wer erwartet hatte, dass der Neue aus Niedersachsen sich weniger beratungsresistent als seine Amtsvorgängerin zeigen und nun jung-dynamisch alte Zöpfe abschneiden würde, wurde schnell ernüchtert. Agonie beherrscht weiter die Szene. Experten erwarten frühestens 2011 wesentliche Änderungen des kranken Gesundheitssystems. Denn vor 2010 liegen keine belast baren Eckwerte über die finanziellen Folgen der letzten Gesundheits reform vor. Erst dann nämlich liegen alle Daten des „Morbi-RSA“, wie der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenkassen im feinsten Beamtendeutsch genannt wird, vor. Dieser soll die finanziellen Vor- und Nachteile durch unterschiedliche Mitgliederstrukturen der Kassen egalisieren. Auch die anstehenden Landtagswahlen, vor allem die im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen, paralysieren aufkeimende Handlungsbereitschaft der politischen Entscheidungsträger. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hat vorsorglich schon mal signalisiert, dass „der Gesundheitsfonds nicht zur Diskussion steht“.

Der war lange Zeit Zankapfel in der ehemaligen schwarz-roten Regierung gewesen. „Bürgerprämie“ oder „Kopfpauschale“ – der Dissens der alten Regierung wurde durch die Ins tallation des Gesundheitsfonds auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zugeschmiert und eine Reform auf die nächste Regierung verschoben.

Die ist nun seit einigen Monaten im Amt. Doch eine Änderung des von allen Beteiligten ungeliebten Kompromisses von ehedem ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Weiterwursteln wie bisher ist auch in den nächsten zwei Jahren zu erwarten. Die Finanz löcher im staatlichen Gesundheitssystem soll zunächst ein höherer Zuschuss aus dem eh schon leeren Steuer säckel füllen. Schon 2010 stehen die Krankenkassen nach internen Berechnungen des Schätzerkreises vor einem Finanzloch von vier Milliarden Euro. Dazu kommt ein Bundeszuschuss von weiteren 3,5 Milliarden – macht in der Summe ein Defizit von 7,5 Milliarden. Wenn allein die Beitragszahler die Last schultern müssten, entspräche dies rechnerisch einer Erhöhung von 0,75 Prozentpunkten auf 15,65 Prozent.

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Über die Verteilung der Lasten scheint sich der neue Bundesgesundheitsminister schon Gedanken gemacht zu haben. Die Deckelung des möglichen kassenindividuellen Beitragzuschlags von einem Prozentpunkt soll entweder ersatzlos fallen oder auf drei bis fünf Punkte angehoben werden. Dem Publikum soll die zusätzliche Belastung als „marktwirtschaftliche Selbstverantwortung“ der einzelnen Kassen ver kauft werden. Im Klartext heißt das aber: Statt bislang 0,9 Punkte zahlt das Kassenmitglied dann 1,65 Punkte aus eigener Tasche – das endgültige Ende des bis zur letzten Gesundheitsreform solidarisch von Arbeitnehmern und Arbeitgebern geteilten Kassenbeitrags.

Als weitere Therapie, das hat das Gesundheitsministerium schon durchblicken lassen, sollen Selbst beteiligungen erhöht werden. Experten rechnen daher nach der Riester-Rente mit einem „Rösler-Obolus“. Nach dem Muster der ergänzenden privaten Altersvorsorge, die die Lücken der gesetzlichen Altersvorsorge füllen soll, könnte das bisherige Gesundheitssystem parzelliert werden: Basisversorgung durch die Kassen – wer mehr will, muss zusätzlich vorsorgen. Damit ist der Weg in die Drei-Klassen-Medizin vorgezeichnet.

90 Prozent der Bevölkerung müssen dem Treiben des Gesundheitskartells hilflos zuschauen. Denn als Kassenmitglieder haben sie kaum eine Wahl, sich aus dem maroden System zu verabschieden. Wer monatlich weniger als 4162,50 Euro (sogenannte Krankenversicherungs-Pflichtgrenze) verdient und kein Politiker, Beamter oder Selbstständiger ist, bleibt in der GKV gefangen. Die Masse der Arbeitnehmer kann nur in Grenzen versuchen, aus dem Schlechten das Beste zu machen.

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Da Beitragsunterschiede als markt wirtschaftliches Wahlinstrument seit Einführung des Bürokratiemonsters Gesundheitsfonds gekappt wurden, bleiben die Leistungsunterschiede zwischen den momentan rund 150 Kassen, bei denen die Fusio nitis grassiert. Nach dem Einheitsbeitrag folgt der Trend zur Einheitskasse. Der Essener Gesundheits ökonom Jürgen Wasem rechnet auf mittlere Sicht mit „unter 100 Anbietern“. Andere Experten vermuten, dass auch ohne weitere staatliche Eingriffe in wenigen Jahren kaum mehr als 50 Anbieter übrig bleiben.

Die 50 größten – gemessen an den Versichertenzahlen – und weitere 20 leistungsstarke Anbieter hat €uro am Sonntag daher einem großen Leistungstest unterzogen. Zwar sind durch den Gesetzgeber rund 90 Prozent aller Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse im Sozial gesetzbuch (SGB) festgeschrieben, doch bei den restlichen zehn Prozent dürfen sich die Kassen austoben. Kein Wunder, dass sie versuchen, ihre Leistungsvorteile marketingtechnisch an den Mann oder die Frau zu bringen. Neben viel Geklingel gibt es aber auch wichtige Leistungsdifferenzen. In einer Serie hat €uro am Sonntag die wesentlichen Unterschiede bei Service, Wahltarifen, Bonus- und Vorsorgeprogrammen auf den Prüfstand gestellt.

Gestartet wird die siebenteilige Serie in diesem Heft mit den Leistungsunterschieden bei alternativen Behandlungsmethoden. Für viele Schulmediziner ein Graus, weil deren Wirkung strenger wissenschaftlicher Nachprüfung oft nicht standhält. Für manche von ihnen sind sie jedoch Teil therapeutischer Maßnahmen. Jörg Schlotjunker, Allgemeinmediziner in Düsseldorf: „Entscheidend ist das Ergebnis. Da zeigen viele alternative Behandlungsmethoden Heilerfolge.“ Für die meisten Patien ten ist der Weg zum Homöopathen, Yogalehrer oder Heilpraktiker sowieso längst Teil ihres persönlichen Therapiemixes. Rund ein Viertel würde nach einer Infratest-Umfrage sogar zu einer anderen Kasse wechseln, wenn ihre bisherige keine entsprechenden Leistungsangebote vorweisen könne. Eine klare Ansage, die viele Kassen für sich nutzen. Von 163 Kassen, die an der Umfrage teilgenommen haben, gaben 133 an, entsprechende Angebote zu machen – in unterschiedlicher Ausprägung. €uro am Sonntag untersuchte das Angebot und bewertete die Leistungen anhand von 21 Leistungsmerkmalen.

Das Ergebnis zeigt eine Dreiteilung des Angebots: Hervorzuheben sind die Sieger, die von €uro am Sonntag die Versicherungsnote 1 erhielten: 13 Anbieter glänzen fast durchgehend mit positiven Leistungszusagen in allen oder fast allen Bereichen. Nach absoluten Indexpunkten auf dem Treppchen: Die Securvita mit knapp zehn Punkten Abstand, gefolgt von der G & V BKK sowie DAK. Ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis können aber auch die 19 mit Note 2 bewerteten Kassen anbieten. Sie zeigen zwar hier und da Lücken im Leistungsspektrum, können das Manko aber teilweise kompensieren.

Das schaffen die GKV-Anbieter mit den Noten 3 (elf Kassen) und 4 (23 Anbieter) schon nicht mehr. Sie bieten bestenfalls Mittelmaß bei Beitrag und Leistung. Vielen Anbietern bleibt die rote Laterne in Form einer 5 (davon sind aus Platzgründen nur noch vier in der Tabelle) oder 6 nicht erspart. Sie können nicht mit nennenswerten Leistungen punkten. Keine guten Startvoraussetzungen für den angestrebten Leistungswettbewerb. Denn sie offerieren ihren Mitgliedern nur ab und zu Zugang zur Naturheilkunde – und dann oft auch nur im Einzelfall. Interessant, dass die Versicherungsnote nicht unbedingt vom Kassensystem (AOK, Ersatz-, Betriebs- oder Innungskrankenkasse) abhängt. Auch Größe allein ist kein Qualitätsmaßstab. Im Leistungsrating konnten auch nach Zahl der Versicherten kleine Anbieter punkten.

Kassenmitglieder können die Chance nutzen, zu einem besseren Anbieter zu wechseln. Im Internet (www.kassensuche.de) kann das sogar individualisiert erfolgen. Thomas Adolph, Rohdatenlieferant für die Serie und Betreiber der Website: „Hier kann jeder sein persönliches Anforderungsprofil erstellen.“