Wichtige Finanzinstrumente

Auf Derivate nicht verzichten

28.11.13 12:30 Uhr

Derivate werden schon seit Jahrhunderten gehandelt, mittlerweile auf ein breites Spektrum zugrunde liegender Vermögenswerte – von Devisen und Zinssätzen bis hin zu Energie und Wetter. Doch wie sähe die Wirtschaft ohne Derivate aus?

von Alessandro Beber, Euro am Sonntag

In einer neuen „Finance-Fiction“-Studie führen mein Forschungspartner, Professor Christophe Perignon von der HEC Paris, und ich eine Was-wäre-wenn-Analyse der möglichen Folgen eines Verbotes der Nutzung von Derivaten durch. Insbesondere untersuchen wir, inwiefern ein Verbot sowohl Fondsverwalter als auch deren institutionelle und Retailkunden beeinträchtigen würde, die Derivate intensiv für Absicherungs- und Anlagezwecke nutzen.

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Kritiker, die für ein Verbot von Derivaten plädieren, behaupten, dass diese destabilisierende Auswirkungen auf das Finanzsystem haben. Sie vertreten die Auffassung, dass Derivate zu komplex, nicht transparent und nicht reguliert sind und von Anlegern mit mangelnder Finanzkompetenz genutzt werden. Sie führen zudem an, dass Derivate zu übermäßiger Volatilität, Blasen und extremen Verlusten führen, die in bestimmten Fällen verheerende Folgen haben können.

Hingegen sagen Anleger und Firmen, dass Derivate ihnen beim Management der Risiken helfen, denen sie ausgesetzt sind. Unternehmen sichern Finanzrisiken ab, denen kein vergleichbarer Nutzen gegenübersteht (z. B. Zinssatz- oder Währungsrisiken). So können sie sich auf ihr eigentliches Geschäft konzentrieren und effizienter arbeiten. Tatsächlich hat die Forschung gezeigt, dass derivatbasierte Absicherungsstrategien den Firmenwert steigern, die Risikoallokation verbessern und Märkte effizienter machen.

Derivate sind lebenswichtige Werkzeuge für die Vermögensverwaltungsbranche. Laut einer aktuellen Morningstar-Umfrage hielten 27 Prozent der Investmentfonds in den USA mindestens eine Derivatposition, während Investmentfonds in Europa diese in sogar noch größerem Umfang nutzen. Bei einer Umfrage unter französischen Fondsgesellschaften haben wir herausgefunden, dass 52 Prozent der befragten Fonds Derivate nutzen und diese Fonds 65 Prozent des gesamten verwalteten Vermögens darstellen. Derivate ermöglichen es den Fonds, Risikomanagementstrategien effizient und mit verhältnismäßig geringen Transaktionskosten umzusetzen. Zudem ermöglichen sie es Vermögensverwaltern, spezifische Märkte oder Vermögensklassen ins Auge zu fassen. Häufig geschieht dies zu Diversifizierungszwecken.

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Anleger kommt fehlendes
Risikomanagement teuer

Was würde also geschehen, wenn Derivate verboten würden? Investmentfonds im Allgemeinen könnten diese Aktivitäten weiterhin unternehmen, doch würden ihnen viel höhere Kosten entstehen — und so in vielen Fällen einen Anreiz bieten, kein Risikomanagement mehr zu betreiben. Das würde zu suboptimalen Risiko-Rendite-Profilen führen, die die Endanleger teuer zu stehen kämen.

Ein Derivateverbot würde auch die Auswahl an Produkten für den Endanleger drastisch verringern. Dies wäre insbesondere schädlich für kleinere Vermögensverwalter, die bei der Umsetzung alternativer Risikomanagementstrategien nicht auf Skaleneffekte bauen können. Fondsverwalter nutzen bisweilen komplexe Derivate. Auf diese Weise können sie üblicherweise ihre Risikomanagementziele in maßgeschneiderter Weise und zu geringeren Kosten erzielen, als dies bei Verwendung einfacherer Derivate der Fall wäre. Ob ein Fonds ein einfaches oder ein exotischeres Derivat nutzt, spielt aus zwei Gründen keine Rolle. Zum einen haben Fondsmanager ausreichende Risikomanagementfähigkeiten entwickelt, um in angemessener Weise mit jedem dieser Instrumente umzugehen. Und andererseits können Derivate mit komplexem Nutzen unter Verwendung unkomplizierter Replizierungsmethoden bewertet werden. Wenn überhaupt ein Unterschied besteht, dann der, dass exotische Derivate es ermöglichen, die Transaktionskosten weiter zu senken.

Die angebliche Undurchsichtigkeit und fehlende Regulierung des Handels mit Derivaten wird stark überbewertet. Die Aufsichtsbehörden erlegen Vermögensverwaltern Transparenzverpflichtungen auf, nach denen der letztendliche Nutzen von Derivaten klar dargelegt werden muss. Zudem bestehen strenge Messungsanforderungen für das gesamte Spektrum möglicher Risiken durch die Nutzung von Derivaten — vom Markt- über das Kontrahenten- bis hin zum Liquiditätsrisiko. Und es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass Derivate dazu genutzt werden, in der Vermögensverwaltung unvertretbar riskante Wetten abzuschließen. All die Ängste, die den einfachen Bürger umtreiben, liegen nicht in der Vermögensverwaltung begründet.

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zur Person:

Alessandro Beber, Professor an der
Cass Business School in London
Beber lehrte bereits an verschiedenen Hochschulen wie der Amsterdam Business School, der HEC Lausanne, der Wharton School of the University of Pennsylvania an der Universität in Columbia sowie an der London Business School.
Professor Beber verbindet die empirische und theoretische Forschung über Finanzen und ist für seine Arbeiten mehrfach ausgezeichnet worden. Aktuell fokussiert er sich auf Themen wie Risikomanagement, Liquidität und Preise sowie die Devisen- und Anleihenmärkte.