Harmann International: Klingt gut
Ein Inder baut den einst defizitären Audiokonzern Harman International zum Premiumzulieferer um. Autohersteller und Aktionäre sind begeistert.
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von Stephan Bauer, €uro am Sonntag
Das brauchen nicht nur junge Leute. Auch jemand wie ich will ständig online sein“, sagt Dinesh Paliwal. Der 52-Jährige ist Chef von Harman International Industries, einem US-Konzern, der vor allem für seine edlen Audioanlagen bekannt ist. Bei der jüngsten Entwicklung des Hauses geht es jedoch nicht um feine Töne. „Dies ist die erste Social-Media-Schnittstelle für Automobile. Sie können damit ihren Facebook-Freunden Live-Videos von unterwegs zeigen oder sich die neuesten Twitter-Nachrichten vorlesen lassen“, erklärt Paliwal.
Schnickschnack für Technikfreaks? So mancher Besucher schüttelte jüngst auf dem Genfer Autosalon beim Anblick des Rinspeed Bamboo den Kopf: ein Strandbuggy im Stil der 70er-Jahre mit aufblasbaren Rücksitzen und eingebauter Webkamera. Diese Studie, die Harman mit einem Schweizer Autotuner zeigte, wirkte auch auf viele Branchenkenner wie eine Spielerei.
Das schrille Webmobil ist laut Paliwal jedoch Vorbote eines Trends. „Das Internet wird auf mittlere Sicht zur normalen Ausstattung von Fahrzeugen gehören. In fünf Jahren wird gut ein Drittel aller Neufahrzeuge mit einer Webverbindung ausgestattet sein“, sagt der Harman-Chef.
Es sind nicht nur coole Internetdienste, die Käufer locken sollen. Das Informationsbedürfnis der Fahrer werde in Zukunft rapide steigen, da ist sich Paliwal sicher. Harmans funktionstüchtiges Infotainmentsystem – eine Kombination aus Navigation, multimedialer Abspielstation und Internetanbindung – liest dem Fahrer auch Routenvorschläge zum Umfahren eines Staus vor. Wer den kürzesten Weg zur nächsten Tankstelle sucht, wird ebenfalls versorgt – ein handfestes Verkaufsargument, wenn man mit einem Elektrofahrzeug unterwegs ist. „Die Elektromobilität wird das Wachstum von internetbasierten Informationssystemen in Autos um den Faktor vier bis fünf beschleunigen“, sagt Paliwal.
Der Harman-Chef ist voll eingestiegen ins automobile Onlinegeschäft. Vor Kurzem übernahmen die Amerikaner die kalifornische Firma Aha Radio, deren ausgeklügelte Sprachsteuerung für die fahrerfreundliche Integration der Webdienste sorgt. Paliwal baut die technologische Kompetenz des Unternehmens mit Hochdruck aus. Weitere Übernahmen sollen folgen.
Seit gut drei Jahren steht Paliwal an der Spitze des Hightechunternehmens. Der Inder, der stets in hohem Tempo spricht, krempelte den defizitären Konzern prestissimo um. Der Vorstand wurde ausgetauscht, über ein Viertel der Jobs wurden gestrichen. Statt in Hochlohnländern wie Großbritannien, Deutschland oder den USA etablierte Paliwal Fertigungen an günstigeren Standorten wie Ungarn, Mexiko oder China.
Die radikale Restrukturierung ist weitgehend abgearbeitet. Paliwal, der einst beim Industriekonzern ABB als jüngster Vorstand für Furore gesorgt hatte, gab soeben den Abschluss eines im Sommer 2008 aufgelegten Sparprogramms über 400 Millionen Dollar bekannt – gewissermaßen der Schlussakkord.
Der wichtigste Schritt zum Turnaround lag jedoch in der strategischen Neuausrichtung des Automobilgeschäfts. Paliwal nahm sich seine Kunden zum Vorbild: Bot das alte Management noch individuelle Lösungen für nahezu jeden Auftrag an, baute der Chef das Geschäft auf einer einheitlichen, erweiterbaren technologischen Plattform auf. Über 50 Prozent der elektronischen Module können jetzt unabhängig von der Art des Kundenauftrags verwendet werden – das senkt die Kosten.
Ein kluger Schachzug, schließlich entwickelt sich Harman zusehends vom Audioanbieter zum Automobilzulieferer. Der Konzern erzielte hier zuletzt rund 70 Prozent des Umsatzes. Die Produkte finden sich in den Luxusmodellen renommierter Marken wie Audi, Bentley, BMW oder Mercedes. Nur noch knapp ein Drittel des Geschäfts entfallen auf hochwertige Audiokomponenten der eigenen Nobelmarken Harman Kardon, Infinity, AKG oder Mark Levinson.
Auch der jüngste Gewinnsprung von über 300 Prozent im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres ging zum großen Teil auf Fortschritte im Automobilbereich zurück. Die operative Gewinnmarge hat sich hier gegenüber dem Vorjahr bereits verdoppelt. Und sie dürfte weiter zulegen. „Harman arbeitet noch Altaufträge ab. Die Profitabilität wird im Laufe der Zeit steigen, da immer mehr Aufträge auf Basis der Technologieplattform dazukommen“, sagt Himanshu Patel, Analyst bei JP Morgan. Die Plattformstrategie kommt bei den Einkäufern aus der Autoindustrie gut an – schließlich spricht man dort die gleiche Sprache. Mit den Kostenvorteilen im Gepäck macht Harman Wettbewerbern wie Bose in den USA, Dänemarks Bang & Olufsen oder Japans Denso das Leben zunehmend schwerer.
Inzwischen hat das Unternehmen Orders im Wert von rund 13 Milliarden Dollar in den Büchern stehen – das entspricht gut drei Jahresumsätzen. Bei Toyota und Fiat hat Harman zuletzt Deals im dreistelligen Millionenbereich gelandet. Das jüngste Geschäft mit Volkswagen setzte indes neue Maßstäbe: Die Wolfsburger Einkäufer fanden Harmans Konzept für den Infotainmentbereich offenbar so gut, dass sie gleich Waren im Wert von 1,2 Milliarden Dollar bestellten.
Die Harman-Geräte sollen zunächst in Oberklassemodellen wie dem Audi A 8 oder dem Geländewagen Touareg zum Einsatz kommen. Harman festigt dadurch seine Stellung als Weltmarktführer im Premiumsegment. Inzwischen weiten die Amerikaner ihr Portfolio auch in die Mittelklasse aus. Nach Systemen für Porsche, Ferrari oder Bentley folgen Topausstattungen für Mittelklassemodelle wie Passat und Touran oder für Premiumkleinwagen wie den Mini von BMW. Den nächsten Expansionsschritt bereitet Paliwal bereits vor. Der Harman-Chef arbeitet am Einstieg ins mittlere Ausstattungssegment. „Mit Volkswagen sind wir in Verhandlungen“, sagt er. Der Einstieg in die wettbewerbsintensive Billigklasse kommt jedoch nicht infrage. Das würde auch mit dem Markenportfolio nicht harmonieren.
Das dicke Orderbuch könnte sich so in den kommenden Monaten weiter füllen. Zumal die Automobilhersteller vor allem in Emerging Markets wie China gerade einen Boom bei den Bestellungen erleben. Die Amerikaner sitzen hier quasi am Beifahrersitz. Den Orders bei Daimler oder BMW folgen meist auch Aufträge für Harman.
Die Volksrepublik kennt Paliwal sehr genau. Der Manager, der den Markt in den 90er-Jahren bereits für die Schweizer ABB erschloss, hat sich hier, wie auch in Indien und Brasilien, viel vorgenommen. „In diesen Märkten wachsen wir langfristig mit 30 bis 40 Prozent, derzeit ist es sogar ein Vielfaches davon“, sagt Paliwal. Dem eigenen Fünfjahresplan entsprechend soll der Umsatz allein in China bis 2015 von 199 Millionen auf eine Milliarde Dollar steigen.
Das Unternehmen ist auf einem guten Weg. Der Klang seiner audiophilen Geräte überzeugte jüngst die Einkäufer von Wanda, der größten Kinokette des Landes. Die Chinesen wählten Harman als Ausstatter für 183 Kinosäle, in denen künftig Lautsprecher der Marke JBL für die nötigen Toneffekte sorgen. Und ausgemacht ist für den Inder schon jetzt, dass die internetbegeisterten Chinesen auf Autotechnik wie im Rinspeed Bamboo stehen werden.
Der Markt
Nummer 1 im Premiumsegment
Bei Infotainmentsystemen für Autos führt Harman mit rund 20 Prozent Weltmarktanteil. Der Premiummarkt ist weltweit knapp zehn Milliarden Dollar groß. Im Markt für automobile Audiosysteme (rund zwei Milliarden Dollar Volumen) ist Bose der größte Wettbewerber.
Der Konzern
Mehr Auto als Audio
In der ersten Hälfte des Geschäftsjahres (endet am
30. Juni) erzielte Harman knapp 1,3 der insgesamt
1,8 Milliarden Dollar Umsatz in der Sparte Automotive, die sich in Infotainment (rund 75 Prozent) und Audio (rund 25 Prozent) aufteilt. Die operative Marge lag hier zuletzt bei knapp acht Prozent. Das Professionalgeschäft (etwa Audio für Kinos, TV- und Radiostationen) erzielt rund 15 Prozent Marge, Consumer bringt es auf 5 Prozent.
Die Aktie
Mehr Umsatz, mehr Marge
Der Konzern legt in zwei Dimensionen zu: Der Umsatz wächst, auch wegen der Ausweitung der Produke in die Mittelklasse und wegen des Geschäfts in den Emerging Markets. Zudem wird das Kerngeschäft dank Plattform-strategie profitabler. Analysten rechnen für das Geschäftsjahr 2012 mit einen Gewinnsprung von knapp 50 Prozent. Daran gemessen ist die Aktie günstig. Limitieren.
Bang & Olufsen
Mehr Audio als Auto
Die dänische Nobelmarke ist Nummer 3 der automobilen Premium-Audiowelt. Unterhaltungselektronik fürs Wohnzimmer macht rund 90 Prozent des Geschäfts aus. Die operative Rendite liegt deutlich niedriger als bei Harman. Die Aktie steht charttechnisch vor einem Widerstand. Der Kauf drängt sich nicht auf. Halten.
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