Juncker schlägt nach Barroso-Affäre verschärfte Regeln für Ex-Kommissare vor
BRÜSSEL (AFP)--EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat seine Pläne für die Verschärfung der Verhaltensvorschriften für ehemalige Kommissionsmitglieder vorgestellt. In einem Brief an Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) schlug Juncker nach Angaben vom Mittwoch vor, dass Ex-Kommissare Brüssel künftig zwei Jahre lang über die Annahme eines neuen Jobs vorab informieren müssen. Bisher sind es 18 Monate. Bei früheren Kommissionspräsidenten soll die Karenzzeit auf drei Jahre verdoppelt werden.
Bei Änderungen des Verhaltenskodex' für Kommissionsmitglieder muss das Parlament eine Stellungnahme abgeben. Mit der verlängerten Karenzzeit reagierte Juncker auf die Affäre um den umstrittenen Wechsel seines Amtsvorgängers José Manuel Barroso zur Investmentbank Goldman Sachs.
Ziel seien "die höchstmöglichen ethischen Standards" für Kommissionsmitglieder, erklärte Juncker nach Angaben seiner Behörde, räumte aber gleichzeitig ein: "Strengere Vorschriften reichen sicherlich nicht aus, um in allen Fällen akzeptables ethisches Verhalten zu bewirken. Aber sie sind ein unerlässlicher erster Schritt".
Tatsächlich war bei Barroso die Wartezeit nicht das eigentliche Problem. Diese war bereits abgelaufen. Für Furore hatte vor allem gesorgt, dass Barroso den Posten bei der US-Bank kurz nach dem Brexit-Referendum der Briten antrat und für das Geldhaus angeblich als Lobbyist in der Frage tätig werden sollte. Dies hatte die Frage von Interessenkonflikten aufgeworfen.
Barroso hatte dann im September dementiert, er sei als Brexit-Berater angeheuert worden. Juncker hatte seinen Vorgänger im Rahmen der Affäre zum normalen Lobbyisten herabgestuft. Er wird deshalb in Brüssel protokollarisch nicht mehr wie ein Ex-Präsident empfangen.
In die Schlagzeilen kam im September auch Ex-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. Sie war während ihrer Amtszeit Direktorin einer Briefkastenfirma in Panama und hatte dies nicht angegeben - sie ging nach eigenen Angaben davon aus, dass die Firma bereits aufgelöst war.
Vergangene Woche war auch der deutsche EU-Digitalkommissar Günther Oettinger unter Druck geraten. Er war im Mai im Privatjet eines als russlandfreundlich geltenden Geschäftsmanns nach Budapest geflogen, um dort den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban zu treffen. Laut seinem Büro war es wegen Terminen in Brüssel nicht möglich gewesen, einen Linienflug zu nutzen. Nach Lesart der Kommission hat er damit keine Ethikregel der Behörde verletzt.
Oettinger soll bis Jahresende das Ressort von Haushaltskommissarin Kristalina Georgieva übernehmen, die zur Weltbank wechselt. Er sollte dabei nach früheren Ankündigungen gleichzeitig Vize-Präsident der Kommission werden.
Gleichzeitig mit der verschärften Karenzzeit für Ex-Kommissionsmitglieder schlug Juncker nun auch vor, dass amtierende Kommissare vor Wahlen sich als Kandidaten für das Europaparlament aufstellen lassen können, ohne sich beurlauben zu lassen. "Wahlen zum Europäischen Parlament sind und sollten ein notwendiges Rendez-vous mit der Demokratie sein, auch für die Kommission", erklärte Juncker zur Begründung.
DJG/apo
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November 23, 2016 07:46 ET (12:46 GMT)- - 07 46 AM EST 11-23-16