Solarindustrie: Q-Cells-Chef Milner tritt überraschend zurück

Bitterfeld-Wolfen. Der Chef des angeschlagenen Solarzellenherstellers Q-Cells, Anton Milner, hat mit seinem Rücktritt auf die Krise des Unternehmens reagiert. Damit übernahm der Brite die Verantwortung für ein katastrophales Geschäftsjahr 2009, das die im TecDax (TecDAX) notierte Gesellschaft mit einem Verlust von fast 1,4 Milliarden Euro abgeschlossen hatte. Milner begründete den Schritt auch mit dem verloren gegangenen Vertrauen am Kapitalmarkt. Sein Nachfolger wird der bisherige Finanzchef Nedim Cen, wie Q-Cells am Donnerstag nach einer Aufsichtsratssitzung mitteilte. Cen war erst im Juni als Sanierer geholt worden. Er soll beide Ämter nun solange führen, bis "die Basis für die Neuausrichtung" geschaffen sei, hieß es. Die Aktie reagierte mit deutlichen Verlusten auf die Nachricht. Gegen 16 Uhr war sie Schlusslicht im TecDAX und notierte gut vier Prozent schwächer.

"Um Q-Cells in einem überaus schwierigen Marktumfeld wieder auf einen nachhaltigen Erfolgskurs zu bringen, muss das Unternehmen die konsequente Neuausrichtung intern wie extern vollziehen", sagte Aufsichtsratschef Marcel Brenninkmeijer. Die Aktien des Unternehmens reagierten zunächst mit einem neuerlichen Rückgang auf den Rücktritt, erholten sich dann aber von den Tiefstständen. Die Situation sei schwer einzuschätzen, sagten Händler. "Es ist meistens ein negatives Signal, wenn der Chef und Mitgründer geht", erklärte ein Börsianer. Andererseits sei Q-Cells zuletzt so schlecht gelaufen, dass es auch Hoffnungen auf eine Verbesserung durch den neuen Chef gebe.

KEIN STREIT

Bereits im Juni 2009 hatte der langjährige Finanzvorstand Hartmut Schüning seinen Posten räumen müssen. Für ihn kam Sanierungsexperte Cen vom Restrukturierungsberater Alvarez & Marsal, als dessen Geschäftsführer er weiterhin fungiert. Cen leitete schon im Sommer 2009 einen harten Sanierungskurs ein. 500 Stellen wurden am Stammsitz in Sachsen-Anhalt gestrichen und vier veraltete Produktionslinien geschlossen. Parallel fährt Q-Cells eine Produktion in Malaysia hoch.

Milner habe den Weg für sich und sein Team freimachen wollen, sagte der neue Q-Cells-Chef. Er betonte, dass es keinen Streit zwischen ihm und Milner über die Strategie gegeben habe, kündigte aber zugleich "Ergänzungen" in der Unternehmenspolitik an. "Unser Geschäftsmodell wird auf Wachstum mit nachhaltigeren Erträgen und einer besseren Risikogewichtung ausgerichtet." Das bedeute auch, dass Q-Cells künftig weniger von großen Solarprojekten abhängig sein will, sondern sich auch stärker um das Kleinanlagengeschäft kümmern will. Das Technologieportfolio will er stärker fokussieren und so die finanziellen Belastungen senken. Die Finanzierung für das laufende Jahr sei gesichert, bekräftigte Cen. Ein weiterer Stellenabbau sei nicht geplant.

KONKURRENZ AUS CHINA

Milner hatte Q-Cells 1999 mitgegründet und das Unternehmen zum weltgrößten Solarzellenhersteller gemacht. Die lange Erfolgsgeschichte ging aber Ende 2008 abrupt zu Ende, als sich in Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise der Solarmarkt völlig veränderte. Binnen weniger Monate kippte der Verkäufermarkt, in dem Weltmarktführer Q-Cells gar nicht genug produzieren konnte, in einen von Überkapazitäten und einbrechenden Preisen geprägten Käufermarkt.

Vor allem die wachsende Konkurrenz aus China machte Q-Cells seitdem schwer zu schaffen. Drei Mal musste das Unternehmen seine Prognose für das vergangene Jahr kappen, um sie schließlich ganz aufzuheben. So verspielte der Vorstand viel Vertrauen bei Investoren. Der Aktienkurs verlor im Vergleich zu seinem Höchststand inzwischen mehr als 90 Prozent. "In dieser Situation ist es aus meiner Sicht im besten Interesse des Unternehmens, das ich mit aufgebaut habe, mein Amt als Vorstandsvorsitzender niederzulegen und den Weg für einen Wechsel frei zu machen", erklärte Milner. Er soll dem Unternehmen als Berater erhalten bleiben.

HSBC hatte gestern das Kursziel auf sechs Euro gesenkt und die Aktie als "Underweight" eingestuft. SES Research sieht heute sein Kursziel von 4,50 Euro bestätigt und erwartet "zusätzliche schlechte Nachrichten" sowie einen erhöhten Restrukturierungsbedarf.

(jos/dpa-AFX)