AUSBLICK/EuGH hört zu OMT-Programm der EZB Vertreter von neun Ländern an

14.10.14 07:25 Uhr

   Von Hans Bentzien

   Der Europäische Gerichtshof verhandelt am Dienstag in Luxemburg über das Staatsanleihekaufprogramm OMT der Europäischen Zentralbank (EZB). Eine Entscheidung darüber, ob die EZB unbegrenzt Staatsanleihen kaufen darf oder nicht, steht noch nicht an. Beobachter hoffen jedoch auf Hinweise zum Zeitpunkt einer Urteilsverkündung und zu Einschränkungen, die die Richter der EZB auferlegen könnten. Anlass ist ein Vorab-Entscheidungsersuchen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10. Februar dieses Jahres.

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   Die um 9.00 Uhr beginnende mündliche Verhandlung in Sachen OMT verspricht eine zeitlich gedrängte Veranstaltung zu werden. Nach Auskunft des EuGH wollen Vertreter von neun Ländern Stellungnahmen abgeben, darunter die der drei größten Euro-Länder Deutschland, Frankriech und Italien, aber auch der Vertreter Polens. Der EuGH verhandelt über die Frage, ob die EZB im Rahmen ihres OMT-Programms zu unbegrenzten Staatsanleihekäufen berechtigt ist.

   Ein Urteil ist nicht so bald zu erwarten. Im Durchschnitt vergehen in Luxemburg zwischen Klage und Urteilsverkündung 16 Monate. Die OMT-Sache wäre demnach im Juni 2015 dran.

   Beobachter rechnen nicht damit, dass der EuGH der EZB größere Steine in den Weg legen wird. Allerdings schließen sie nicht aus, dass die Luxemburger Richter ihren Karlsruher Kollegen in einigen Punkten entgegen kommen werden, um eine offene Konfrontation der beiden Verfassungsgerichte zu vermeiden.

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   Die Karlsruher Richter hatten auf Antrag mehrerer Beschwerdeführer mehrheitlich entschieden, dass die vom EZB-Rat für den Notfall zugesagten Outright Monetary Transactions (OMT) einen "ausbrechenden Rechtsakt" darstellen würden. Zugleich hatten sie jedoch die für europäische Fragen zuständigen Luxemburger Kollegen um eine Vorab-Entscheidung in einigen Punkten gebeten.

   Eingeplant sind außerdem Statements der Parteien, die in Karlsruhe Beschwerde gegen das OMT geführt haben. Auf dessen Antrag hin befasst sich der EuGH überhaupt mit dem Fall. Plädoyers werden außerdem Vertreter von EZB, Europaparlament und EU-Kommission abgeben.

   Trotzdem wollen die Luxemburger Richter mit nur einem Verhandlungstag auskommen. Nach Aussage eines Sprechers könnte der Generalanwalt des EuGH am Ende des Verhandlungstags bekannt geben, wann er selbst sein Abschlussplädoyer halten will. Auf alle Fälle dürfte er sich aber allgemein zum weiteren Gang des Verfahrens äußern. Der EuGH folgt in der Regel dem Votum des Generalanwalts.

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   Den Notenbanken im Euroraum ist eine Finanzierung von Staaten mit der Notenpresse verboten. Der EZB-Rat hat gegen die Stimme Deutschlands beschlossen, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Ländern am Sekundärmarkt zu kaufen, deren Zinsen die EZB für zu hoch hält. Ihre Käufe sollen dabei jedoch nur gegen jenen Teil des Zinsanstieges gerichtet sein, der auf der Wahrnehmung der Finanzmärkte beruht, wonach das betroffene Land gegen seinen Willen aus der Eurozone ausscheiden könnte.

   Barclays-Volkswirt Thomas Harjes sieht hierfür drei Möglichkeiten: Die EZB erhält als Staatsanleihekäuferin einen bevorrechtigten Status, der sie vor Verlusten im Falle eines Schuldeschnitts schützen würde; der EZB wird auferlegt, nicht der einzige Anleihegäubiger eines Staats zu werden. Damit wären zwar immer noch sehr starke, aber keine unbegrenzten Ankäufe mehr möglich; die EZB wird verpflichtet, bei Staatsanleihekäufen Preismechanismen "nach Möglichkeit" nicht zu stören.

   Harjes glaubt nicht, dass das OMT-Versprechen der EZB seine Wirksamkeit völlig verlieren würde. "Es würde die Effektivität zwar in Frage stellen, aber nicht komplett", sagt er. Eine andere Frage ist allerdings, wie sich ein bevorrechtigter Gläubigerstatus der EZB auf groß angelegte Staatsanleihekäufe im Rahmen einer quantitativen Lockerung (QE) auswirken würde.

   Denn wissen die Finanzmarktteilnehmer, dass normale Staatsanleihegläubiger im Falle eines Schuldenschnitts die Last alleine tragen müssen, weil sich die Zentralbank bevorrechtigt aus der Konkursmasse bedient, verlieren die Ankäufe an Glaubwürdigkeit. Die EZB müsste dann mehr kaufen, um die gleiche Marktwirkung zu erzielen. "Es ist schwer einzuschätzen, welche Bedeutung der Markt einer solchen Entscheidung des Gerichts beimessen würde", sagt Harjes.

   Entschieden wird darüber am Dienstag ohnehin noch nicht. Ökonom Harjes meint aber: "Die Frage, die die Richter stellen, werden erste Hinweise auf ihre Ansichten und darüber geben, in welchem Ausmaß sie vielleicht die Meinung des deutschen Gerichts teilen."

   Kontakt zum Autor: hans.bentzien@wsj.com

   DJG/hab/smh

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   October 14, 2014 00:55 ET (04:55 GMT)

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