Börse Frankfurt-News: "Aktien, Renten, Cash - was treibt die Renditen?"
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Viele fragen sich: Was sind die Folgen der KI-Bubble? Drohen uns Inflationsgefahren? Werden Produktivitätsschübe durch Innovationen die hohen Bewertungen auffangen? Wie gravierend werden die demografisch bedingten Deflationsgefahren wirken? Ali Masarwah, Fondsanalyst und Geschäftsführer des Beratungshauses envestor, stellt zwei Studien vor, die Einblicke für die nächsten zehn Jahre geben.
3. November 2025. FRANKFURT (envestor). Binnen weniger Tage haben JPMorgan Asset Management und die Deutsche Bank umfangreiche Auswertungen zu langfristigen Renditen an den Kapitalmärkten vorgelegt - und darauf aufbauend mögliche Renditepfade der Zukunft für Aktien, Anleihen und Cash aufgezeigt.
Die beiden Studien bieten zunächst einen Giga-Datenfundus - viele Fakten dürften Anlegern so nicht präsent sein - etwa, dass ein Investment in deutsche Anleihen zwischen 1910 und 1916 real gesehen ein Totalverlust war. Deutlich besser lief es bei den Emissionen 1917 und 1918. Diese verloren nur schlappe 99 Prozent und benötigten lediglich 92 Jahre, um das Ausgangsniveau wieder zu erreichen. Die begrenzten Ertragschancen bei Anleihen erwiesen sich angesichts der heftigen Inflationsschübe als Rendite-Killer. Auch die Staatsanleihen vieler anderer Länder waren faktisch Totalverluste.
Doch auch wer die MSCI-World-Statistik im Kopf hat, wonach es "unmöglich" sei, nach 15 Jahren mit Aktien einen Verlust zu machen, sollte sich die historischen Daten der Deutsche-Bank-Studie zu Gemüte führen: Die 1961 beginnende Aktienbaisse in der Schweiz erreichte ihren Tiefpunkt real erst im Jahr 1971, es sollte 19 Jahre dauern, bis ein Verlust ausgeglichen werden würde. Der Maximalverlust lag bei fast 70 Prozent. Die 1999 beginnende Baisse in Griechenland erreichte ihren Tiefpunkt 2011 und wurde auch bis Ende 2024 noch nicht egalisiert.
Es ist immer wieder hilfreich, ein wenig auf derartige Gruselzahlen zu blicken. Nicht, um die Blaupause für die Zukunft zu erhalten, sondern um zu verstehen, welche Folgen Kriege, politische und soziale Krisen und Inflation haben können. (Anlegerinnen und Anleger) in ukrainischen Wertpapieren müssen nicht so weit zurückgehen, um zu wissen, wovon die Rede ist!) Und wer die Historie richtig deutet, wird verstehen, dass auch in Zeiten von Polykrisen eben solche Szenarien extrem unrealistisch sind - die meisten entwickelten Märkte und Schwellenländer bieten mal höhere, mal niedrigere Risikoprämien, aber ein Totalverlust liegt heute mit einem ziemlich hohen Konfidenzniveau nicht im Rahmen des Erwartbaren.
So weit, so erbaulich. Kommen wir nun zu den wichtigsten Antworten auf die Fragen nach den langfristigen Treibern von Renditen bei Aktien, Anleihen und Cash.
Aktien
Die wichtigsten Renditetreiber sind Wachstum (insbesondere Technologie und Innovation), Produktivität, Margenentwicklung, Dividenden und Bewertung. In den kommenden Jahren werden demnach KI und Tech-Adoption die Margen zunächst hochhalten, dann durch breite Anwendungen die Chancen in andere Sektoren verlagern. Daraus folgt, dass die Outperformance der USA für die kommenden Dekaden weniger wahrscheinlich wird. Internationale Diversifikation und die Reduktion von Klumpenrisiken werden zunehmend wichtiger. Aktives Management hätte bei einer Rekalibrierung der Märkte Vorteile gegenüber Index-Investments, die die Tech-Führerschaft der USA widerspiegeln.
Anleihen
Die nominale Performance von Anleihen wird durch Startrenditen, Inflationserwartung, Geldpolitik und Risikoaufschläge bestimmt. Höhere Defizite und Protektionismus werden demnach zu steileren Zinskurven und damit attraktiveren Laufzeiten bei Bonds führen. Real ist die Inflation entscheidend: Historisch schwankten reale Bond-Renditen, waren aber in Umbruchsphasen (Inflationsschübe, Deflationsdruck) besonders volatil. Bis 2026 sehen die Analysten eine höhere Inflationsvolatilität und größere Zinsbandbreiten, was Qualitätsanleihen und inflationsgeschützte Assets begünstigt.
Cash
Die Cash-Rendite ist kurzfristig eng mit dem Leitzins verbunden, langfristig aber vor allem durch Inflationsentwicklung und Krisen (z. B. Finanzkrise) limitiert. Bei hartnäckiger Inflation wird Cash attraktiver bleiben als in Nullzinszeiten, aber in realen Werten dürften Geldmarktfonds zumeist hinter Aktien und Anleihen zurückfallen. Daher müssen Anlegende immer die Opportunitätskosten von Cash im Blick behalten.
Interessant ist, dass beide Studien recht klar die Reversion-to-the-Mean-These vertreten. Die Out- und Underperformance der wichtigsten Assetklassen wird in der Zukunft stärker von Bewertungsniveaus getrieben als vom technologischen Disruptionspotenzial, das die Märkte von heute nach oben treibt. Besonders Anhänger der These des US-Exzeptionalismus werden aufhorchen: Technologieführerschaft allein reicht nicht aus für künftige Outperformance, wenn die Bewertungen schon sehr hoch sind. Angesichts der überwiegend optimistischen Sicht für Aktien gehen beide Häuser von einer weiter hohen Performance von Private Equity aus, das vom Zugang zu M&A, Innovationsdruck und - last but not least - von der Illiquiditätsprämie und aktivem Management profitieren wird.
Bei Anleihen steht ein Regime mit mehr Volatilität, höheren Term-Risk-Premien, unterschiedlichen Wachstumsmustern zwischen entwickelten Ländern und Schwellenländern und einer Renaissance risikoadjustierter Bond-Returns im Vordergrund. Mehr Risiko, mehr Ertrag, heißt es. Auch Hochzinsanleihen dürften bei steigender Inflation einen Vorteil gegenüber Staatsanleihen haben, aber nur so lange. Sollte allerdings die Situation kippen, würden im Zuge von Rezessionen die Ausfallrisiken stark steigen - dann wären Staatsanleihen die klassischen Rettungsanker.
Von Ali Masarwah, 3. November 2025, © envestor.de
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)