Die Bundesbank jagt ein scheues Wild

05.02.15 13:45 Uhr

   Von Hans Bentzien

   Die von der Europäischen Zentralbank (EZB) angekündigten milliardenschweren Staatsanleihekäufe sind in Deutschland nicht nur sehr unpopulär - sie könnten hier auch auf erhebliche operative Schwierigkeiten stoßen. Das Problem: Die Bundesbank bietet etwas an, was die Banken nicht brauchen: Geld - überschüssige Liquidität können die Institute nämlich nur bei der EZB anlegen, und das kostet Strafzinsen. Und sie will etwas, das die Banken nicht hergeben wollen: Bundesanleihen.

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   Marktteilnehmer spekulieren deshalb, dass die Bundesbank entweder sehr hohe Preise zahlen und die Renditen immer tiefer ins Minus drücken oder aber das von ihr geforderte Ankaufvolumen - rund 13 Milliarden Euro pro Monat - nicht schaffen wird.

   Beides wäre nicht unproblematisch: Hohe Preise, weil sie die ohnehin schon niedrigen Renditen deutscher Anleihen stark drücken beziehungsweise noch negativer machen würden, was für die Bankbilanzen nicht schön ist; zu niedrige Volumina, weil sie ein Verstoß gegen die vorgegebene geldpolitische Linie wären.

   Der EZB-Rat hat beschlossen, dass die Euroraum-Zentralbanken ab März jeden Monat Anleihen für 60 Milliarden Euro ankaufen sollen. Davon dürften mindestens 50 Milliarden auf Staatsanleihen entfallen und davon 27 Prozent auf Deutschland - macht gut 13 Milliarden Euro. Diese Käufe sollen entweder bis Herbst 2016 oder so lange laufen, bis sich die Inflationsaussichten aus Sicht des EZB-Rats überzeugend in Richtung 2 Prozent bewegt haben.

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   Damit will die EZB über verschiedene Kanäle die äußerst schwache Inflation im Euroraum antreiben. Sie will, dass die Banken ihre Anlageportfolien verändern, mehr ins Risiko gehen, mehr Kredite vergeben. Außerdem will sie ganz allgemein den Eindruck erwecken, das sie entschlossen ist, einen weiteren Inflationsrückgang nicht zuzulassen. Im angelsächsischen Wirtschaftsraum wird diese Methode quantitative Lockerung (quantitative easing - QE) genannt.

   Die Bundesbank muss also Bundesanleihen kaufen. Wo bekommt sie die her? Deutschland ist weniger stark verschuldet als andere große Länder des Euroraums. Es laufen also auch weniger Staatsanleihen um. "Die EZB-Pläne implizieren, dass sie bei der Beendigung des Ankaufprogramms rund 15 Prozent aller ausstehenden Bundesanleihen halten wird - fast genauso viel, wie die deutschen Banken derzeit halten", rechnet Commerzbank-Analyst Alexander Aldinger vor. Würden die Institute alle ihre Papiere abgeben, wäre das also gerade genug, um das EZB-Ziel zu erreichen.

   Dummerweise brauchen die Banken aber ihre Staatsanleihen: Als von der Bankaufsicht vorgeschriebene liquide Mittel und als Sicherheit für Repo-Geschäfte mit der EZB oder anderen Geschäftspartnern. Die Deutsche Bank hat bereits signalisiert, dass sie an einem Verkauf nicht interessiert ist. Zumindest im Bankensektor jagt die Bundesbank also ein scheues Wild.

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   Möglich wäre, dass sich die Banken die Papiere bei anderen Marktteilnehmern besorgen. Wie wäre es mit Versicherern? Leider benötigen auch sie liquide Vermögenswerte und müssen aus regulatorischen Gründen mehr Staatsanleihen halten, als ihnen lieb ist: Die werfen nämlich keine Rendite ab, und die anstehenden Zentralbankankäufe werden diesen Zustand voraussichtlich noch verschlimmern.

   "Wir wissen nicht, welche Preise die Bundesbank bieten wird", sagt Walter Botermann, Vorstandsvorsitzender des Versicherers Alte Leipziger - Hallesche. Botermann spekuliert darauf, dass die Bundesbank das von ihr geforderte Volumen vielleicht nicht zusammenbekommt, worauf andere Zentralbanken einspringen, um das geplante Volumen von 60 Milliarden zu erreichen. "Wer risikobereit ist, sollte jetzt darauf wetten, dass die Renditen französischer oder spanischer Staatsanleihen unter die von Bundesanleihen sinken", sagt er.

   Botermann hält es für denkbar, dass die EZB der Bundesbank eine gewisse Flexibilität bei den monatlichen Volumen einräumen wird. Auch Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert meint: "Solange die Abweichung nicht zu groß ist und das Gesamtvolumen stimmt, bekommt die EZB kein Glaubwürdigkeitsproblem.

   Für Martin Hellmich jedoch, Professor für Risikomanagement an der Frankfurt School of Finance, ist das jedoch keine realistische Vorstellung: "Damit würde man das Problem nur in die Zukunft verschieben. Der Rat hat beschlossen, monatlich für 60 Milliarden Euro nach dem EZB-Kapitalschlüssel zu kaufen", sagt er.

   Wenn eine Volumenbegrenzung keine Option ist - ist es dann vielleicht eine Begrenzung des Ankaufpreises? Schließlich schwächen hohe Preise und damit niedrige Renditen die Bilanzen von Banken und Versicherern und konterkarieren damit teilweise das Ziel von QE. Dirk Gojny, Analyst bei der Düsseldorfer National-Bank, hält zumindest eine relative Preisgrenze für denkbar. "Der maximale Satz unter Swap Rate, zu dem die Bundesbank kaufen soll, der kann durchaus vorab festgelegt werden", sagt er.

   Allerdings wird die Bundesbank diese für den Erfolg von QE so zentrale Größe nicht selbst festlegen dürfen, obwohl es keine andere Euro-Zentralbank gibt, die so viele negativ rentierende Papiere wird kaufen müssen wie sie. "Das letzte Wort dabei hat der EZB-Rat und dort hat Präsident Draghi eine Mehrheit", sagt der Frankfurter Professor Hellmich.

   Hoffnungen auf ein höheres Emissionsvolumen kann sich die Bundesbank ebenfalls nicht machen. Der Emittent, die Bundesrepublik Deutschland, fährt derzeit Haushaltsüberschüsse - mit ausdrücklichem Segen der Frankfurt Währungshüter. Der Kontrast zu QE in den USA und in Großbritannien könnte größer nicht sein: Als die dortigen Zentralbanken Staatsanleihen kauften, hatten die Staaten im Durchschnitt Defizite von 9 Prozent, wie Commerzbank-Analyst Aldinger vorrechnet.

   Manche Beobachter glauben, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) zu einer Entspannung der Lage beitragen wird. Die hat lange am Devisenmarkt gegen die Aufwertung des Franken interveniert und die dabei anfallenden Erträge unter anderem in Bundesanleihen angelegt. "Die SNB ist für mich der einzige mögliche Verkäufer von Bundesanleihen. Sie könnte dabei ihre Bilanz reduzieren und noch einen guten Gewinn machen", meint National-Bank-Volkswirt Gojny.

   David Kohl, Chefvolkswirt Deutschland bei Julius Bär, ist da eher skeptisch. Die SNB-Bilanz habe sich schon durch den Wechselkurseffekt verkleinert, überstürzte Verkäufe seien aus Sicht der SNB nicht angezeigt, meint er.

   Seiner Ansicht nach könnten im Laufe der nächsten Monate aber trotzdem mehr Bundesanleihen auf den Markt kommen. "Wenn sich die Wachstumsaussichten weiter bessern, und dafür gibt es ja Anzeichen, dann werden sich vielleicht mehr normale Investoren von diesen Papieren trennen", kalkuliert er. Genau das sei ja der Plan der EZB: Die Renditen so lang drücken, bis diese Papiere keiner mehr will.

   Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

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   February 05, 2015 07:15 ET (12:15 GMT)

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