China entmachtet die USA
Die Welt sortiert sich neu: Asien und hier insbesondere China werden die Gewinner sein. Das Goldene Zeitalter des Westens geht zu Ende, die US-Dominanz schwindet.
von Andreas Grünewald, Gastautor für €uro am Sonntag
Für die meisten Menschen hierzulande unbemerkt, startete China vor fast 40 Jahren seine massive und beeindruckende Aufholjagd. In den vergangenen drei Jahrzehnten entwickelte sich das Reich der Mitte zur am schnellsten wachsenden Volkswirtschaft der Welt. Der mächtigste Mann des Landes ist Xi Jinping, Generalsekretär der Kommunistischen Partei und zugleich Staatspräsident Chinas. Er bekennt sich zur Reform- und Öffnungspolitik.
China hat nicht nur seine auf den Parteitagen vorgestellten Fünfjahrespläne, sondern auch einen visionären Plan für die kommenden 30 Jahre. Xi will das Land zur wohlhabenden, ökologischen Hightech-Nation machen. Hierbei setzt er auf einen Mix aus staatlicher Lenkung und Deregulierung sowie auf eine immer weiter geöffneten Volkswirtschaft. Ziel ist es, bis zum Jahr 2025 zu einem Innovationsführer in allen wichtigen Schlüsseltechnologien aufzusteigen, siehe Energieerzeugung, E-Mobilität, Flugzeug-, Eisenbahn- und Schiffbau sowie Robotertechnik, Mobilfunktechnologie und Medizintechnik.
Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung liegen bereits heute höher als in der gesamten EU und steigen schneller als in den USA. Die Anzahl der internationalen Patentanmeldungen ist mittlerweile höher als in Europa, den USA und Japan zusammen. Auf internationaler Ebene gilt es, im Rahmen der neuen Seidenstraße ein interkontinentales Infrastrukturnetz zwischen Asien, Europa und Afrika voranzutreiben. Bis zum Jahr 2049, sprich dem 100-jährigen Gründungsjubiläum der Volksrepublik China, soll das Land modern, stark und wohlhabend sein.
Wie sehen hingegen unsere Zukunftspläne, unsere Visionen in Deutschland, in Europa oder in den USA aus? Hier herrscht praktisch gähnende Leere. Stattdessen standen beziehungsweise stehen Themen wie die Überschuldung, Brexit, Flüchtlings-, Immobilien-, Banken- und Finanzkrise auf der Agenda. Wir versäumen dringend benötigte Investitionen in unsere Infrastruktur, Kinder und Bildung sowie die massive Förderung der ohnehin wenigen Branchen beziehungsweise Technologien, in welchen wir noch Weltmarktführer sind.
Ein Viertel der 500 größten Unternehmen kommt aus China
Gleichzeitig wachsen Hunderte Millionen junger und immer besser ausgebildeter Chinesen erstmals in den Konsum hinein und befeuern die Wirtschaft. Hierbei werden heutige Unternehmenslenker, die aufgrund der chinesischen Kulturrevolution in den Jahren von 1966 bis fast 1980 keine adäquate Ausbildung genießen konnten, durch Akademiker mit besten Abschlüssen ersetzt. Parallel dazu steht der starke politische Wille, international immer mehr Verantwortung und Führung zu übernehmen.
Während der US-Präsident Donald Trump zahlreiche protektionistische Maßnahmen ergreift und sich gefühlt mit der halben Welt anlegt, bekennt sich Xi Jinping zum Welthandel. So wurde auf dem jüngsten Volkskongress dargelegt, dass der chinesische Markt für das verarbeitende Gewerbe komplett geöffnet werden soll und Markteintrittsbarrieren für zahlreiche Sektoren wie Finanzwesen, Medizin und Telekommunikation weiter abgebaut werden.
Vor 25 Jahren war die deutsche Volkswirtschaft auf US-Dollarbasis noch etwa viermal so groß wie die Chinas, heute ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) circa viermal größer als das deutsche. China ist mittlerweile mit einem 2018er-BIP von fast 13.000 Milliarden US-Dollar zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt nach den USA aufgestiegen. Es wird die verbleibende Lücke zu den USA zügig schließen und dann rasch auch an den USA vorbeiziehen.
Chinas Beitrag zum weltweiten Wirtschaftswachstum beträgt die letzten Jahre rund ein Drittel. Mit Ausfuhren im Wert von 2300 Milliarden Dollar ist China der größte Exporteur der Welt und steht für rund 25 Prozent des globalen Automobilabsatzes. Knapp ein Viertel der weltweit 500 größten Unternehmen kommt laut dem Wirtschaftsmagazin "Fortune" bereits aus China.
Der aktuelle Handelsstreit zwischen den USA und China wird daran nichts Wesentliches ändern. Die gesamten Exporte von China in die USA machen gerade einmal rund 500 Milliarden Dollar oder vier Prozent der chinesischen Volkswirtschaft aus - somit weniger, als das chinesische BIP allein dieses Jahr wachsen wird. Zudem bedeutet ein Strafzoll nicht, dass diese Umsätze komplett wegbrechen. Zum einen werden trotz Preissteigerungen einige Konsumenten weiterhin diese Güter erwerben wollen. Zum anderen kann China als Gegenreaktion seine Währung abwerten sowie betroffene Unternehmen fördern und so eine Preiserhöhung abmildern. Und nicht zuletzt sucht China verstärkt den Brückenschlag innerasiatisch sowie in Richtung Europa und insbesondere nach Afrika, um perspektivisch noch unabhängiger von den USA zu werden.
Die Chinesen werden zukünftig auch die ihrerseits benötigten Maschinen selbst bauen, fortentwickeln und in die Welt exportieren. China modernisiert sich und seine Infrastruktur eindrucksvoll Schritt für Schritt.
Trotz dieser Entwicklungen ist vielen Privatanlegern aber auch Finanzexperten das Reich der Mitte praktisch völlig unbekannt. Die wenigsten haben das Land persönlich bereist, geschweige denn außerhalb der klassischen touristischen Ziele Städte und Unternehmen besucht.
Shanghai ist auf dem Weg zum globalen Finanzzentrum
Meinen Ausführungen liegen 15 Reisen nach China inklusive Besichtigung von fast 40 chinesischen Millionenstädten quer durch das Land sowie der Aufbau und die Führung einer eigenen China-Repräsentanz
in Peking seit dem Jahr 2005 zugrunde. Das sich hierbei ergebende China-Bild ist wesentlich vielschichtiger und positiver, als wir es hierzulande wahrnehmen. Natürlich gibt es (auch) in China viele Problemfelder. Aber es gibt eine große Vielfalt an normalen oder gar positiven, dieses Land vorantreibenden Faktoren, über die hierzulande kaum berichtet wird.
Shanghai ist auf dem Weg zu einem globalen Finanzzentrum. Schritt für Schritt öffnen sich die chinesischen Aktien- und Bondmärkte. Sie ermöglichen es (internationalen) Investoren damit, ihr Produktspektrum zu erweitern und eine bessere Risikostreuung zu erzielen. Aktuell sind chinesische Standardwerte bei einem Indexstand beispielsweise des CSI 300 von gut 3000 Punkten mit einem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von rund zehn vergleichsweise günstig bewertet. Das zuvor geschilderte Gesamtumfeld sollte die Gewinne der chinesischen Unternehmen und somit auch die zugehörigen Aktienmärkte beflügeln. Zur Risikoreduktion ist hierbei eine breite Titel- und Branchenstreuung sowie ein langfristiger Anlagehorizont sehr wichtig.
Favorisiert sind Unternehmen aus den Segmenten Infrastruktur, (höherwertige) Konsumgüter, Gesundheit, Internetdienstleister, Umwelt, Bildung und Freizeit. Für (Privat-)Anleger dürfte ein breit aufgestellter China-Fonds, der zu den gewünschten Branchenschwerpunkten und zum Chance-Risiko-Profil des Anlegers passt, die optimale Lösung sein.
Kurzvita
Andreas Grünewald
Vorstand und
Gründer der FIVV
Der Vorstand und Gründer der unabhängigen Vermögensverwaltung FIVV AG in München verfügt über rund
30 Jahre Erfahrung im Wertpapierresearch und Asset Management. Der Diplom-Kaufmann ist zudem seit 13 Jahren Mitglied im Vorstand des Verbands unabhängiger Vermögensverwalter Deutschland e.V. (VuV), seit 2014 dessen Vorsitzender.
Die FIVV AG arbeitet für Privatkunden, Unternehmerfamilien und Stiftungen.
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