von Julia Groß, Euro am Sonntag
Alles dreht sich um die Impfstoffe. Während Deutschland über deren schleppende Verteilung schimpft und die Biontech-Gründer von Zeitschriften-Covern in aller Welt lächeln, herrscht auf der anderen Seite der pharmazeutischen Pandemiebekämpfung Flaute. Ein Jahr nach den ersten bekannten Corona-Todesfällen im chinesischen Wuhan haben Ärzte, die COVID-Patienten behandeln, immer noch nicht viel mehr in der Hand als Dexamethason. Das altgediente Kortison-Mittel ist bisher das einzige Medikament, mit dem sich die Sterberate schwer Erkrankter deutlich senken lässt.
Dass die Bilanz nicht besser ausfällt, liegt zum einen in der Natur der Sache - viralen Erkrankungen ist einfach schwer beizukommen -, zum anderen aber auch an Versäumnissen der Politik, die vor allem die Impfstoffentwicklung gefördert hat. Dennoch arbeiten viele, auch kleine Unternehmen aus Deutschland beziehungsweise Europa an Behandlungsalternativen. Sieben davon stellen wir in den Kästen rechts und auf der folgenden Seite vor. Sie stehen überwiegend kurz vor der Auswertung von entscheidenden Studien, die zeigen werden, ob ihre Medikamentenkandidaten COVID-Patienten helfen oder nicht.
Alle Firmen haben eine Marktkapitalisierung von weniger als einer Milliarde Euro, die meisten bisher kein zugelassenes Produkt. Entsprechend groß ist das Potenzial für den Aktienkurs, wenn die Medikamentenentwicklung sich als erfolgreich erweist. Auf der anderen Seite drohen im Fall eines Misserfolgs kräftige Kurseinbußen. Keines der Unternehmen hat einen offensichtlichen Vorsprung oder bessere Chancen als die anderen. Wer sich hier engagiert, muss sich über das erhebliche Risiko im Klaren sein.
Denn schließlich waren bisher auch Branchengrößen, die bezüglich Finanzkraft und Manpower in einer ganz anderen Liga spielen, wenig erfolgreich. Remdesivir von Gilead wird zwar im großen Stil eingesetzt, erreicht jedoch nur marginale Verbesserungen. Die Antikörper von Regeneron und Eli Lilly, auf die noch viel mehr Hoffnungen gesetzt wurden, sind nicht so wirksam wie erwartet. In den USA, wo die beiden Therapien Notfallzulassungen erhalten haben, werden sie kaum genutzt. Denn sinnvoll ist nur der Einsatz sehr früh im Krankheitsverlauf, innerhalb von zehn Tagen nach Symptombeginn. Da sehen aber Patienten und ihre Ärzte nur selten Veranlassung, sich für die nötige Infusion ins Krankenhaus zu begeben. Gerade für die schweren Verläufe, wo es vor allem darum geht, die überschießende Immunreaktion in geordnete Bahnen zu lenken, fehlen neue Medikamente.
Keine Unterstützung
Dass mit Immunic und Inflarx insbesondere zwei deutsche Small Caps aussichtsreiche Kandidaten haben, ist bemerkenswert. Denn anders als beispielsweise in Frankreich hat die deutsche Regierung kaum Initiative gezeigt, um die Lücke zu füllen. Inzwischen haben sich die beiden Firmen mit den nicht börsennotierten Unternehmen Aicuris und Atriva zur Allianz BEAT- COV zusammengeschlossen, die eine staatliche Förderung der späten Entwicklung und des parallelen Aufbaus von Produktionskapazitäten erreichen will - so wie es bei Impfstoffen geschehen ist. Gerade diese Aktivitäten sind so kostspielig, dass kleinere Firmen sie nicht stemmen können oder damit ihre Existenz aufs Spiel setzen. Dadurch ist bereits viel Zeit verloren gegangen. "Ich hätte gern schon vor einem halben Jahr agiert und die Produktion hochgefahren", erklärt beispielsweise Niels Riedemann, CEO und Gründer von Inflarx.
Die Folge: Sollte sich eines der Medikamente als wirksam erweisen, könnte es sein, dass das Mittel erst einmal für längere Zeit gar nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Nun will das Forschungsministerium zwar 50 Millionen Euro für die Medikamentenentwicklung zur Verfügung zu stellen, doch die vergleichsweise geringe Summe gibt es nur für Projekte bis zur Phase 2, die viele Firmen längst selbst erreicht haben. "Wenn das Ziel ist, ein Medikament möglichst schnell zum Patienten zu bringen, müsste man anders vorgehen", sagt Niels Riedemann.
IMU-838 oral verabreichter, antiviraler Immunmodulator für hospitalisierte COVID-Patienten mit und ohne Sauerstoffgabe
STATUS
Phase 2, Ergebnisse Q1/21
Immunics Produktkandidat kann sowohl die
Vermehrung von SARS-CoV-2-Viren hemmen, als auch die Aktivität bestimmter Immunzellen dämpfen und so Entzündungsprozesse reduzieren. Ob das COVID-Patienten
hilft, werden die für das erste Quartal erwarteten Phase-2-Daten zeigen. Immunic hatte
zuletzt im vergangenen Sommer eine erfolgreiche Studie mit IMU-838 für MultipleSklerose-Patienten publiziert und in dem Zusammenhang auch 100 Millionen Dollar per
Kapitalerhöhung eingesammelt.
ABX464, oral verabreichter Immunmodulator für infizierte Risikopatienten mit
Symptomen
STATUS
Phase 2/3, Ergebnisse in Q2/2021
ABX464 soll dreifach wirken: antiviral, entzündungshemmend und gewebeheilend. Abivax profitiert in Sachen Corona-Medikament
von der tatkräftigen Unterstützung des französischen Staats für Biotechfirmen. Das Unternehmen erhielt Kredite und Zuschüsse von
über 40 Millionen Euro, die Durchführung der
COVID-Studie wird in Frankreich priorisiert.
Bisher hatte die Firma oft Mühe, genug Kapital aufzutreiben. ABX464 wird auch gegen
die entzündliche Darmerkrankung Colitis
Ulcerosa und Morbus Crohn erprobt.
FYB207 Antikörper-Fusionsprotein. Antivirale Wirkung
STATUS
Präklinisch, Partnersuche
Anfang Dezember präsentierte die Münchner
Formycon FYB207, das menschliche Zellen im
Labor vor der Infektion mit SARS-CoV-2
schützen kann. Das Produkt ist Ergebnis einer
Kooperation mit zwei renommierten Münchner Wissenschaftlern. Doch eigenes Geld in
die Hand nehmen, um die Entwicklung voranzutreiben, will die Firma offenbar nicht. Man
sucht Partner. FYB207 befindet sich noch im
absoluten Frühstadium, die ersten Tests an
Patienten liegen aktuell noch in weiter Ferne.
Auf Corona bezogen ist die Kursfantasie daher kaum zu rechtfertigen.
IFX-1 Antikörper, Immunmodulator für
COVID-19-Patienten mit schwerer Lungenentzündung und Beatmung (Infusion)
STATUS
Phase 3, Ergebnisse 2021
IFX-1 hemmt einen Faktor des Komplementsystems, ein schlagkräftiger, aber unspezifischer Arm des Immunsystems. Das blockierte
Protein ist bei COVID-Patienten stark erhöht
und beschleunigt die Entstehung von Gefäßschäden und Thrombosen. Die Jenaer Firma
Inflarx testet IFX-1 auch in mehreren anderen
Indikationen wie Gefäßentzündungen, Plattenepithelkarzinom und schweren Hauterkrankungen. Seit 2019 eine Studie fehlschlug, hat es das Unternehmen schwer, das
Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen.
Carragelose-Nasenspray mit antiviraler
Aktivität zur Prävention einer CoronaInfektion
STATUS
Ergebnisse Präventionsstudie Q1/Q2, in
vielen Ländern auf dem Markt
Die Österreicher vertreiben in vielen Ländern
rezeptfreie Nasen- und Rachensprays sowie
Lutschpastillen auf Basis von Rotalgen. Diese
sollen Viren einhüllen und unschädlich machen. Ob das wirklich Corona-Infektionen
verhindern oder abmildern kann, soll nun
eine Studie an Ärzten und Pflegepersonal zeigen. Kommerziell lohnt sich die Pandemie für
Marinomed schon jetzt: In den ersten neun
Monaten des Geschäftsjahrs 2020 stieg der
Umsatz um 53 Prozent auf 5,1 Millionen Euro.
Opaganib, oral verabreichter antiviraler
Entzündungshemmer für hospitalisierte
Patienten mit Sauerstoffgabe
STATUS
Phase 2/3, Ergebnisse Q1/21
Opaganib soll das überaktivierte Immunsystem regulieren, Thrombosen verringern und
auch antiviral wirken. In einer kleinen Studie
zeigten sich tendenziell Verbesserungen beim
Sauerstoffbedarf von COVID-Patienten, sie
konnten auch früher entlassen werden als
Patienten im Kontrollarm. Diese Studie hatte
jedoch zu wenig Teilnehmer, um statistisch
signifikante Aussagen treffen zu können. Das
soll sich mit der laufenden Untersuchung ändern. Redhill Biopharma aus Israel testet den
Wirkstoff eigentlich gegen Krebs.
Aviptadil, per Infusion oder Inhalation
verabreichter Immunmodulator für
COVID-Patienten mit Lungenversagen
STATUS
Phase 2/3, Ergebnisse Januar/Februar 2021
Die Schweizer Relief treibt zusammen mit der
US-Firma Neurorx die Entwicklung von Aviptadil voran. Das Produkt soll das hyperaktive
Immunsystem normalisieren, die Bronchien
erweitern und Lungenzellen stimulieren,
mehr Surfactant zu produzieren, das für die
Funktion des Organs nötig ist. Eine schnelle
Notfallzulassung hat die US-Behörde FDA abgelehnt, sie verlieh Aviptadil jedoch den FastTrack-Status für beschleunigte Zulassung.
Der Aktienkurs ist bereits stark gestiegen, zuletzt jedoch wieder etwas zurückgekommen.
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