Bullenlager in Partylaune

Die vergangenen Börsentage zählen aus deutscher Sicht ...
... sicherlich zu den spannendsten Handelstagen des Jahres 2010. Nicht unbedingt wegen dem Abwertungswettlauf der Währungen, der seinen Weg in die Tagespresse gefunden hat, den US-Dollar nach unten drückt und den Edelmetallsektor nach oben schießt, sondern vielmehr wegen des neuen Jahreshochs im DAX. Exakt in dem Moment, in dem die Mehrheit der Handelsteilnehmer bereits entnervt das Handtuch geworfen hatte, schob sich der DAX doch noch über seine wichtigen Widerstände bei 6.350 Punkten. Entsprechend der von mir favorisierten Point & Figure Technik sollte damit der Weg in Richtung der nächsten runden 1000-er Marke frei sein. Wenn da nicht die vielen Bedenken wären, dass diesmal alles anders wäre. Aber ist diesmal wirklich alles anders? Ich will hier keinesfalls die uns allen bekannten Risiken unterschätzen. Um ehrlich zu sein habe ich noch nicht einmal eine Idee, wie die FED den Karren langfristig aus dem Dreck ziehen könnte. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass der aktuelle Aktienzyklus den historischen sehr ähnelt. Seit dem legendären Begründer der Fundamental Analyse Benjamin Graham ist es Konsens, dass sich die Aktienkurse langfristig an den Gewinnen der Firmen orientieren.
Kurse orientieren sich an den Gewinnen
Ich bin davon überzeugt, dass wir uns aktuell in einer Börsenphase befinden, in der die Marktteilnehmer dem gewöhnlichen Anleger-Schema folgen. Während der vergangenen 12 Monate sind die Indizes innerhalb gewisser Bandbreiten seitwärts gelaufen, haben aber bestimmte Unterstützungen nicht unterschritten. Beim Dax z.B. die Region von 5.600 Punkten. In dieser Zeit haben die Firmen keine besonderen Fortschritte bei den Gewinnen gemacht, aber die verbesserten Zahlen des Nachkrisenquartals bestätigt und konsolidiert. Die Kritiker haben natürlich Recht mit ihrer Behauptung, dass sich die Gewinnsteigerungen bisher vor allem aus Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen zusammensetzten. Heute haben die deutschen Firmen ihr Effizienz-Maximum erreicht. Und genau in diesem Moment springen die Exporte an, die Umsätze schnellen in die Höhe und sogar die totgesagten deutschen Konsumenten wagen sich wieder in die Einkaufsparadiese. Die steigenden Erlöse treffen auf die effizienten Kostenstrukturen und bilden einen starken Hebel auf die Firmengewinne. Die Aktienkurse aber, die monatelang in freudiger Erwartung dieses Augenblicks trotz aller Widrigkeiten seitwärts liefen, sind nun optimal für die Jahresendrallye positioniert. Falls der beginnende Wirtschaftsaufschwung nicht abrupt enden sollte, befinden wir uns in Deutschland exakt am beschriebenen Punkt. Die Firmengewinne schnellen nach oben und die Aktienkurse ziehen dynamisch an. Dieses Szenario ist aber keineswegs ungewöhnlich sondern typisch für jede Rezession und jeden Konjunkturrückgang, an den ich mich erinnere. Daher trifft die oben zitierte Aussage, dass diesmal alles anders ist, nicht zu. In jeder Baisse und in jeder Hausse treffe ich Leute, die behaupten, dass dieser Zyklus sich grundlegend von den anderen unterscheiden würde. Ich sehe aber keine Unterschiede im jetzigen Aufschwung bis auf die Tatsache, dass nach der Finanzkrise die aktuelle Gewinndynamik höher ist als in früheren Rezessionen.
DAX knackt die Widerstände
Endlich ist dem DAX das Kunststück gelungen, das ihm viele schon nicht mehr zugetraut haben: der erfolgreiche Ausbruch über die wichtigen Widerstände bei 6.350 Punkten. Dies gelang dem Index sogar mit einer positiven Kurslücke (Aufwärts-Gap), welches die Kraft der Nachfrage zusätzlich unterstreicht und den Trend beschleunigt. Dadurch wird die vielzitierte Jahresend-Rallye recht wahrscheinlich. Sehr interessant dabei ist nun zu beobachten, wie schnell diejenigen Anleger unter Druck geraten, die mehrfach auf eine Trendumkehr bei 6.300 Punkten gewettet haben und nun auf zuvor leer verkauften Positionen sitzen. Ich tippe darauf, dass die „Shorties“ jetzt zügig zum Eindecken ihrer Positionen gezwungen werden. Aber auch Fondsmanager, die bisher skeptisch waren und kaum investiert sind, könnten unter Performancedruck geraten und in den Markt gezwungen werden. Auch wenn die Märkte kurzfristig überkauft sind und mit Korrekturen zu rechnen ist, bleibe ich mittelfristig optimistisch und setze auf steigende Kurse.

Sehr gut erkennen Sie im rechten Bereich, wie der jüngste Angriff der Bären (kleine 0-Säule unter dem Buchstaben A für Oktober) abermals im wichtigen Bereich bei 6.150 Punkten gestoppt wurde. Dann erfolgte der Gegenangriff der Käufer, die nicht nur den Widerstand bei 6.300, sondern auch ohne Atem zu holen den bei 6.350 knackten. Damit ist nun der Weg nach oben frei, denn alle potentiellen Verkäufer, die sich auf gegenwärtigem Niveau von ihren Positionen verabschieden wollten, hatten dazu bereits mehrfach Gelegenheit. Auch wenn die Bullen zweifellos auf den Rückenwind der US-Börsen angewiesen sind, würde ich mich nicht wundern, wenn die Kurse stärker steigen als es sich viele Leser heute vorstellen können. Übrigens deutet das mittelfristige Kursziel der P & F Technik auf das Niveau von unglaublichen 7.100 Punkten. Die Projektionen der P & F Technik treten mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit ein, werden meist aber nicht schnörkellos erreicht.
US Börsen objektiv überkauft
Mittelfristig bleiben die Bullen eindeutig im Vorteil. Kurzfristig empfehle ich aber, einen Fuß über dem Bremspedal zu halten, da sich die Märkte in objektiv überkaufte Regionen vorgekämpft haben. Der wichtigste kurzfristige Indikator des „inneren Marktes“ befindet sich auf einem überhitztem Niveau, welches nur selten erreicht wird. Der sehr zyklische „zehn Wochen Indikator“ zeigt den Prozentsatz der an der NYSE gehandelten Aktien, die oberhalb ihres 50-Tage-Durchschnitts handeln. Oberhalb von 70 % beginnt die rote Zone, die aber erst gefährlich wird, wenn sich auf hohem Niveau eine 0-Spalte bildet, die das Übergewicht der Bären anzeigt. Davon sind wir noch weit entfernt, aber immerhin lauert der Index bei etwa 90 %, was kurzfristigen Korrekturbedarf deutet.

Dieser Indikator ist gleichfalls wie der bekanntere „Bullish Percent Indikator“ ein Risiko- und kein Trading Indikator. Er funktioniert, weil sich die Gewohnheiten der Menschen nicht ändern und weil an einem bestimmten Punkt in jedem Aufwärtstrend der Drang zu Gewinnmitnahmen beim „Smart Money“ einsetzt. Bitte beobachten Sie einfach, dass auf dem aktuellen Niveau von 90 % bei jeder der jüngeren Aufschwungphasen die Gewinnmitnahmen übermächtig wurden. Noch ist dies kein Grund vom fahrenden Zug abzuspringen. Bildet sich aber auf überhöhtem Niveau eine 0-Spalte, die den Kapitalabfluss signalisiert, sollte man darüber nachdenken oder wenigstens Positionen absichern. Der Indikator ist auch deswegen interessant, da er Sie in dem Moment warnt, in dem die Presse und die Analysten euphorisch werden.
Wie gesagt, dieser Indikator reagiert sehr flexibel und objektiv. Keinesfalls entscheidet er über das Ende des mittelfristigen Kursaufschwungs oder der etwaigen Jahresend-Rallye. Aber er gibt wertvolle Aufschlüsse über die Zeiträume, in denen man einen Fuß über der Bremse halten sollte.
Nikkei in Lauerstellung
Fundamental erkenne ich keinen Grund, warum man in Japan, dem Land der „Perma-Deflation“ und dem Land der Erfinder des Aufkaufs von Schulden durch die Notenbank, investieren sollte. Daran wird auch das jüngste Konjunkturprogram nicht viel ändern. Trotzdem wird aber aktuell dem Nikkei charttechnisch wieder Leben eingehaucht und eine der berüchtigten Rallies könnte bevorstehen. Dafür spricht auch der von mir verfolgte „innere Markt“, der konstante Zuflüsse in japanische Aktien zeigt, den ich aber aus urheberrechtlichen Gründen hier nicht zeigen darf. Möglicherweise klettern die japanische Kurse heimlich und von der Masse unentdeckt, da frühe Investoren auf ein Einlenken im Währungsstreit wetten. Dies würde den Druck vom Yen nehmen und die japanischen Exporteure wieder begünstigen. Denn im Gegensatz zu den USA sind die Japaner eine Exportnation.

Bitte beachten Sie die sich seit September (Ziffer 9) bildende bullische Unterstützungsgerade. Unterhalb von 9.000 Punkten ist das Kaufinteresse sehr deutlich und eine Bodenbildung wurde eingeleitet. Diese scheint sich mit der aktuellen X-Säule, ganz rechts, nach oben aufzulösen. Noch wurden die entscheidenden Widerstände bei 9.700 und 9.750 Punkten nicht geknackt. Auf diesem Niveau würde sich auch ein doppeltes Kaufsignal bilden. Dieses wird verstärkt und sehr wahrscheinlich, da die Kurse bereits heute die dominierende und fallende Widerstandslinie überschritten haben. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit Ihren Positionen und ein schönes Herbstwochenende.
Klaus Buhl hat in 18 Jahren als Händler und Analyst gelernt, wie Märkte funktionieren und welche Fehler von Anlegern gemacht werden. Er betreibt die Seite www.libra-invest.de, auf der Sie sich bitte für einen kostenlosen aber informativen Newsletter eintragen, der ihnen einen Einblick in den „inneren Markt“ gibt.
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.