Risikozustand unverändert hoch

Gerne möchte ich mich bei Ihnen für das Feedback und die kritischen Fragen ...
... in den vergangenen beiden Wochen bedanken, warum ich gerade jetzt etwas vorsichtig werde, da sich doch die Rahmendaten aufhellen. Immerhin war ich seit dem September des vergangenen Jahres optimistisch für Aktien und sehe übrigens auch heute nur die „Gefahr“ einer ganz normalen Korrektur. Die Schwierigkeit bleibt aber heute die gleiche wie in den vergangenen Wochen. Nur weil das Risiko hoch und eine Korrektur fällig ist, muss diese noch längst nicht jetzt sofort beginnen. Es kommt dabei auch nicht auf die Meinung einzelner an, sondern vielmehr auf Überlegung, wohin die Masse demnächst rennen wird. Meine Gründe für meine Vorsicht habe ich in der vergangenen Woche hier bereits kurz dargestellt, verdeutliche diese aber gerne heute noch einmal.
Konjunkturelle Boomjahre sind keine guten Aktienjahre
Leider kommen in der heutigen sehr schrillen Medienwelt, in der viele Schlagzeilen gemacht und bunten Seiten bedruckt werden müssen, alte und simple Weisheiten viel zu kurz. Sehr gut passt dazu das berühmte Bonmot von Warren Buffet, dass man gierig werden solle, wenn die Masse ängstlich ist, und ängstlich, wenn die Masse gierig ist. Natürlich ist der Übergang zwischen Euphorie und Angst nicht eindeutig, sondern fließend. Und gibt es an der Börse niemals nur schwarz oder nur weiß. Deshalb sollten Sie sich niemals von plakativen und meist marketinggetriebenen Kommentaren beeinflussen und lieber Ihre eigenen grauen Zellen mal an die Arbeit lassen. Was ich damit sagen will: Aktuell habe ich den Eindruck, man müsste Aktien kaufen, weil die Konjunktur brummt. Dabei ist es natürlich umgekehrt. Rezessionsjahre versprechen die höchste Aktienrendite und nicht Boomjahre. Aktien kauft man, wenn die Arbeitslosenquote hoch ist und die Konjunktur langsam aus dem Tal nach oben kriecht. Aber nicht mit der Herde der Investmentschafe, wenn der ifo-Index wie aktuell Rekordwerte erreicht und die Konsumenten Optimismus versprühen.
Bekanntlich sind die Firmengewinne der Haupttreiber für Aktienkurse. Die Gewinne sind seit der Krise stark angezogen, weshalb Aktien nicht zu teuer sind. Heute aber ist zu fragen, ob die Firmengewinne noch steigerungsfähig sind, um neue Investoren anzulocken. Immerhin sind speziell in Deutschland die Lohnstückkosten seit Jahren praktisch unverändert. Nun wollen aber verständlicherweise auch Arbeiter und Angestellte am Aufschwung durch höhere Löhne beteiligt werden. Die deutschen Exportvorteile müssen sich fast zwangsläufig relativieren, zumal in den Wachstumsländern die Zinsen wieder steigen und sich die Konjunktur langsam abkühlt.
Und die Zinsen steigen trotzdem
Meiner Meinung nach gehören die steigenden Zinsen, wenn auch von geringem Niveau aus, zu den potentiellen Killern des nach wie vor eindeutig positiven Aufwärtstrends. Denn diese verteuern die Aktien nicht nur relativ im Gegensatz zu Zinspapieren, sondern erhöhen den Druck auf die Staaten, endlich ihre Finanzen in Ordnung zu bringen. Dieser grundsätzlich positive Aspekt wirkt aber nachfragedämpfend, da sich die öffentliche Nachfrage sehr vieler Staaten verringert und auch die privaten Schuldner motiviert werden, ihre Sparquote zu erhöhen. Nach einem temporären Inflationsanstieg, der die Konsumenten aus Furcht vor steigenden Preisen in die Geschäfte treibt, könnte sich die Nachfrage abkühlen und sogar einen deflatorischen Schock auslösen. Dann würde sich nicht nur die Konjunktur stark abkühlen, sondern auch die Sanierung der staatlichen Finanzen würde noch schwieriger, als sie ohnehin schon ist.

Abgebildet sehen Sie die zehnjährigen US-Zinsen. Der besseren Übersichtlichkeit wegen sind diese mit dem Faktor 10 multipliziert. Aktuell sehen Sie in der rechten X-Spalte ein deutliches Kaufsignal, da diese X-Säule die vorhergehende übersteigt. Die skalierte Ziffer 35 bedeutet also ein Zinsniveau von 3,5 % für zehnjährige US Staatsschulden. Damit befinden wir uns wieder auf dem Niveau des Jahres 2007, was Sie auf der waagerechten Achse ablesen können. Außerdem wurde die fallende Widerstandslinie von unten durchbrochen, was einem mittleren Trendbruch entspricht. Das Kursziel der Formation liegt bei 6 %. Dies ist insofern erstaunlich, da die FED die Geldpressen laufen lässt um die Zinsen zu senken. Aber es hilft alles nichts, die US-Zinsen steigen am langen Ende und signalisieren das Misstrauen der Gläubiger gegenüber dem hochverschuldeten Staat. Dieser Prozess könnte aber ebenfalls umgekehrt weiteres Geld aus dem Rentenmarkt locken und in Aktien fließen lassen, die Sachwerte-Rallye also weiter anheizen. Die Frage bleibt also, ob man dem Tsunami lieber auf hoher See oder an der der Hafenmole begegnen möchte. Da spielt es auch keine Rolle, ob die Amerikaner noch eine Weile erfolgreich mit dem Finger auf die Probleme der EU zeigen oder nicht. Bis dahin investiere ich persönlich lieber in Top-Unternehmen als in die Schulden von irgendwem.
Nasdaq 100 bleibt im Risikomodus
Heute zeige ich am Beispiel der Nasdaq 100, die in Aufschwungphasen meist die weltweiten Indizes anführt, wie stark diese historisch überkauft ist. Abgebildet ist der Bullish Percent der Nasdaq 100, also der Prozentsatz der im Index gehandelten Aktien, die auf einem Kaufsignal der P & F Technik handeln. Deren aktuelle X-Säule muss also die vorhergehende überragen, die Nachfrage muss also eindeutig im Vorteil sein. Es handelt sich hierbei um einen Risikoindikator, der Ihnen zeigen soll, mit welchem Risiko Engagements verbunden sind. Denn oberhalb von 70 % beginnt der überkaufte Bereich, von dem aus Gewinnmitnahmen schmerzhafte Folgen haben können. Gefährlich wird es aber erst, wenn der Index in einer 0-Spalte, die das Angebot signalisiert, unter die 70-%-Marke fällt. Dies war übrigens im Goldminen-Index der Fall, als ich Sie vor wenigen Wochen vor dortigen Neuengagements warnte, obwohl damals die Analysten noch fast euphorisch für den Sektor waren.

Wie man sieht, sind wir davon weit entfernt, aber die Rückschlaggefahr ist erheblich. Denn wir befinden uns in einem überkauften Bereich, wie er meinen Statistiken zu Folge, nur ein bis zweimal in einem Jahrzehnt auftritt. Dies hängt damit zusammen, dass es immer gut informierte Anleger gibt, die ab einem gewissen Punkt von fundamental fragwürdigen Aktien abspringen, oder diese einfach nur vorrübergehend für überteuert halten und Gewinne mitnehmen. Nur sehr selten sind alle Titel eines Index für alle Anleger kaufenswert. Und wenn dies doch so wäre, sollte man sich überlegen, ob man sich nicht doch inmitten einer Übertreibungsphase befindet. Denn eine sehr wichtige Börsenregel lautet, dass sich die Angewohnheiten der Masse niemals ändern. Mit dieser Grafik will ich zeigen, dass die Kurse nicht zwangsläufig heute oder morgen in eine sehr scharfe Korrektur übergehen müssen. Aber der Zeitpunkt für Gewinnmitnahmen ist nicht fern, während nach oben die Renditechancen stark limitiert sind. Dieser Index war einer der Gründe, warum ich im August, als sich bei 44 % die X-Spalte bildete, wieder recht optimistisch wurde. Obwohl und weil damals die Presse sehr negativ war.
Falls Sie Fragen zu dieser sehr ungewöhnlichen Anlagephilosophie haben, richten Sie diese bitte über meine Homepage an mich. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und viel Erfolg mit Ihren Positionen.
Klaus Buhl hat in 18 Jahren als Händler und Analyst gelernt, wie Märkte funktionieren und welche Fehler von Anlegern gemacht werden. Er betreibt die Seite www.libra-invest.de, auf der Sie sich bitte für einen kostenlosen aber informativen Newsletter eintragen, der ihnen einen Einblick in den „inneren Markt“ gibt.
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