libra-invest-Kolumne

Risk On or Risk Off?

25.03.11 14:29 Uhr

Risk On or Risk Off? | finanzen.net

In diesen Tagen wird wieder einmal sehr deutlich, dass man als Investor jede ...

... Entscheidung von der Gegenwart aus in die unsichere Zukunft treffen muss. Und trotzdem neigt man häufig zu der Annahme, dass es aus irgendwelchen Gründen heute schwieriger als früher sei, sein Vermögen zu beschützen oder eine aussichtsreiche spekulative Position zu eröffnen. Vor allem für die langfristig erfolgreichen und risikobewussten Anleger unter Ihnen ist ohnehin schon längst klar, dass es für keinen Handelstag und für keine Investment-Situation ein passendes Drehbuch gibt. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir gerade einen ungewöhnlich dynamischen Konjunkturzyklus erleben, die Notenbanken die Zinsmärkte manipulieren oder wir über die Konsequenzen des furchtbaren Erdbebens in Japan diskutieren müssen. An jedem einzelnen Handelstag kann man viele gute Argumente für steigende und gleichzeitig für fallende Kurse in der Presse lesen. Genau aus diesem Grunde neigen viele Analysten zu der Meinung, dass jederzeit alle für die Kursbildung relevanten Fakten in den Kursen enthalten seien, auch wenn die Preise phasenweise in die eine oder andere Richtung übertreiben. Insgesamt ähneln die Märkte aber doch einer recht effizienten „Preisfindungsmaschine“, in der in minutenschnelle die preisrelevanten Fakten für Güter von Kartoffelchips bis Computerchips eingepreist werden. Und dennoch habe ich öfters meine Zweifel, ob wirklich alle Risiken wie z.B. aktuell die Konsequenzen eines Supergaus in Japan bereits vollständig eingepreist sind. Da man aber als Investor stets sein subjektives Gefühl dem objektiven Kräfteverhältnis von Angebot und Nachfrage unterordnen muss, bin ich ein Anhänger der Point & Figure Technik, die die Kräfte des Marktes visualisiert und wenig Spielraum für individuelles Bauchgefühl lässt. So ist man als Investor und Trader jederzeit in der Lage, sein Portfolio wieder an die Marktkräfte anzupassen und Fehler zu korrigieren. Denn wie wir alle wissen, nimmt die Börse keine Rücksicht auf unsere persönliche Meinung und antizyklische Investments enden meist mit empfindlichen Verlusten.

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DAX: Risk On-Risk Off

Die vergangenen Tage sind ein gutes Beispiel dafür, dass man niemals zu lange an seiner subjektiven und vorgefassten Meinung festhalten sollte, falls die Marktkräfte sich verschieben. Davon will ich mich gar nicht ausnehmen, denn immerhin wiesen die P & F Charts vergangene Woche noch in eine ganz andere Richtung und deuteten auf das hohe Risiko in den Märkten. Ganz egal, wie sorgfältig man vorab recherchiert hat und wie überlegen die Argumente erscheinen, derzeit wird einem als Trader allerhöchste Geschmeidigkeit abverlangt. In den vergangenen zehn Tagen z.B. hat sich das Kursziel der P & F Projektion für den DAX von 7.400 über 6.800 über bis zum Niveau von 6.200 Punkten nach unten geschraubt. Doch bekanntlich bremste die 200-Tage-Linie bei etwa 6.500 Punkten den Ausverkauf und sehr schnell übernahmen die Bullen wieder das Kommando. Mittlerweile deutet die P & F Technik wieder auf Kurse von 7.500 Punkten. Da hat es also keinen Sinn, an vorgefertigten Meinungen festzuhalten. Den Beleg für diese These sehen Sie im folgenden DAX-Chart. Der scheint wie ausgewechselt und ist drauf und dran, wie Phönix aus der Asche seinen Einbruch wieder ungeschehen zu machen

Objektiv und ohne Spielraum für persönliche Deutungen zeigt sich das aktuelle Kaufsignal im DAX und die Tatsache, dass der Index wieder oberhalb seiner bullischen Unterstützungsgeraden handelt. Schwierigkeiten werden die Bullen trotzdem haben, den Widerstandsbereich zwischen 6.900 und der fallenden bärischen Widerstandslinie bei etwa 7.050 Punkten zu knacken. Was es nicht leichter macht, ist die dort ebenfalls verlaufende fallende 50-Tage-Linie. Deswegen bin ich nach wie vor noch etwas skeptisch und frage mich, ob nun nach dem Schließen der wichtigsten Kurslücken im DAX nicht wieder die Bären auf den Plan gerufen werden. Auch weil die Märkte derzeit stark nachrichtengetrieben sind und die Kameras von NTV und CNN jede Rauchwolke über dem Katastrophenreaktor von Fukushima live übertragen. Daher ist alles und nichts und sogar das Gegenteil möglich. Aber auch dies ist kein Grund, eisern und heldenhaft an Shortpositionen festzuhalten, die über das Niveau von Absicherungen hinausgehen. Vielmehr orientiere ich mich an der aktuellen Überlegenheit der Nachfrage und antizipiere noch nicht die etwaigen zukünftigen Widerstände. Risiko-Neigung kehrt zurück Am deutlichsten innerhalb der von mir favorisierten Modelle des inneren Marktes wird der schnelle Stimmungswechsel der Anleger wohl in diesem Chart. Abgebildet ist kein Preischart, sondern die Anzahl der Aktien an der NYSE, die oberhalb ihrer wichtigen 50-Tage-Linie handeln.

Diese befand sich seit dem Jahreswechsel, wie hier mehrfach beschrieben, auf einem historisch überkauftem Niveau. Das Risiko war also relativ hoch und das weitere Kurspotential sehr begrenzt. Dann kam es wie es kommen musste, da sich die Gewohnheiten der Menschen nicht ändern. Erst zögerlich und dann immer schneller baute sich der überkaufte und riskante Marktzustand ab und endete schließlich im fast idealen Bereich von etwa 30 Prozent. Auf diesem Niveau ist der Markt zumindest kurzfristig überverkauft, weshalb von hier aus häufig Gegenbewegungen starten. Prompt zeigten auch diesmal wieder auf diesem Niveau die Bullen ihre Hörner und starteten die laufende fulminante Erholung. Die aktuelle X-Spalte symbolisiert die Überlegenheit der Nachfrage und deutet auf den mindestens kurzfristigen Vorteil des Bullenlagers. Spannend wird es auch in diesem Chart in der Gegend der fallenden bärischen Widerstandslinie, die häufig getestet wird. Erst in dieser Gegend wird eine seriöse Aussage darüber möglich sein, ob die internationalen Indizes wie gehabt in ihren Aufwärtstrendkanälen verharren, oder ob die Tiefs der vergangenen Woche nochmals getestet werden. Spannend bleibt es im inneren Markt auch deshalb, da der mittel-bis langfristige wichtige Risiko-Indikator, der NYSE Bullish Percent, trotz der Erholung nach wie vor in einer 0-Spalte verharrt, die den strategischen Vorteil des Bärenlagers und die anhaltenden Marktrisiken unterstreicht.

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Goldsektor bleibt in der Hand der Bullen

Die fundamentalen und geopolitischen Risiken sind wieder einmal kein Nachteil für den Sektor der Goldminen. Ganz im Gegenteil hat dieser seine schon vor dem japanischen Erdbeben begonnene Korrektur beendet und frische Kaufsignale generiert. Ich würde mich in Anbetracht des positiven Charts sehr wundern, wenn wir demnächst kein neues Hoch sehen würden.

Bitte beachten Sie diesbezüglich die lange und dynamische X-Spalte im rechten Bereich der Grafik, die den Nachfrageüberhang signalisiert. Auch der kurzfristig dominierende Abwärtstrend, u.a. an der fallenden Widerstandslinie zu erkennen, wurde gestern überwunden. Wichtig ist auch zu erkennen, dass einige schwere Titel mit hohem Volumen gekauft wurden und den Index nach oben zogen. Meiner Meinung nach bleiben Edelmetallwerte noch für eine Weile ein positiver Sektor. Denn die Schuldenkrise wird ja nicht mit dem heutigen Europ-Gipfel beendet. Dieses leidige Thema wurde ja nur in der Presse von dem furchtbaren Erdbeben und den Unruhen in Libyen überlagert. Sollten sich diese Krisenherde demnächst wieder etwas beruhigen, wird sich die Presse auch wieder gerne der Quasi-Pleite Portugals annehmen. Und eines nicht mehr so fernen Tages werden es die Amerikaner auch nicht mehr schaffen, von ihren eigenen Haushaltsproblemen so geschickt abzulenken. Spätestens wenn die Zinsen wieder leicht steigen, die Konjunkturerholung aber verhalten bleibt, könnte der US-Haushalt durch die hohen Zinslast für den Schuldendienst in die Knie gezwungen werden. Kein Wunder also wenn Sachwerte und speziell Minen gesucht bleiben.

Nun wünsche ich Ihnen aber ein schönes und sonniges Wochenende und verbleibe mit herzlichen Grüßen,

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Ihr Klaus Buhl

Klaus Buhl hat in 18 Jahren als Händler und Analyst gelernt, wie Märkte funktionieren und welche Fehler von Anlegern gemacht werden. Er betreibt die Seite www.libra-invest.de, auf der Sie sich bitte für einen kostenlosen aber informativen Newsletter eintragen, der ihnen einen Einblick in den „inneren Markt“ gibt.

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.