libra-invest-Kolumne

War es das nun für die Bullen?

25.02.11 13:29 Uhr

War es das nun für die Bullen? | finanzen.net

Kurz bevor die ersten Anleger aus Langeweile und wegen der konstant ...

... aus den Märkten weichenden Vola einschliefen, setzte sie doch noch ein, die längst überfällige und hier besprochene Korrektur. Fast aus dem Stand kippten wichtige Indizes wie z.B. der DAX um und verloren rasch vier Prozent. Typisch Börse - erst passiert lange Zeit nichts und dann geht es rasend schnell. Damit wurde wieder einmal bewiesen, dass die Investoren politische Unsicherheit verabscheuen und im Zweifel lieber den Verkaufsknopf betätigen. Hintergrund ist natürlich die Angst, dass sich die Clique um den Terroristen Gaddafi in Libyen noch länger an der Macht halten und der blutige Konflikt anhalten könnte. Der raketenhaft ansteigende Ölpreis weckt die Angst der Anleger, dass dieser zum Konjunkturkiller werden könnte. Außerdem treiben hohe Energiepreise die importierte Inflation nach oben und verstärken den Druck auf die Notenbanken, die Zinsen endlich anzuheben.

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Dabei hatte sich die Mehrheit der Anleger doch gerade so schön im Bullenlager eingekuschelt. Die Unternehmensgewinne, die der wichtigste Treiber für die Aktienkurse sind, entwickeln sich besser als erhofft. Der Ifo-Index eilt von Rekord zu Rekord und die deutschen Medien beschäftigen sich vor allem mit den fehlenden Fußnoten in der Promotion des Ministers zu Guttenberg. (Nur komisch dass sich kein Mensch wundert, warum die Uni Bayreuth die sehr seltene Spitzennote Summa cum Laude vergab). Ach ja, und die Verteidigung des Grand Prix Titels von Lena, die eigentlich gar nicht singen kann, war natürlich auch ein großes Thema. Vom Sentiment her betrachtet verhält sich die nun angelaufene und erwartete Korrektur wie im Lehrbuch und könnte daher heftiger als ohnehin erwartet ausfallen. Der wichtigste Indikator des Inneren Marktes, der NYSE Bullish Percent Index, befindet sich nach wie vor auf historisch überkauftem Niveau, während die Vola nach oben prescht. Beachtenswert waren aber auch die geringen Umsätze im Vorfeld des kleinen Verfalltages am vergangen Freitag. Nun muss also mit anziehenden Handelsvolumen das recht hohe Niveau erst einmal verteidigt werden. Dies wiederum ist aber kein Kindergeburtstag in Zeiten steigender Inflation, in der in vielen Ländern außerdem der Scheitelpunkt des Wachstums erreicht ist. Über die Divergenz zwischen den etablierten und den Wachstumsbörsen habe ich mich ja hier bereits in der vergangenen Woche kritisch geäußert. Nur zur Erinnerung, zuletzt gab es eine solche Divergenz zu Gunsten Amerikas und Europas am Beginn der Finanzkrise.

Die Emirate als schwarzer Schwan?

Trotz der oben geschilderten Risiken für die Märkte ist in den Charts noch nicht viel passiert. Die P & F Charts, die bekanntlich den überflüssigen Lärm aus den Kursen filtern, signalisieren bisher nur eine völlig normale Korrektur. Keine Frage, diese könnte erst allmählich anlaufen und sich stark ausweiten, dafür gibt es bisher aber noch keine belastbaren Hinweise. Von eindeutigen Verkaufssignalen oder einer sich entwickelnden Baisse kann noch keine Rede sein, obwohl es deutliche Warnzeichen des „inneren Marktes“ gibt. Die „Millionen-Dollar-Frage“ lautet also: wohin könnte die Herde der Investoren rennen? Leider ist dies bei politisch motivierten Börsen noch schwerer als ohnehin zu raten. Die alles entscheidende Frage ist meiner Meinung nach nicht, wann Gaddafi in Libyen abtritt oder was demnächst in Algerien passieren könnte. Das Zünglein an der Waage ist Bahrein und die umliegenden Emirate, die ungleich wichtiger für die Ölförderung sind als Nordafrika. Falls sich die Lage dort weiter zuspitzen sollte, wird der abhebende Ölpreis die weltweiten Indizes um mindestens 15 bis 20 Prozent nach unten schicken. Der in Tunesien beginnende Demokratisierungsprozess könnte sich zum schwarzen Schwan mausern, der den Konsens der Banken und Broker auf den Kopf stellen könnte. Immerhin habe ich ja schon vor Wochen gewarnt, dass der Konsens einer sehr positiven ersten Jahreshälfte und einer schwachen zweiten kaum eintreten wird, da die Masse an der Börse selten Recht bekommt.

Die im vergangenen August gestartete Beschleunigung der Aufwärtsbewegung ist völlig intakt und noch nicht einmal angekratzt. Obwohl sich jüngst eine bisher nur kleine 0-Säule bildete, ist das im Dezember bestätigte Kaufsignal eindeutig intakt. Dies erkennen Sie natürlich auch an der steigenden positiven

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Unterstützungsgeraden.

Trotz der objektiv positiven Grundausrichtung des Chartbildes gibt es einen Wermutstropfen. Die Trendgerade verläuft aktuell bei knapp 1050 Punkten. Da es völlig normal ist, dass Indizes in der Nähe der Geraden Schwung holen, muss also auch mit einer Korrektur bis in diesen Bereich gerechnet werden. Wie weit sich die aktuelle Korrektur noch ausdehnen kann, hängt auch von der Verteidigung der wichtigen 50-Tage-Linie ab, entgegen deren Verlauf viele Fondsmanager niemals handeln. Behalten Sie also gut das Niveau von knapp 1.300 Punkten im Auge, wo die wichtige Durchschnittslinie derzeit verläuft. Dort könnten sehr mutige Anleger und unterinvestierte erneut ihr Glück versuchen und die Kurse abprallen lassen. Allerdings bleibt die Lage noch sehr unübersichtlich und hängt wie gesagt vom Ölpreis ab. Konservativen Anleger empfehle, sich herauszuhalten und bestehende Positionen gut abzusichern.

Öl auf Jahreshoch

Wie gesagt, der Ölpreis ist das Zünglein an der Waage für die Aktienmärkte und ich habe das Gefühl, dass die runde Marke von 100 USD für Leichtöl von den Akteuren nicht nur vorrübergehend gesehen wurde.

Sehr gut erkennen Sie im Chart von US-Leichtöl die erfolgreiche Bodenbildung bei 70 Dollar im vergangenen Sommer und den folgenden Aufwärtstrend. Nach mehrfachen Tests und „Schwungholen“ an der steigenden Unterstützungsgeraden schoss der Ölpreis mit freundlicher Hilfe des „Revolutionsführers“ und Terroristen aus Tripolis, über die alten Hochs bei 93 $. Rein formal ergibt sich aus Sicht der P & F Technik ein sehr deutliches und dreifaches Kaufsignal, seitdem die Marke von 93 übersprungen wurde. Das Projektionsziel der Bewegung liegt bei etwa 130, das aber nicht zwangsläufig und ohne Korrekturen erreicht werden muss. Es stellt sich also die Frage, ob man noch auf den fahrenden Zug aufspringen sollte, oder ob eher eine Short-Position anzuraten ist um die jüngste Fahnenstange zu verkaufen? Wie immer hängt diese Entscheidung kaum von fundamentalen Überlegungen ab, da gem. OPEC derzeit genügend Öl auf den Märkten vorhanden ist. Vielmehr gilt es also zu überlegen, wohin die Masse rennen könnte, wieviele Spekulanten noch auf den Zug aufspringen und vor allem, ob sich die Proteste in den Emiraten zuspitzen werden oder nicht.

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Der Markt weicht von innen her auf

Da die oben gemachten Vermutungen einer unlösbaren Rechnung mit mehr Unbekannten als Variablen ähneln, werfen wir einen raschen Blick auf den inneren Markt, der das Verhalten der großen Investoren objektiv und ohne Emotionen widergibt. Z.B. die für mich sehr wichtige Volatilität hat eine breite Bodenbildung bei etwa 15 abgeschlossen, nur um dann in vergangenen Tagen auf 22 zu sprinten. Das Projektionsziel der P & F Technik für die Nervosität des Marktes liegt übrigens bei 38. Es könnte also noch eine Menge Ärger vor uns liegen, obwohl die Vola in den vergangenen Monaten schon einige Fehlsignale gebildet hat. Nicht auf die leichte Schulter nehmen würde ich auch den Transportsektor, der sehr sensibel auf konjunkturelle Risiken wie die aktuellen reagiert. Der hat bei 5.300 Punkten ein klassisches Fehlsignal geliefert, dieses mit einem Verkaufssignal der P & F Technik bestätigt und ist außerdem wie ein Stein durch seine wichtige 50-Tage-Linie gerauscht.

Aber auch der wichtige und objektive Indikator der Aktien an der NYSE, die oberhalb ihrer 50-Tage-Linie handeln, gibt ein eindeutiges Verkaufssignal. Die vorhergehende negative 0-Spalte aus dem Januar wurde unterschritten und außerdem die aufsteigende Unterstützungsgerade erstmals seit der im August 2010 begonnenen Rallye wieder unterschritten. Diese wichtigen Warnsignale des inneren Marktes würde ich nicht ignorieren, obwohl die klassischen äußeren Charts mit Ausnahme des wichtigen Transportsektors noch halbwegs intakt sind. Aber auch dort geben wichtige marktttechnische Indikatoren wie der MACD und DMI deutliche Verkaufssignale, nachdem bereits längerfristige Divergenzen gebildet wurden.

Obwohl ich sehr vorsichtig bin und auf eine weitere Verkaufswelle an den Märkten tippe, will ich aber auch eine Bärenfalle nicht völlig ausschließen. Immerhin wäre es ja möglich, dass wir genau jetzt den Höhepunkt der Unruhen sehen, Gaddafi doch noch freiwillig abtritt und alles gut wird. Immerhin haben politische Börsen kurze Beine und nach wie vor pumpt die FED unglaubliche Liquidität in die Märkte. Dann würden die Märkte wahrscheinlich auf den wichtigen 50-Tage-Linien Schwung holen, die Shorties müssten hektisch eindecken und mit dem Rückenwind der FED würde der DAX bereits im Frühjahr über die Marke von 8.000 Punkten fliegen. Ich halte dieses Szenario für zu optimistisch und tippe nun auf eine deutliche Korrektur, die viele Permabullen aus dem Markt zwingen wird. Nach dieser Bereinigung und erst in der zweiten Jahreshälfte erwarte ich dann den finalen und überschäumenden Schub der Hausse, der nur aufgeschoben wäre. Nun aber wünsche ich Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Herzliche Grüße,
Ihr Klaus Buhl

Klaus Buhl hat in 18 Jahren als Händler und Analyst gelernt, wie Märkte funktionieren und welche Fehler von Anlegern gemacht werden. Er betreibt die Seite www.libra-invest.de, auf der Sie sich bitte für einen kostenlosen aber informativen Newsletter eintragen, der ihnen einen Einblick in den „inneren Markt“ gibt.

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.