ROUNDUP/Rentenreform: Präsidentin mahnt zu Sachlichkeit
BERLIN (dpa-AFX) - Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) wirbt vor den abschließenden Beratungen über ihre umstrittene Rentenreform bei den Jüngeren für das Gesetz. Die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, Gundula Roßbach, mahnte Sachlichkeit und Faktenbasiertheit in der Debatte an. Bas stellte vor der Deutschen Rentenversicherung klar, die Reform solle auch dafür sorgen, dass heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer später eine auskömmliche Rente erhalten.
Das Absicherungsniveau werde durch ihr Gesetz dauerhaft um einen Prozentpunkt höher liegen als ohne den Schritt. "Davon haben auch die Jüngeren etwas", betonte Bas. Nachdem ihr Gesetzentwurf mit Kanzlermehrheit im Bundestag beschlossen worden war, ist kommende Woche der Bundesrat am Zug.
Vor der Bundestagsabstimmung hatte die Junge Gruppe der Unionsfraktion Widerstand dagegen angekündigt, dass mit dem Gesetz das Rentenniveau nicht nur bis 2031 bei 48 Prozent stabilisiert wird - was unstrittig war -, sondern auch danach noch höher liegt als ohne die Regelung. Ihr Argument: Die Jüngeren würden somit als Beitragszahler einseitig belastet. Das Rentenniveau bemisst die Höhe der Renten am Verhältnis zu den Einkommen in Deutschland. Wegen des Renteneintritts zahlreicher Babyboomer würde es ohne gesetzliches Eingreifen künftig sinken.
Bas will keinen "Einmaleffekt"
"Wenn das Rentenniveau nach 2031 schnell wieder absinken würde, so wie sich das einige auch gewünscht hatten, dann wäre das ein Einmaleffekt für jetzige Rentnerinnen und Rentner gewesen: ein paar Jahre höhere Renten - dann wieder zurück auf das Ursprungsniveau", sagte Bas. Von den nun auf dem Weg befindlichen Plänen hätten dagegen "dann eben auch die Menschen was, die in Zukunft ihre Rente beziehen werden".
Wenn auch der Bundesrat am 19. Dezember zustimmt, kann das Gesetz am 1. Januar 2026 in Kraft treten. Einzelne Länder haben bereits erklärt, dass sie zustimmen wollen. Darunter auch Mecklenburg-Vorpommern: "Die gesetzliche Rente ist im Osten besonders wichtig. Denn hier sind die Vermögen niedriger und Betriebsrenten seltener", erklärte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig im Landtag in Schwerin. Für den ganz überwiegenden Teil der Menschen in MV sei die gesetzliche Rente im Alter die einzige Einkommensquelle. Deshalb sei es wichtig, das Rentenniveau bei 48 Prozent zu halten. "Die Haltelinie hält. Die Rente bleibt sicher", sagte die SPD-Politikerin.
Zwölf Milliarden Euro Kosten allein im Jahr 2032
Die Kosten für den Bund durch das höhere Rentenniveau bezifferte der Vorstand der Rentenversicherung auf knapp zwölf Milliarden Euro allein für 2032. Konkret bedeutet das Gesetz, dass nach Ende der 48-Prozent-Haltelinie 2031 wieder die bisherige Rentenanpassungsformel mit dem sogenannten Beitragssatz- und dem Nachhaltigkeitsfaktor greift, wie der Vorsitzende Alexander Gunkel erläuterte.
Dies aber ohne vorherigen Ausgleich der höheren Rentenanpassungen bis 2031: "Deshalb liegt das Rentenniveau nach 2031 dauerhaft etwa einen Prozentpunkt über dem Niveau, das sich ohne Verlängerung der Haltelinie ergeben würde."
Rentenkommission "kein Stuhlkreis ohne Befugnisse"
Bas sicherte erneut zu, die geplante Rentenkommission vor Jahresende einzusetzen. Sie solle Mitte des Jahres ihre Arbeit abschließen. "Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir das hinbekommen", sagte Bas. "Wir sind wirklich offen für Reformen, aber es müssen Reformen sein, die dann auch in der Praxis funktionieren." Als Kommission brauche es "keinen Stuhlkreis ohne Befugnisse", mahnte die Ministerin. "Wir brauchen auch keine ideologischen Parolen." Nötig sei eine pragmatische Lösung.
Der Nachwuchs bei CDU/CSU hatte die Reformwilligkeit der SPD angezweifelt. Vor allem die Arbeitsministerin und SPD-Vorsitzende war dabei in die Kritik bei geraten. Auch im Arbeitgeberlager war man zuletzt nicht gut auf Bas zu sprechen, nachdem sie beim Arbeitgebertag ausgelacht worden war und später vor den Jusos die Arbeitgeber scharf angegriffen hatte.
"Fundament sind Zahlen, Daten, Fakten"
Rentenpräsidentin Roßbach mahnte in den anhaltenden Rentendebatten Sachlichkeit an. Zuletzt habe man "viele mediale und politische Diskussionen mit vermeintlich unumstößlichen Wahrheiten" erlebt, sagte sie bei einer Bundesvertreterversammlung von DRV Bund. "Und wir meinen, eine sachliche und sachdienliche Diskussion wird dadurch häufig erschwert", so Roßbach.
"Und wenn wir in der Sache vorwärtskommen wollen und gute Lösungen zu echten Schmerzpunkten finden wollen, dann wollen und müssen wir dem als Rentenversicherung auch etwas entgegensetzen". Die Präsidentin betonte: "Unser Fundament sind Zahlen, Daten und Fakten."
Feuerprobe: Babyboomer
Neue Zahlen der Rentenversicherung zeigen den Fortgang beim bereits begonnen Rentenübertritt vieler Babyboomer. So liegt die Zahl der bis Oktober gestellten Rentenanträge mit mehr als 642.000 über den durchschnittlichen Antragseingängen im Vergleichszeitraum von 2021 bis 2025. Leicht gestiegen ist die Zahl der Rentenanträge 2024 gegenüber 2023 (plus 0,5 Prozent), wie die Direktorin der Rentenversicherung, Brigitte Gross, erläuterte./lfö/DP/nas