EZB-Kommentar von BlackRock: Die letzte offensichtliche Zinssenkung

05.06.25 19:04 Uhr

Roelof Salo­mons, BlackRock Invest­ment Institute, kommen­tiert das Ergeb­nis der heutigen Sitzung der Euro­päischen Zentral­bank (EZB):

Das war die letzte offen­sicht­liche Zinssenkung. Das Leben der euro­pä­ischen Zentral­banker wird von nun an schwieriger. Wir rechnen zwar mit weiteren Senkungen, doch die EZB gab uns wenig Anhaltspunkte zu deren Umfang und Zeitpunkt. Die EZB will sich ihre Optionen offenhalten, während die Handelsverhandlungen mit den USA weitergehen.

Die aktualisierten Prognosen der EZB enthalten alternative Szenarien neben einer geringfügigen Abwärtskorrenktur des Wachstums im Basisszenario – jetzt eher im Einklang mit unseren Erwartungen. Das Wachstum bewegt sich um 1%, gebremst durch globale geopolitische Unsicherheit und Zölle, gestützt durch regionale Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben. Beide Effekte sind in den Stabsprognosen berücksichtigt.

Kurzfristig sehen wir jedoch weiterhin größere Risiken, dass Wachstum und Inflation unter diesen Prognosen liegen statt darüber. Wir glauben nicht, dass Handelszölle per Saldo inflationär für die europäische Wirtschaft sind – vorausgesetzt, sie führen nicht zu Vergeltungsmaßnahmen oder stören Lieferketten.

Die EZB kann ihren Fokus nun stärker auf Wachstum als auf Inflation verlagern, meinen wir. Wir erwarten, dass sie die Zinsen dieses Jahr unter das neutrale Niveau senkt. Die Gesamtinflation hat bereits 2% erreicht und wird voraussichtlich darunter fallen. Der Lohndruck lässt nach, und wir sehen auch die Kerninflation bis Jahresende auf 2% sinken, unterstützt durch einen stärkeren Wechselkurs und niedrigere Energiepreise. Langfristig dürften höhere Staatsausgaben die Inflation jedoch über dem Vorpandemieniveau halten.

An den globalen Anleihemärkten bevorzugen wir weiterhin europäische Anleihen mit längerer Laufzeit und Unternehmensanleihen. Europa ist nicht immun gegen die steigenden globalen Kapitalkosten, aber ein relativer Stabilitätsanker. Wir haben europäische Aktien Anfang des Jahres auf neutral hochgestuft, gestützt auf eine wachstumsfreundlichere Agenda. Wir beobachten, wie der Block auf veränderte globale Dynamiken reagiert und seine strukturellen Herausforderungen angeht, bevor wir optimistischer werden. Wir sehen selektive Chancen bei Finanzwerten und Branchen mit Bezug zu Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben.

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