ETF-Experten-Kolumne

Verteidigung im indopazifischen Raum: Wer, warum und wie?

22.07.25 15:48 Uhr

Werbemitteilung unseres Partners
finanzen.net GmbH ist für die Inhalte dieses Artikels nicht verantwortlich


Verteidigung im indopazifischen Raum: Wer, warum und wie? | finanzen.net

Der Indopazifik ist heute die strategisch wichtigste Region der Welt. Hier konzentrieren sich die großen Krisenherde der Geopolitik des 21. Jahrhunderts - von der Taiwanstraße und dem Südchinesischen Meer bis zur koreanischen Halbinsel und dem Himalaya.

Wie die Karte unten zeigt, ist die Region von zahlreichen Sicherheitsrisiken geprägt, darunter Territorialstreitigkeiten, nukleare Risiken und ungelöste Konflikte. Die Verteidigungsausgaben steigen, die Streitkräfte werden modernisiert und neue Allianzen verändern die regionale Ordnung.

Für Verteidigungspolitiker ist diese Region bereits eine Priorität. Für Investoren sollte sie es auch sein.

Quelle: https://publications.parliament.uk/pa/cm5803/cmselect/cmdfence/183/report.html

Chinas Aufstieg destabilisiert die Region

Das Militärbudget Pekings ist in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen - von rund 80 Milliarden US-Dollar im Jahr 2005 auf heute über 300 Milliarden US-Dollar. Mit der Modernisierung seiner Streitkräfte hat auch Chinas Selbstbewusstsein zugenommen, was in einer Region, in der es bereits zahlreiche ungelöste Territorialstreitigkeiten gibt, für Unruhe sorgt.

Quelle: SIPRI; Zahlen in Mrd. US-Dollar zu konstanten Preisen von 2023 und Wechselkursen

Peking beansprucht mit der sogenannten Neun-Striche-Linie fast das gesamte Südchinesische Meer für sich und steht damit im Konflikt mit Vietnam, den Philippinen, Malaysia und Indonesien. Die Ambitionen in Bezug auf Taiwan bleiben jedoch der größte Konfliktpunkt. Während Washington seine Unterstützung für Taipeh lautstark bekundet, sieht auch Japan die Autonomie der Insel als einen zentralen Bestandteil seiner eigenen Sicherheitsarchitektur an. Unterdessen hat Indien anhaltende Grenzkonflikte mit China entlang des Himalaya, wo es regelmäßig zu tödlichen Zwischenfällen kommt. Indien ist auch zunehmend beunruhigt über Pekings wachsende Marinepräsenz im Indischen Ozean, der seit langem als Delhis Hinterhof gilt.

Chinas militärische Transformation hat in Washington eine strategische Neuausrichtung ausgelöst, die durch neue und wiederbelebte Allianzen untermauert wird: Quad (USA, Indien, Japan, Australien), AUKUS (Australien, Großbritannien, USA) und die umfassendere "Asia Pivot"-Strategie. Die Rolle Amerikas als führende Macht im Pazifikraum - die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs etabliert ist - hängt nun von seiner Fähigkeit ab, Chinas Macht in der Region einzudämmen.

Fehlende Ausgaben

Trotz der regionalen Risiken geben die meisten Länder im indopazifischen Raum gemessen am BIP weiterhin vergleichsweise wenig für Verteidigung aus.

Quelle: SIPRI; https://milex.sipri.org/sipri

Washington ist zunehmend unzufrieden mit den Verteidigungsausgaben seiner Verbündeten im indopazifischen Raum. Ähnlich wie bei der transatlantischen Debatte über die europäischen Verteidigungsausgaben kommt es auch im indopazifischen Raum zu Streitigkeiten über die Lastenverteilung. Wie US-Verteidigungsminister Pete Hegseth kürzlich erklärte:

"Die NATO-Mitglieder verpflichten sich, 5 % ihres BIP für Verteidigung auszugeben ... Es macht keinen Sinn, dass die Länder in Europa dies tun, während wichtige Verbündete in Asien angesichts einer noch größeren Bedrohung weniger für Verteidigung ausgeben."

Die ersten Länder reagieren daher bereits. Japan hat eine der bedeutendsten militärischen Aufrüstungen seit dem Zweiten Weltkrieg eingeleitet. 2024 wurden 55,3 Milliarden US-Dollar für das Militär ausgegeben - ein Anstieg von 21 % gegenüber dem Vorjahr und fast doppelt so viel (49 %) wie noch 2015. Dies war der größte jährliche Anstieg seit 1952 und erhöhte die Militärausgaben auf 1,4 % des BIP, den höchsten Stand seit 1958. Der Anstieg ist Teil des japanischen Ausbaus seiner Militärkapazitäten bis 2027, bei dem Langstreckenangriffsfähigkeiten und Luftverteidigung im Vordergrund stehen. Bis 2027 plant Japan 2 % seines BIP für Verteidigung auszugeben.1

Stärkung der heimischen Industrie

Abgesehen von den aktuellen Schlagzeilen, steht die Region möglicherweise vor einem nachhaltigen strukturellen Wandel. Die Abhängigkeit von ausländischen Waffenlieferungen wird reduziert und die heimische Verteidigungsindustrie gestärkt und ausgebaut.

Indien reagiert sehr schnell und zeigt sich besonders konsequent. Als einer der weltweit größten Waffenimporteure hat die aktuelle Regierung beschlossen zukünftig 75 % ihres Verteidigungsbudgets für den Kauf von Produkten einheimischer Hersteller zu verwenden.2 Japan hat seinen inländischen Herstellern finanzielle Unterstützung zugesagt, um die eigenen Kapazitäten in der Verteidigungsindustrie zu erhöhen.3

Länder mit einem etablierten Verteidigungssektor positionieren sich zunehmend auch als Lieferanten für die gesamte Region. Japan hat seine Nachkriegsbeschränkungen für Waffenexporte gelockert, beispielsweise für den Verkauf von Radarsystemen an die Philippinen, die es als Schlüssel zur Förderung der regionalen Sicherheit betrachtet.4

Südkorea verfolgt ebenfalls aktiv eine Strategie zur Steigerung seiner Waffenexporte. Das Land möchte zu einem globalen Player werden. Bis 2027 will man einen Marktanteil von 5 % erreichen. Aktuell liegt dieser noch bei 2,2 %.5 Im Jahr 2024 steigerte Südkorea seine Waffenexporte bereits um 4,9 %.6

Welche Möglichkeiten sich Anlegern bieten

Der Trend zur Aufrüstung im indopazifischen Raum ist nicht nur eine geopolitische Entwicklung, sondern auch eine vielversprechende Anlagestrategie. Regionale Verteidigungsunternehmen zeigen bereits Anzeichen von Stärke. Seit Anfang 2025 konnten Verteidigungsunternehmen aus dem indopazifischen Raum, gemessen am VettaFi Future of Defence Indo-Pac ex-China Index, eine beachtliche Performance von 93,1 % erzielen.

Quelle: VettaFi; Stand 10.07.25

Auch die Erwartungen der Analysten sind hoch. Wie die nachstehende Tabelle zeigt, wird für die nächsten drei Jahre ein EBITDA-Wachstum von fast 125 % und ein Umsatzwachstum von fast 87 % erwartet. Damit liegen sie sogar über den Wachstumsprognosen für europäische Verteidigungsaktien, für die ein EBITDA-Wachstum von etwas über 80 % und ein Umsatzwachstum von knapp 65 % über die nächsten drei Jahre erwartet wird.

Quelle: VettaFi; Stand 10.07.25

Eine Region, die nicht ignoriert werden kann

Die meisten Anleger mit Engagement im Verteidigungssektor dürften nur geringfügig in Verteidigungsunternehmen aus dem indopazifischen Raum investiert sein. Die meisten globalen Verteidigungsindizes (bzw. die sie nachbildenden ETFs) weisen eine niedrige Gewichtung von Verteidigungsunternehmen aus dem indopazifischen Raum auf, wobei Länder wie Indien in der Regel überhaupt nicht vertreten sind. Stattdessen dürften Anleger, die sich weltweit im Verteidigungssektor engagieren, einen Großteil ihres Engagements in amerikanischen und zunehmend auch in europäischen Verteidigungsunternehmen haben. Auch wenn die Aussichten für den europäischen Verteidigungssektor weiterhin vielversprechend sind, wäre es ein Fehler, den indopazifischen Raum zu vernachlässigen. Hier könnten die langfristigen Treiber für die Nachfrage im Verteidigungssektor am ausgeprägtesten sein.

Quellen:

1 https://www.rusi.org/explore-our-research/publications/commentary/japans-defence-budget-surge-new-security-paradigm
2 https://www.sipri.org/sites/default/files/2025-04/2504_fs_milex_2024.pdf
3 https://langleyesquire.com/japan-pursues-a-military-industrial-policy/
4 https://www.mod.go.jp/en/article/2023/11/e005fad85ab5c48087162d939209232fb4 cee216.html
5 https://en.yna.co.kr/view/AEN20221124007300325
6 https://www.sipri.org/sites/default/files/2025-03/fs_2503_at_2024_0.pdf

Zum Autor

Tom Bailey, Leiter Research, HANetf

Tom Bailey stieß 2021 zu HANetf als Leiter Research. Er war zuvor über sechs Jahre lang als Finanzjournalist in den Resorts Investitionen, Märkte und Wirtschaft tätig. Seine Publikationen wurden regelmäßig in der Presse zitiert, unter anderem in der Financial Times, Reuters und The Times, und ist regelmäßiger Mitarbeiter von CNBC Arabia.

Bildquellen: HANetf, HANetf, HANetf, HANetf, HANetf, HANetf