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"Man muss Kapital mit dem Besten versehen, was man finden kann" - Dr. Markus Elsässer im Interview

31.01.19 14:01 Uhr

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"Man muss Kapital mit dem Besten versehen, was man finden kann" - Dr. Markus Elsässer im Interview | finanzen.net

Über Special Values, die Relevanz des unternehmerischen Energielevel, illustre Führungsgestalten und das vielleicht erste Finanzbuch, das Sie tatsächlich ganz lesen werden: 5 Fragen an Dr. Markus Elsässer, der seit 1998 als selbstständiger Investor und Fondsberater agiert und die ME-Fonds als Gründer seit mehr als 16 Jahren betreut.

Ihr Fonds heißt ME-Special Values. Was bedeutet der Begriff "Special Values" für Sie?

Dr. Markus Elsässer: Das Kapital der meisten Anleger wird aus meiner Sicht nicht sorgsam genug angelegt. Von je her war es mein Anliegen, dass man Kapital mit dem Besten versehen muss, was man finden kann. In der Kategorie der Aktien schauen wir im Speziellen nach besonderen Werten, daher kommt der Begriff Special Values. Mit besonders meinen wir nicht, dass sie irgendwie eigentümlich sind oder in Nischen sitzen, sondern dass sie in Bezug auf die Qualität besonders sind. Und damit waren wir lange vor der Zeit. 2002 haben wir damit angefangen nach Werten zu suchen, die wir in Ihrer Branche als absolut top betrachten. Dies nicht nur innerhalb ihrer Branche in Form der Marktbedeutung, sondern auch in Punkto Finanzen, aber auch in Punkto Firmenkultur bzw. Führung. Das Besondere an den Special Values ist, dass wir nicht auf Versprechungen setzen, sondern auf das in der Vergangenheit Getane. Das heißt wir investieren in Firmen, die über den Zeitverlauf bewiesen haben, dass sie bei einer großen Kundenzufriedenheit überdurchschnittliche Gewinnmargen erzielen. Das sind Unternehmen, die es geschafft haben ihr Produkt so zu platzieren, dass die Preise akzeptiert werden, von denen die Aktionäre dann auch etwas haben.
Die Erste Fragestellung im Rahmen unserer Analyse ist immer, ob die Branche in den nächsten 10 Jahren überhaupt eine Zukunft hat und es Rücken- statt Gegenwind gibt. Deshalb habe ich z.B. schon vor 20 Jahren nie in "Papieraktien" investiert, also in Firmen, die Papier herstellen. Der Papierkonsum ist zwar in den letzten 20 Jahren nochmal gestiegen aber im langen Trend wird immer mehr papierlos gemacht werden. Dieses Risiko tue ich mir also gar nicht erst an. Wenn ich der Überzeugung bin, dass diese Produkte, Dienstleistungen oder Branchen eine gesicherte Zukunft haben, dann gefällt mir das. Dann kommt der nächste Schritt: ich schaue wer in dieser Branche der Beste ist. Dabei kommt es natürlich manchmal vor, dass diese Unternehmen nicht an der Börse gehandelt werden und wir sie nicht kaufen können, weil sie im Privatbesitz sind. Ist das nicht der Fall, schaue ich mir den Börsenplatz an. Wir kaufen ja nur in politisch sicheren Ländern, in denen die Eigentumsrechte gewährt sind und in denen ich auch die Geschäftsberichte lesen kann. Wir gehen nicht in periphere Märkte wie die Philippinen oder die Ukraine, sondern in traditionelle große Märkte mit großen Währungen. Wenn wir dann etwas finden, versuchen wir den konservativsten Wert zu nehmen. Wir wählen also denjenigen aus, der am längsten im Markt ist, den höchsten Marktanteil hat und die solidesten Finanzen mitbringt. Ich mag keine Werte, die eine hohe Verschuldung haben und halte nichts von dem sog. Leverage-Effekt. Uns geht es darum, dass die Firmen im Fall einer langfristigen Krise, die alle Branchen treffen kann, unabhängig von Banken und Krediten gut durchkommen. Deshalb mag ich Firmen mit einem hohen Eigenkapital. Grundsätzlich ist weiterhin die Überlegung die, ob die Branche oder das Produkt überhaupt nützlich ist. Vieles wird nur gekauft, wenn es einen Boom oder eine Modewelle in der Bevölkerung gibt. Das mag ich nicht. Es muss ein dauerhaft nützliches oder tief verankertes Produkt sein.

Hilft Ihnen Ihre praktische Führungserfahrung aus der Industrie für das Fondsmanagement?

Ja, definitiv! Ohne diese fast 20 jährige Erfahrung in der internationalen Industrie, dem produzierenden Gewerbe im non-Food- oder Food-Sektor oder in der Chemie Industrie, in der ich Firmen mittelständischer Größe im Ausland geleitet habe, könnte ich das überhaupt nicht machen. Ich bin sehr skeptisch wenn Fonds mit großen Volumina von Menschen geleitet werden, die in ihrem Leben noch niemals in einem Industriebetrieb gesessen haben. Ich besuche wenn es irgendwie geht die Firmen in die wir investieren persönlich. Wir investieren seit 16 Jahren in ein überschaubares Universum von etwa 33 Titeln. Diese Werte intensiv zu verfolgen ist nicht immer einfach, aber mit Muße kann man es schaffen. Wenn ich Firmen besuche dann sagt mir der Erste Eindruck schnell etwas weil ich in verschiedenen Betrieben gearbeitet habe. Schon die Stimmungslage: Wie ist die Rezeptionistin drauf? Sind die Wasserhähne vergoldet, oder tropft es von der Decke? Sind die Türen offen, wenn ich über den Flur gehe? Wie sitzen die Mitarbeiter am Tisch? Mit gebücktem Rücken, oder springt der Chef herum und es herrscht eine wahnsinnige Hektik?
All diese Dinge das sind Erfahrungswerte die äußerst wichtig sind und die wir zusätzlich zur Analyse der Bilanz und der Börsendaten in Betracht ziehen. Es hilft mir sehr, so das Wesen der Firma zu erfassen. Wenn man dann über Jahrzehnte viele Firmen dieser Art besucht, bekommt man ein gutes Gespür für den entscheidenden Energielevel.

Bei fast allen Firmen arbeiten Menschen von ähnlicher Intelligenz. Wenn wir die Lebensläufe von zwei Firmen vergleichen würden, eine in St. Gallen und eine in Osnabrück, käme man sicherlich auf sehr ähnliche Ergebnisse. Was macht den Unterschied aus? Die Firmenkultur und die Motivationslage. Kommen die einen zur Arbeit weil sie einfach ihr Geld verdienen müssen und liefern sie einfach einen mehr oder weniger ordentlichen Job ab, oder haben wir eine Firma wo die Leute sich darüber hinaus mehr einbringen? Wenn ich selbst nicht die Zeit habe persönlich hinzugehen versuche ich über unser Netzwerk mit jemandem zu sprechen, die die jeweilige Firma kennen und auf diesem Wege die Sachlage zu ergründen.

Sind Ihre Investment-Entscheidungen eher Bauch- oder Kopfbasiert?

Als Grundlage für unsere Investment-Entscheidungen haben wir strikte Kriterien definiert. Wir versuchen unsere 33 Titel im Special Values relativ gleich zu gewichten. Im Schnitt versuchen möchten wir etwa 3% pro Titel investieren um ein Klumpenrisiko zu vermeiden. Diese Werte suchen wir in Nordamerika, Kanada, USA, Westeuropa Schweiz und Australien. Somit können wir es uns erlauben, besonders hohe Kriterien anzulegen. Deshalb nennen wir sie auch Special Values. Es gibt viele Weltmarktführer mit einem tollen Renommee, die allerdings nur Umsatzrenditen von 3% erzielen. Das ist für mich als Investor für unsere Fondsanleger einfach zu wenig. Wir haben das Ziel mindestens einen Wert von 10% und höher zu finden, ohne dass irgendwas in dieser Firma faul ist und sie es nur einmal schafft und dann abstürzt. Wir suchen Unternehmen, die seit Jahrzehnten so aufgebaut wurden, dass sie viel verdienen und damit eben auch ihre Forschung und Entwicklung finanzieren können. Das ist ein weiterer Aspekt den ich mir neben der Umsatzrendite sehr intensiv anschaue. Ich achte sehr darauf, dass die Firma entweder sehr forschungsintensiv ist oder hohe Marketingkosten hat. Letzteres gilt für die Konsumgüterbranche. Ansonsten betreibt man auf Dauer Raubbau und fällt hinten ab. Wir haben also einen ganzen Blumenstrauß an Basisdaten die einfach erfüllt sein müssen. Weiterhin bauen wir dann natürlich auf die Soft Facts, also die nicht finanziellen Aspekte wie Firmenkultur, Führung, und die Fähigkeit gute junge Leute Engagieren zu können. Haben sie ausreichend Personal aufgebaut und sind sie in der Lage internationale Märkte zu besetzen. Letztlich zählt auch der Eindruck der Firma und da kommt es natürlich schon auf das Bauchgefühl an. Es wäre töricht das nach Schema F zu machen. Dabei hilft mir natürlich meine jahrelange Erfahrung.

Gibt es eine Fehlentscheidung, die Sie nachhaltig geprägt hat?

Es wäre schön, wenn es nur eine Fehlentscheidung wäre (lacht). Viele sind entstanden, lange bevor ich im Jahr 2002 den Fonds gegründet habe. Jahrzehnte vorher habe ich bereits investiert und habe dort glücklicherweise viele Fehler gemacht, gottseidank mit meinem eigenen Geld. Ohne diese Erfahrung würde ich niemals einen Fonds gründen bei dem auch Eltern Geld für ihre minderjährigen Kinder anlegen. Zwei dieser Fehler waren für mich besonders einprägsam. Das eine war ein sehr früher Fehler, bei dem ich auf Exotik, Glanz und Glamour hereingefallen bin. Es ging um eine argentinische Ölfirma mit einer illustren Führungsgestalt die im Freiverkehr der Schweizer Börse gehandelt wurde: Astra Petrolio. Im Bauchgefühl hatte ich von je her, dass das alles nicht so ganz alles stimmen könnte, aber es war eine richtige Spekulationswelle enthalten. Was ich da gelernt habe ist, dass die Aussicht auf einen kurzfristigen großen Gewinn meistens bewirkt, dass die kluge Weisheit verdrängt wird und man gegen besseres Wissen denkt man müsste doch bei dieser Bullherde mit dabei sein. Im Verlauf der Jahre habe ich versucht mir dies abzutrainieren nach dem Motto "we take the next bus", wie mein Sohn immer sagt. Das hört sich sehr einfach an aber sich das anzutrainieren ist unglaublich schwierig. In einer anderen Situation hatte ich auf dem Papier plötzlich einen riesigen Gewinn. Die Aktie hatte sich verachtfacht. Es war auch eine spekulative Aktie in meiner Zeit vor dem Fonds, die zuvor wirklich total unterbewertet war und die man zwischenzeitlich als durchaus Marktgerecht bezeichnen konnte. Die Kaufentscheidung war antizyklisch und richtig. Im Anschluss habe ich dann den Fehler gemacht, zu sehr auf die Mitfahrenden zu hören. Die Mitreisenden im Waggon die aus meiner Sicht größere Profis und Insider in der Branche waren vertraten das Motto "wenn dann steigen wir doch alle gemeinsam aus". Es lagen klare Rechnungen auf dem Tisch klare Zahlen in EXCEL-Tabellen, dass sich das ganze nochmal verdoppeln würde. Und anstatt der Erkenntnis, dass ich in dem Fall mehr Glück als Verstand hatte, dass ich nicht schon nach einer Verdopplung oder Verdreifachung ausgestiegen bin rechnet man sich dann aus, was eine weitere Steigerung in absoluten Beträge bedeuten könnte und was man damit alles tun könnte. Also bin ich drin geblieben und das Ganze ist nachher in einer großen Gesamtkrise im Rohstoffsektor vollkommen Implodiert. Es war eben alles heiße Luft und der gesamte Papiergewinn war wieder weg. Statt einer Verachtfachung wieder Einstandspreis. Da habe ich gelernt etwas gelernt, was wir in unserem Fonds so umsetzen: Man sollte vorweg einen Einstandspreis errechnen, der für diese Position günstig ist. Dann haben wir in unseren Schubladen auch den Exit-Preis zu dem wir den Ausstieg planen. Dieser wird natürlich bei wachsenden Unternehmen mit einem guten Management Jahr für Jahr angepasst, da uns die Zeit sonst überholen würde. Das ist etwas, was wenige Investoren machen. An der Stelle des Einstiegspreises wird viel Hirnschmalz verbraten. Aber dass sie unabhängig vom Börsenverlauf entscheiden, bei welchem Preis der Laden Voll- oder Überbewertet ist und dann ganz oder zur Hälfte aussteigt macht kaum jemand.

Wer sollte Ihr Buch kaufen?

Das kleine Büchlein ist ein viel größerer Erfolg geworden als wir dachten. Es ist auf die Manager Magazin Bestseller Liste gekommen in der 3. Auflage erschienen. Ich habe es eigentlich für sehr junge Leute geschrieben, die am Berufsanfang stehen. Die Zuschriften zeigen mir, dass es auch Menschen gerne lesen die sich schon ganz lange mit Geld und Ersparnissen beschäftigen. Ich würde sagen, es sollte derjenige lesen, dem es etwas mulmig ist. Wenn er das Gefühl hat er versteht einiges nicht oder fühlt sich mit seiner aktuellen Gelanlage nicht so richtig aufgehoben. Es ist kein theoretisches Fachbuch, sondern ein Buch mit dem man einen Einblick hinter die Kulissen bekommt. Alles in verständlichem Deutsch. Von daher würde ich sagen das ist der klassische Leser alt oder jung sein kann. Wir haben beispielsweise einen alten Investor aus dem Fonds der es seiner Frau geschenkt hat. Weil es in kleine Kapitel aufgeteilt ist, ist es eine ideale Bett- oder Reiselektüre. Er hat mir erzählt, dass seine Frau 70 Jahre alt ist und es das erste Finanzbuch in ihrem Leben ist, was sie tatsächlich ganz gelesen hat. Das macht mich natürlich sehr glücklich. Jemand der sein Modell gefunden hat der sich wohlfühlt, oder mit seinem Vermögensverwalter sehr zufrieden ist braucht es nicht zu lesen. Aber für Menschen, die etwas dazulernen möchten, oder ein paar Anregungen suchen, könnte es sich lohnen.

Der Autor Dr. Markus Elsässer ist seit 1998 selbstständiger Investor und Fondsberater sowie Gründer der ME-Fonds, die er seit mehr als 16 Jahren betreut.

Bildquellen: IPConcept, IPConcept, IPConcept, IPConcept