Was ist eigentlich "Money Dysmorphia"?

Die Einkommenslage ist stabil, die Ausgaben überschaubar, Rücklagen vorhanden und trotzdem bleibt das Gefühl, dass es nie reicht. Ein psychologisches Phänomen erhält zunehmend Aufmerksamkeit: Money Dysmorphia. Es zeigt, wie stark Emotion und finanzielle Realität auseinanderdriften können.
Wahrnehmung kontra Realität
Der Begriff "Money Dysmorphia" beschreibt eine kognitive Verzerrung im Umgang mit der eigenen finanziellen Situation, schreibt die New York Times. Trotz objektiver Stabilität, etwa durch regelmäßiges Einkommen, Rücklagen oder geringe Schulden, entsteht ein Gefühl permanenter Unsicherheit. Ebenso existieren gegenteilige Fälle. Ein überzogener Lebensstil wird aufrechterhalten, obwohl finanzielle Mittel fehlen.
Ursachen zwischen Vergleichen und Prägungen
Besonders stark betroffen sind laut Umfrageergebnissen der Plattform Credit Karma Menschen der Generationen Y und Z. Über 40 Prozent dieser Gruppen geben an, sich finanziell unsicher zu fühlen, obwohl ihre objektiven Einkommensverhältnisse vielfach stabil sind. Die Financial Times verweist auf die wachsende Rolle digitaler Medien. Der tägliche Konsum von Social-Media-Inhalten führt zu einer ständigen Gegenüberstellung mit scheinbar finanziell erfolgreichen Lebensentwürfen. Neben dem Einfluss medialer Inszenierung spielen laut Jenius Bank auch Prägungen früher Erwachsenenjahre eine Rolle. Eine inflationäre Wirtschaft, Kosten für Hochschulbildung oder eine Pandemie, lassen Ängste entstehen und geben das Gefühl eines ständigen Kampfes gegen die finanziellen Gegebenheiten, wie es weiter heißt.
Zwischen Angst, Verdrängung und Kontrollverlust
Money Dysmorphia äußert sich auf unterschiedliche Weise. In manchen Fällen entsteht eine übersteigerte Angst vor Ausgaben, selbst wenn die finanzielle Lage keinen Anlass zur Sorge bietet. In anderen Fällen wird die Kontrolle über das eigene Budget weitgehend aufgegeben. Rechnungen werden ignoriert, Ausgaben nicht mehr überprüft, Schulden verdrängt. Wie Adelaide Now berichtet, lassen sich typische Verhaltensmuster beobachten: eine dauerhafte Unzufriedenheit mit der eigenen finanziellen Lage, ständiges Grübeln über Geldfragen oder auch ein stark impulsives Ausgabeverhalten, das nicht mit der wirtschaftlichen Realität übereinstimmt. Solche Verzerrungen können weitreichende Folgen haben, von verpassten Investitionschancen bis hin zu übermäßigem Konsum als emotionalem Ausgleich. Finanzielle Entscheidungen verlieren ihre Grundlage in Fakten und werden zunehmend von inneren Spannungen gesteuert.
Wenn Geld zur Projektionsfläche wird
In einer Zeit, in der finanzielle Selbstverwirklichung als gesellschaftliches Ideal gilt, geraten Emotionen und Zahlen zunehmend in Konflikt. Die Vorstellung, stets besser aufgestellt sein zu müssen, als es das Bankkonto tatsächlich erfordert, erzeugt Druck - häufig still und schwer greifbar. Dabei wird deutlich: Die Beziehung zu Geld ist nicht nur eine Frage der Mathematik, sondern eine der Selbstwahrnehmung. Wer Geld ausschließlich als Gradmesser für Erfolg oder Sicherheit begreift, verliert leicht den Blick für das, was tatsächlich vorhanden ist.
Redaktion finanzen.net
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