Steuern & Abgaben

Expatriates: Risiken beim Arbeitsexil auf Zeit

05.03.11 06:00 Uhr

Fast drei Millionen Arbeitnehmer sind vorübergehend als Expatriates im Auslandseinsatz. Das birgt Risiken – nicht nur steuerlich und sozialversicherungs­rechtlich, sondern auch bei der betrieblichen Altersvorsorge.

von Michael H. Schulz, €uro am Sonntag

"Zweitwohnsitz für Ihr Geld“ – so warb eine Großbank in den 90er-Jahren für Geldanlagen in Luxemburg. Der Slogan ist aktueller denn je. Denn für zugereiste hoch qualifizierte Arbeitnehmer aus dem Ausland mit einem Monatseinkommen ab 8787 Euro bietet das Großherzogtum seit Januar Steuernachlässe von mehr als 50 000 Euro jährlich. Vorausgesetzt, sie arbeiten nicht nur in dem kleinen Staat, sondern zahlen als Ansässige dort bis zu fünf Jahre auch Einkommensteuer. Dafür müssen sie allerdings fast alle Zelte in Deutschland abbrechen.

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Was hier etwas abwegig klingt, ist für viele Realität: Rund um den Globus befinden sich laut Schätzungen der Vereinten Nationen fast drei Millionen Deutsche vorüber­gehend im Auslandseinsatz. 11.700 davon pendeln laut Angaben der Europäischen Kommission täglich von deutschen Wohnorten über die Grenze zur Arbeit – beispielsweise nach Luxemburg oder in die Schweiz.

Zu diesen Grenzgängern gesellen sich die sogenannten Expatriates. So heißen im Fachjargon deutsche Erwerbstätige, die Unternehmen gezielt ins Ausland zum Arbeiten schicken. Laut „International Assign­ments Survey 2010“ des Beratungsunternehmens Mercer ist der Bedarf an Fachkräften in wachstumsstarken Ländern besonders hoch. Technisches Fachwissen ist demnach der Hauptgrund für internationale Mitarbeitereinsätze.

Ob beim Aufbau einer neuen Niederlassung oder bei der Erschließung neuer Märkte: Wo die Expatriates steuer- und sozialabgabenpflichtig sind, hängt vom Gastland, der Dauer, den Umständen des Einzelfalls und den vertraglichen Regelungen zum Auslandseinsatz ab.

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Grundsätzlich gibt es zwei Gruppen von Expatriates: Die einen werden entsendet, die anderen etwa in eine ausländische Niederlassung eingegliedert. Im ersten Fall bleibt der Arbeitsvertrag gleich und wird durch eine Vereinbarung ergänzt. In der Regel behält der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz in Deutschland. Bei einer Entsendung in EU-Länder oder Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) mit bis zu 24 Monaten Dauer bleiben Beschäftigte unter Umständen in Deutschland sozialversicherungspflichtig. Vorausgesetzt, die Entsendung erfolgt zeitlich befristet auf Weisung des Arbeitgebers und von einem deutschen Arbeitsplatz aus.

Im anderen Modell wird der Mitarbeiter in die ausländische Niederlassung versetzt und bekommt einen neuen Arbeitsvertrag. Seine Steuern und Sozialabgaben zahlt er dann in der Fremde.


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Tief greifende Konsequenzen. Bei der befristeten Entsendung in die EU oder den EWR können Arbeitnehmer ihre betriebliche Altersvorsorge (bAV) laut Angaben des Industrie-Pensions-Vereins in der Regel in Deutschland fortführen. Beiträge für eine Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfondsversorgung kann der Arbeitgeber in den meisten Fällen pauschal versteuern. Dazu muss der Angestellte während seiner Zeit im Ausland weiterhin in Deutschland Lohnsteuer zahlen und als Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hierzulande behalten. Beiträge zur Pensionszusage und Unterstützungskasse bleiben steuerfrei. Bei der Eingliederung in die Gesellschaft des Gastlands scheidet der Arbeitnehmer dagegen aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis aus, seine Anwartschaft auf die bAV in der Heimat behält er aber, denn sie verfällt nicht.

Mit Südafrika gibt es keine Sozialversicherungsvereinbarung
Damit nicht sowohl Entsende als auch Gastland Steuern kassieren, hat der Bund mit vielen Staaten Doppelbesteuerungsabkommen ausgehandelt. Grundsätzlich sind Arbeitnehmer dort steuerpflichtig, wo sie tätig sind. Expatriates zahlen also in der Heimat keine Steuern. Sie unterliegen nur dem sogenannten Progressionsvorbehalt.

Doch keine Regel ohne Ausnahme: Halten sich Expatriates weniger als 183 Tage im Gastland auf, müssen sie weiterhin in Deutschland Steuern zahlen. Ist die Entsendung in die EU oder Länder des EWR auf zwei Jahre beschränkt, dann bleibt der Expatriate in der Regel in Deutschland sozialversicherungspflichtig. Doch auch hier steckt der Teufel im Detail: „Wird das vom inländischen Arbeitgeber gezahlte Gehalt etwa einer ausländischen Betriebsstätte belastet, dann ist der Arbeitnehmer im Entsendeland steuerpflichtig“, erläutert Klaus D. Hahne, Steuerberater bei Allen & Overy.

Wer zahlt das Gehalt? Auch wenn die Niederlassung im Gastland zahlt, kann die Entsendung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer nachträglich teuer werden. Setzt ein Unternehmen häufig Mitarbeiter im Gastland ein, kann das eine Betriebsstätte begründen. Die Firma muss dann im Ausland Steuern und vielleicht auch Sozialabgaben für ihre Angestellten zahlen. „Es kommt vor, dass Unternehmen Expatriates im deutschen Sozialversicherungssystem belassen und weiter Sozialversicherungsbeiträge abführen, obwohl keine echte Entsendung mit Ausstrahlung der Sozialversicherungspflicht vorliegt“, weiß Andreas Opitz, Gründer und Geschäftsführer des Bundes der Auslandserwerbstätigen (BDAE). Fällt das Betriebsprüfern auf, müssen Unternehmer Beiträge im Ausland nachzahlen. „Schlimmstenfalls gehen Mitarbeitern auch Wartezeiten etwa für die Pflegepflichtversicherung, die Arbeitslosenversicherung oder die Erwerbsminderungsrente verloren“, ergänzt Opitz.

Mit einigen wirtschaftsstarken Ländern wie Singapur, Indien, Südafrika und Saudi-Arabien gibt es keine Sozialversicherungsvereinbarungen. Allerdings eröffnet das Sozialgesetzbuch auch hier Möglichkeiten, im deutschen System zu verbleiben. Vorausgesetzt, der Expatriate­ geht auf Weisung seines Chefs von einem inländischen Arbeitsplatz ins Ausland, das inländische Beschäftigungsverhältnis bleibt bestehen und die Entsendung ist zeitlich befristet. Aber Vorsicht: „Bestehen diese Vo­raussetzungen nicht und der Arbeitnehmer bleibt im deutschen System, kann dies dazu führen, dass nicht nur Wartezeiten, sondern auch Ansprüche entfallen“, mahnt Fachmann Opitz.

Das Exil vergolden. Für viele gut verdienende Expatriates kann es allerdings auch günstiger sein, einen Vertrag mit der Niederlassung im Gastland zu machen und in das dortige System überzutreten. Beispielsweise in den Niederlanden. Dort können Expatriates einen Antrag auf einen günstigeren Steuersatz stellen. Der deutsche Fiskus geht leer aus.

Bildquellen: South Africa Tourism