Handelsstreit: Protektionistisches Gruselkabinett

Die deutsche Wirtschaft profitiert von der guten Weltkonjunktur. Doch seit Monaten steigen die Risiken. Trumps Zoll-Kapriolen schüren neue Unruhe unter Managern.
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von Wolfgang Ehrensberger, €uro am Sonntag
Die noch mal bis Ende Juni verschobene Frist für die Einführung von US-Zöllen auf Stahl und Aluminium sorgt vor allem bei exportorientierten deutschen Konzernen für immer größere Unsicherheit. "Das ist Gift für die mittel- und langfristige Planbarkeit des Geschäfts", sagte der Präsident des Außenhandelsverbands BGA, Holger Bingmann, gegenüber €uro am Sonntag. "Die jetzt von Trump angedrohten Importquoten sind zudem ein besonders starres Instrument und träfen die deutschen Exportunternehmen noch stärker als Zölle."
Nach Einschätzung des Münchner Ifo-Instituts könnte die jüngste Zuspitzung des Konflikts bereits im Mai die deutsche Exportstatistik belasten. "Solange die Unsicherheit anhält, werden Exportgeschäfte verschoben oder gar nicht realisiert", sagte Ifo-Handelsexperte Gabriel Felbermayr gegenüber €uro am Sonntag. "Dies wird sich spätestens in den Mai-Zahlen der deutschen Exporte zeigen."
Spürbare Auswirkungen auf die Geschäftszahlen der exportorientierten Unternehmen in Deutschland befürchtet Felbermayr derzeit zwar noch nicht. "Die Spuren in den Bilanzen werden nicht deutlich ausfallen, denn nur rund fünf Prozent der betroffenen deutschen Exporte gehen in die USA."
Doch schon im April waren die hiesigen Exporteure nicht zuletzt wegen der Handelspolitik des US-Präsidenten so skeptisch wie seit über einem Jahr nicht mehr. Das Ifo-Barometer für die Exporterwartungen der Industrie war in diesem Monat um weitere 0,2 auf 15,6 Punkte gefallen. Basis ist eine monatliche Umfrage unter 2300 Unternehmen. Es war bereits der fünfte Rückgang in Folge.
Vor allem Unternehmen aus der Metallindustrie gehen wegen der Zolldebatte von einem geringeren Exportwachstum aus. Insgesamt profitiert die deutsche Wirtschaft derzeit noch von der guten Weltkonjunktur, die sich aber bereits etwas abkühlt.
Ifo: Klare Kante zeigen
"Auf eine künftig wieder harmonischere Handelspolitik Amerikas sollte in Europa niemand setzen", warnt Kapitalmarktexperte Robert Halver vom Bankhaus Baader. "Vor allem mit seiner neuesten Drohung, Importquoten für Güter aufzulegen, will Trump Export-Europa das protektionistische Gruseln lehren." Protektionistische Gegenmaßnahmen würden allerdings nur "Öl ins Trump’sche Handelsfeuer gießen", glaubt Halver.
Felbermayr sieht die Lage etwas differenzierter. Importquoten seien für die deutsche Stahl- und Aluindustrie zwar unangenehm, aber immer noch besser als Zölle, glaubt der Ifo-Experte. "Selbst wenn die Exportvolumina fallen, so profitiert die Branche doch von höheren Preisen in den USA."
Felbermayr rät in dieser Situation zu einer Doppelstrategie: den Amerikanern einerseits ein realistisches Angebot für ein bilaterales Abkommen zu machen, das neben der Industrie auch den Agrarbereich umfasst. Andererseits klare Kante bei Regelverstößen der Amerikaner zeigen, um sich nicht unglaubwürdig zu machen.
"Die Drohung, falls die USA nicht einlenken, mit Vergeltungszöllen auf Tennessee-Whiskey, Harley-Davidson-Motorräder und Levi’s-Jeans zu reagieren, ist richtig und muss aufrechterhalten werden", fordert der Ifo-Experte. Auf keinen Fall dürfe die EU jedoch ihrerseits mit Schutzzöllen auf Stahl- und Aluminiumprodukte aus Drittstaaten reagieren.
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