Mit französischen Beratern

Griechenland arbeitet an Sparprogramm - Tsipras wirbt um Mehrheit im Parlament

09.07.15 17:18 Uhr

Griechenland arbeitet an Sparprogramm - Tsipras wirbt um Mehrheit im Parlament | finanzen.net

Die griechische Regierung arbeitet unter Hochdruck an neuen Spar- und Reformvorschlägen, um einen drohenden Ausstieg aus der Währungsunion zu verhindern. Erste Details wurden nun bekannt.

"Die Drachme ist kein Thema", sagte der Sprecher der Parlamentsfraktion der Linkspartei Syriza, Nikos Filis im griechischen Fernsehen. Athen werde ein Abkommen unterzeichnen, das sozial gerecht sein werde. Das sei die Absicht der Regierung, hieß es.

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Wie die griechische Presse übereinstimmend berichtete, arbeiten Experten des Finanzministeriums in Athen eng mit französischen Beratern zusammen, um alle Details rechtzeitig so fertig zu haben, wie die Gläubiger sie haben wollen. Am frühen Donnerstagnachmittag sollten die Spitzen der griechischen Parteien über den Inhalt des Sparmaßnahmen-Papiers informiert werden, berichtete das Staatsradio.

Erste Details geleaked: Tourismus und Frührenten im Visier

Nach Informationen der Athener Finanzpresse beinhalten die Sparvorschläge erhebliche Mehrbelastungen der Tourismusbranche. So solle die Mehrwertsteuer im Bereich Hotellerie von 6,5 auf 13 Prozent und im Gastronomiebereich von 13 auf 23 Prozent steigen, berichtete das Blatt "Naftemboriki" am Donnerstag. Das Reformpaket habe einen Wert von zehn bis zwölf Milliarden Euro.

Die umstrittene Immobiliensteuer solle auch 2015 und 2016 bleiben, schreibt "Naftemboriki". Alleine sie soll jährlich 2,65 Milliarden Euro in die Staatskassen spülen.

Athen sei zudem bereit, fast alle Frührenten abzuschaffen. Grundsätzlich solle niemand vor dem 67. Lebensjahr in Rente gehen können. Wer bereits 40 Jahre gearbeitet habe, solle ab 62 Jahren das Recht auf Ruhestand haben.

Tsipras wirbt um Mehrheit im Parlament

Inzwischen sucht der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras nach Wegen, eine mögliche Einigung mit den Geldgebern über ein Hilfspaket durch das Parlament zu bringen, ohne einen Bruch des Regierungslagers zu riskieren. Wie die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag aus griechischen Regierungskreisen erfuhr, will Tsipras die Abgeordneten seines Linksbündnisses Syriza ohne Fraktionszwang nach ihrem Gewissen abstimmen lassen.
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Vertreter des linken Syriza-Flügels hatten angekündigt, in jeden Fall gegen ein neues Sparprogramm zu votieren. Insider erwarten bis zu 30 Abweichler. Mit einem Verzicht auf den Fraktionszwang würde der Regierungschef es verhindern, dass es zu einem offenen Bruch im Regierungslager komme, hieß es.

Gegenwind für Tsipras' Kurs

Vor allem der griechische Energieminister Panagiotis Lafazanis stellte sich offen gegen den Kurs von Tsipras. Er sagte gegenüber Reuters, Griechenland lehne ein drittes Hilfspaket ab, sofern es an harte Sparmaßnahmen gekoppelt sei. Dies gebe dem Land keine Perspektive, so Lafazanis weiter. Auch der Syriza-Abgeordnete Giannis Michelogiannakis sprach sich gegen neue Sparmaßnahmen aus. Er forderte von Tsipras ein neues Referendum, in dem die Griechen zwischen Sparmaßnahmen und alternativen Vorschlägen wählen können.

Tsipras kann sich allerdings darauf verlassen, dass die Abgeordneten der wichtigsten Oppositionsparteien für ein Spar- und Reformprogramm stimmen werden. Damit wäre die Mehrheit praktisch gesichert. Das Datum für eine mögliche Abstimmung im griechischen Parlament steht noch nicht fest.

Sondergipfel zu Griechenland am Sonntagnachmittag

Zur Lösung der griechischen Schuldenkrise wird es am Sonntagnachmittag ein weiteres europäisches Gipfeltreffen geben. "Wir haben nur noch drei Tage bis zum nächsten Gipfel", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Donnerstag in Luxemburg. Wie der Sprecher von Tusk mitteilte, sollen zunächst um 16.00 Uhr die Staats- und Regierungschefs der 19 Euro-Länder zusammenkommen, um 18.00 Uhr dann in größerer Runde alle 28 EU-Länder.

Damit bestätigte Tusk den bereits angekündigten Termin für Sonntag. Griechenland hatte einen Antrag auf neue Hilfe aus dem Euro-Rettungsschirm ESM gestellt und muss nun noch ein Reformpaket vorlegen, das Voraussetzung für die Unterstützung ist. "Ich hoffe, dass wir heute konkrete und realistische Vorschläge von Athen erhalten", sagte Tusk.

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Für Samstag ist bereits ein Treffen der Finanzminister der Eurozone geplant. Für dieses Treffen ist noch keine Uhrzeit bekannt.

Merkel lehnt Schuldenschnitt ab

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnte am Donnerstag in Sarajevo einen "klassischen Haircut" (Schuldenschnitt) für Athen ab. Das löste Spekulationen aus, sie sei zu unklassischen Maßnahmen bereit. Zu den Aussichten auf eine Lösung beim EU-Sondergipfel am Sonntag sagte sie lediglich: es werde eine "entscheidende, wichtige Sitzung" sein.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warf Athen Untätigkeit vor. Er habe dem griechischen Finanzminister Euklid Tsakalotos gesagt: "Geht doch in Euer Parlament und: Just do it. Das würde wahnsinnig viel Vertrauen schaffen", sagte er in Frankfurt. "Meine Fantasie, wie wir vertrauensbildende Maßnahmen zwischen jetzt und Sonntag 24.00 Uhr bekommen sollen, ist sehr begrenzt."

Ähnlich wie Schäuble warf der französische Finanzminister Michel Sapin Athen vor, mit dem Abweichen von Regeln viel Vertrauen zerstört zu haben. "Wir brauchen Regeln für unser gemeinsames Handeln. Regeln, Regeln, Regeln. Und die müssen eingehalten werden", sagte er in Frankfurt. Er fügte hinzu: "Aber wir brauchen auch Klugheit und Intelligenz bei der Anwendung dieser Regeln." Man müsse ein richtiges Gleichgewicht von Haushaltskonsolidierung und neuem Wachstum finden.

IWF mahnt "rechtzeitiges politisches Handeln"

Der IWF mahnte ein "rechtzeitiges politisches Handeln" an, um ein Übergreifen der Griechenlandkrise auf andere Länder zu verhindern. In Griechenland selbst könne die Krise "viel schlimmere Auswirkungen" haben als angenommen. Am Vorabend hatte die IWF-Chefin Christine Lagarde erklärt, Griechenland sei nun in einer "akuten" Krise. Sie mahnte neben Reformen erneut eine Umstrukturierung der Schulden an, was Deutschland bisher ablehnt.

Die Grünen forderten für nächste Woche eine Sondersitzung des Bundestags zur Griechenlandkrise. Das gelte unabhängig vom Ergebnis des EU-Sondergipfels, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter.

ATHEN (dpa-AFX)

Bildquellen: vanHurck / Shutterstock.com, Michael Gottschalk/Photothek via Getty Images