Schweden beendet Experiment mit dem 6-Stunden-Arbeitstag

In Schweden mussten die Angestellten eines Seniorenpflegeheims seit 2015 nur noch sechs Stunden pro Tag arbeiten - bei gleicher Bezahlung. Nun hat die Regierung damit jedoch Schluss gemacht.
Schweden dürfte für viele Angestellte der Wunsch-Arbeitsort schlechthin sein. Denn das skandinavische Land ist geradezu besessen von der idealen Work-Life-Balance und experimentierte in den letzten Jahren verstärkt mit kürzeren Arbeitszeiten.
Ein Experiment sorgte dabei weltweit für besonderes Aufsehen: Im staatlichen Svartedalen-Altersheim in Göteborg arbeiteten 80 Pflegekräfte seit 2015 nur noch sechs Stunden pro Tag - bekamen dabei aber weiterhin ihr volles Gehalt. Das Projekt wurde von der Regierung unterstützt und sollte zeigen, welche Nutzen sich durch die verkürzten Arbeitszeiten ergeben. Nun wurde es jedoch beendet.
Kosten und Nutzen des Sechs-Stunden-Arbeitstages werden abgewogen
Von den betroffenen Pflegekräften gab es laut Informationen des "Guardian" nach vorläufigem Stand nur positive Rückmeldungen: Sie fühlten sich fitter, meldeten sich seltener krank und kümmerten sich auch besser um die Senioren. Zum Beispiel machten sie mit ihnen öfter einen Spaziergang oder engagierten sich bei anderen sozialen Aktivitäten wie zum Beispiel gemeinsamen Spielen. Die Hoffnung auf eine höhere Qualität der Arbeit und zufriedenere, motiviertere Mitarbeiter hat sich also offenbar erfüllt.
Es gibt mit dem Sechs-Stunden-Arbeitstag allerdings ein großes Problem: Er ist ziemlich teuer. "Bloomberg" schreibt, dass allein für das Experiment in dem Altenheim zusätzliche Kosten in Höhe von zwölf Millionen Kronen (1,26 Millionen Euro) angefallen sind, da unter anderem mehr Mitarbeiter eingestellt werden mussten, um eine kontinuierliche Pflege zu ermöglichen. Die Kosten würden daher schwerer wiegen als die Vorteile.
Sechs-Stunden-Arbeitstag hat aber auch Sparpotenzial
"Bloomberg" zitiert auch den Politiker Daniel Bernmar, der zur linken schwedischen Vänsterpartiet gehört. Auch er sagt, dass ein Sechs-Stunden-Arbeitstag "viel zu teuer ist, um eine allgemeine Kürzung der Arbeitszeiten in absehbarer Zeit durchzusetzen". Bernmar fordert daher mehr Studien, mit denen noch besser untersucht werden soll, ob ein kürzerer Arbeitstag nicht doch der Gesellschaft als Ganzes nutzen kann, zum Beispiel durch sinkende Kosten für Sozialleistungen wie Kranken- oder Arbeitslosengeld.
Dass der schwedische Staat das aktuelle Experiment nicht fortsetzen oder ausweiten will, liegt allerdings nicht an dem ungleichen Kosten-Nutzen-Verhältnis. Das Projekt "Sechs-Stunden-Tag" war in dem Seniorenheim von vornherein auf zwei Jahre befristet - und die endeten nun mit Beginn des Jahres 2017. Pläne, diesen Zeitraum zu verlängern, hätte es nie gegeben, sagte Bernmar gegenüber dem "Guardian". Für eine abschließende Bewertung des Experiments warte man jedoch noch auf die finalen Daten, die im März vorliegen sollen. Erst dann könne man wirklich sagen, ob die wirtschaftlichen Kosten eines kürzeren Arbeitstages wirklich schwerer wiegen als dessen Nutzen.
Schweden experimentierte schon früher mit kürzeren Arbeitszeiten
Nur weil das Experiment in dem Göteborger Altenheim nun beendet ist, heißt das aber nicht, dass Schweden den Sechs-Stunden-Arbeitstag komplett aufgibt. Bereits in den 1990ern hatte es nämlich entsprechende Experimente gegeben, die laut "BBC" zum Teil über viele Jahre liefen. Diese wurden zwar auch aus Kostengründen und wegen mangelnder Verwertbarkeit der Daten wieder eingestellt, das Scheitern dieser Projekte war aber offenbar kein Hindernis für das neue Experiment.
Auch zahlreiche schwedische Techunternehmen bieten ihren Mitarbeitern weiterhin einen Sechs-Stunden-Tag an. Zum Teil allerdings mit entsprechend reduzierter Bezahlung. So zum Beispiel der App-Entwickler Filimundus aus Stockholm. Laut Medienberichten hat der auch keine Pläne, zum alten Modell mit acht Stunden zurückzukehren.
Redaktion finanzen.net
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