Vollgeld - Keine Macht den Banken?
Was sind die Lehren aus der Krise der vergangenen Jahre, der überbordenden Spekulation mancher Hedgefonds, der zunehmenden Macht der Banken? Was taugen die Alternativvorschläge zu unserem Geldsystem?
von Lutz Hering, Gastautor von Euro am Sonntag
Nach diversen Liquiditäts- und Währungskrisen, spekulativen Übertreibungen und Pleiten, die beinahe den Crash des gesamten Finanzsystems zur Folge gehabt hätten, fragen sich immer mehr Menschen, wie man den Bankensektor endlich entschärfen kann. In akademischen Kreisen wird seit einiger Zeit ein altes Rezept heiß diskutiert, das in den 30er-Jahren bekannt wurde und heute unter dem Stichwort Vollgeld leicht verändert vorgestellt wird.
Irving Fisher ist einer der Begründer der Chicagoer Schule, einer monetaristischen Theorierichtung, die später die Reformen von Margaret Thatcher und Ronald Reagan motivierte. Zu seiner Zeit hatte Fisher - und mit ihm Milton Friedman - die Idee, nach den Wirren der Weltwirtschaftskrise das Geldsystem zu revolutionieren. Er schlug deswegen vor, den Banken zur Auflage zu machen, jedes Girokontoguthaben zu 100 Prozent mit hartem Geld - also mit Zentralbankguthaben oder baren Reserven - hinterlegen zu müssen. Die Banken würden Kredite dann nur noch vergeben können, wenn sie von der Zentralbank dazu mittels einer Überweisung befähigt würden. In einem solchen System, so Fisher, hätte die Zentralbank die Kontrolle über die Geldmenge sowie die Guthaben auf den Girokonten und sie könnte viel besser als im jetzigen System die Kreditschöpfung der Banken steuern. Investitions- und Nachfrageschwankungen würden geringer ausfallen, Banken wären besser kontrollierbar, und außerdem würde der Staat eine Menge verdienen, weil die Reserven, welche die Zentralbank den Banken zuweist, zu verzinsen sind (Seignorage).
IWF-Experten fordern indirekt
mehr staatliche Kontrolle
Das Konzept hört sich an, wie für heute gemacht. Viele Menschen möchten die Risiken des Bankensystems zurückgenommen wissen, sie wollen einen Beitrag der Finanzmärkte zu den Überschuldungsproblemen der Staaten, und sie möchten Bankenpleiten und Spekulationsblasen unwahrscheinlicher machen. Kein Wunder, dass das Vollgeld, das an Fishers Vorschlag anknüpft und nur eine strikt definierte Menge an Bankguthaben und Bargeld zulässt, neue Freunde gewinnt. Dazu gehört auch ein Teil der volkswirtschaftlichen Abteilung des Internationalen Währungsfonds, der eigentlich eher unverdächtig ist, mehr staatliche Kontrolle zu wollen. Vollgeld würde, so das Fazit einer Studie des IWF, das Wirtschaftswachstum anregen und Krisengefahren verringern.
Ich könnte jetzt leicht auf die Banken schimpfen, ihre Mitschuld an den Krisen des vergangenen Jahrzehnts beklagen und die unberechenbaren Risiken systemrelevanter Institute in Erinnerung rufen. Und natürlich bin ich als bankunabhängiger Vermögensverwalter für eine strikte Arbeitsteilung im Finanzsektor und beispielsweise skeptisch, wenn eine Bank auf dem Gebiet des Wealth Managements alles macht, die Beratung der Kunden, die Produktbereitstellung, den Handel und die Depotverwaltung. Aber noch mehr als den Banken misstraue ich als Ostdeutscher einer zu starken Regulierungsmacht des Staates.
Wer sagt, wie viel Kredite (Giralgeld) wir zulassen möchten? Kann der Staat die Geld- also Kreditmenge in einem Vollgeldsystem wirklich exakt steuern? Nein. Eine Zentralbank kann auch im Vollgeldsystem die Kreditmenge nicht nach Wunsch erhöhen und deswegen nicht mehr Nachfrage in der Krise schaffen, weil niemand gezwungen werden kann, einen Kredit zu nehmen. Sie kann nur die Kreditmenge begrenzen, das aber kann jede Regierung oder Zentralbank der Welt schon jetzt (und alle tun sich sehr schwer damit, die Zügel im Einzelfall wirklich anzuziehen und auf ein oder zwei Prozent Bruttoinlandsprodukt zu verzichten).
Vollgeld ergibt nur Sinn, wenn in Zukunft zwischen guten und schlechten Krediten unterschieden werden wird. Wer stellt die neue Kreditprüfungsbehörde zusammen? Wie viel Aufsicht ist notwendig, um die korrekte Vergabe zu gewährleisten. Selbstredend werden Kredite teurer (mindestens um die gesteigerten Zentralbankeinnahmen), und natürlich wird es eine ganze Armee von Anwälten und Steuerfachleuten geben, die nach Möglichkeiten suchen, die Spekulation mit Geld zu versorgen. Man kann am Euro und an der Art der Geldversorgung durch Zentralbanken, an der Giralgeldschöpfung der Banken, eine Menge aussetzen. Aber die Alternative sollte nicht schon im vorigen Jahrtausend unbrauchbar gewesen sein.
Zur Person
Lutz Hering,
Geschäftsführender Gesellschafter
der Vermögensverwaltung Damm, Rumpf, Hering
Lutz Hering hat in drei Geldsystemen gelebt, mit Ostmark, D-Mark und Euro bezahlt. Die Erfahrung mit einer vierten Alternative möchte
er sich und den Deutschen ersparen. Die Vermögensverwaltung Damm, Rumpf, Hering existiert seit 15 Jahren.
Das Unternehmen veranstaltet das mehrmals pro Jahr stattfindende Sächsische Finanzsymposium und den Dresdner Salon,
der schon Richard
von Weizsäcker,
Wolfgang Schäuble
und andere zu seinen
Gästen zählte.