Börsenspruch auf Prüfstand

"Sell in May and go away": Studie kommt zu erstaunlichen Ergebnissen

07.02.17 22:14 Uhr

"Sell in May and go away": Studie kommt zu erstaunlichen Ergebnissen | finanzen.net

Die Börsenweisheit "Sell in May and go away" ist wohl jedem Aktienanleger bekannt. Umstritten ist allerdings, ob sie auch zutrifft. Eine Studie hat nun untersucht, was wirklich dran ist.

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Sollte man seine Aktien vor dem Sommer verkaufen und erst im Herbst wieder an den Aktienmarkt zurückkehren? Dieses Vorgehen legt eine altbekannte Börsenweisheit nahe. Auch der fast ebenso bekannte Halloween-Effekt besagt, dass die Aktienkurse im Winter besser laufen. Anleger, die sich beim Handeln an ihm orientieren, kehren jedoch statt im September erst im November - also am Tag nach Halloween - wieder an den Markt zurück. Dann halten jedoch auch sie die Wertpapiere bis Ende April - und verkaufen sie im Mai wieder.

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Wenn es so viele Strategien gibt, die besagen, dass Aktien im Sommer schlechter performen als im Winter, dann muss da doch etwas dran sein, oder nicht? Diese Frage haben sich Wissenschaftler der australischen Universität von Queensland und der amerikanischen UC Berkeley gestellt und den US-Index Dow Jones mit seiner Entwicklung im Sommer und Winter zwischen Januar 1927 und Dezember 2015 ganz genau unter die Lupe genommen. Konzentriert haben sie sich dabei auf den Halloween-Effekt, da dieser das Jahr in zwei gleich lange Zeiträume von je sechs Monaten einteilt und die Daten somit leichter vergleichbar macht - ganz nach dem Motto: "Sell in May and go away, but remember to come back in November."

Wann die Börsenweisheit zutrifft - und wann nicht

In ihrer Studie, die Ende Januar veröffentlicht wurde, kamen die Wissenschaftler zu einem Ergebnis, das wohl viele Börsianer überraschen dürfte: Laut den Forschern gibt es in der überwiegenden Mehrzahl der Jahre nur einen so kleinen Unterschied zwischen der Entwicklung der Aktienmärkte in den sechs Monaten von November bis April und dem Zeitraum von Mai bis Oktober, dass dieser statistisch gesehen quasi gar nicht existiert. Speziell im Winter in den Aktienmarkt einzusteigen und im Sommer wieder auszusteigen ist somit nicht nötig. Die vermeintlichen Börsenindikatoren liegen also meist falsch - mit einer Ausnahme. Denn die Wissenschaftler konnten auch belegen, dass der Halloween-Effekt durchaus regelmäßig eintritt - und zwar immer in dem Jahr, bevor in den USA ein neuer Präsident gewählt wird.

Seit Beginn der Untersuchungsperiode im Jahr 1927 hätte der Aktienmarkt in den Wintermonaten vor einem Wahljahr - im Vergleich zum darauffolgenden Zeitraum Mai bis Oktober - immer eine deutliche Outperformance erzielt, so die Wissenschaftler. In jüngster Vergangenheit wäre dies der Zeitraum zwischen 1. November 2014 und 30. April 2015 gewesen, denn die Studienautoren haben eine etwas eigenwillige Zeitrechnung. Wie sie in ihrer Studie erklären, ging für sie das letzte Wahljahr von 1. November 2015 bis 31. Oktober 2016 und das Jahr vor der folgenschweren US-Wahl somit von 1. November 2014 bis 31. Oktober 2015. Hier hätte der Dow Jones auf annualisiert im Winter um 3,82 Prozent zugelegt, im darauffolgenden Sommer aber um 2,58 Prozent nachgegeben.
Entscheidender als die Jahreszählung der Forscher ist allerdings die von ihnen nachgewiesen Regelmäßigkeit des Halloween-Effekts alle vier Jahre, also zum nächsten Mal wohl ab 1. November 2018.

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Den Effekt gibt es weltweit

Um zu prüfen, ob sich dieser Zusammenhang zwischen der Performance des Aktienmarktes und der Zeit bis zur nächsten Wahl des US-Präsidenten nur auf die USA beschränkt oder weltweit zu beobachten ist, haben die Forscher auch die Aktienmärkte von Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Kanada, Japan, Australien und Singapur analysiert. Für den dabei untersuchten Zeitraum von 1973 bis 2015 kamen sie auch hier auf die gleichen Ergebnisse - ein signifikanter Performancevorsprung gegenüber dem Sommer ergab sich nur in den Wintern vor einem Wahljahr.

Da der Effekt nicht in jedem Jahr, dafür aber alle vier Jahre weltweit auftritt, schlossen die Forscher auch, dass er unabhängig vom Wetter und damit einhergehenden Konjunkturschwankungen sein muss. Wäre er es nicht, würde er jedes Jahr auftreten und außerdem wohl nicht in Australien und Singapur, wo in unseren Wintermonaten Sommer ist. Doch wie lässt sich ihre Erkenntnis dann erklären?

Forscher finden Zusammenhang, aber keine Erklärung

Eine wissenschaftlich belegte Erklärung für ihre Befunde liefern die Studienautoren leider nicht. Sie schließen auf Basis der erhobenen Daten zwar einige Faktoren wie das Wetter, die Parteizugehörigkeit des US-Präsidenten oder die Wahrscheinlichkeit eines Regierungswechsels aus, bieten aber nur eine Hypothese, die den Sachverhalt möglicherweise erklären könnte: Die politische Unsicherheit sei schuld.

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Laut einem Index, den die Universität von Chicago erstellt hat, ist die politische Unsicherheit in den Wintermonaten des Vorjahrs einer US-Wahl am höchsten. Das korreliert auch mit den Erträgen am Aktienmarkt. Wie genau aber der kausale Zusammenhang aussehen soll, lassen die Forscher offen. Weitere Untersuchungen rund um die Börsenweisheit sind also notwendig.

Redaktion finanzen.net

Bildquellen: Odua Images / Shutterstock.com, SergeyP / Shutterstock.com

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