Totalverlust droht: Varta soll dank Porsche & Co. gerettet werden - Aktie bricht ein
Der angeschlagene Batteriekonzern Varta hat sich mit Finanzgläubigern und Investoren auf ein Sanierungskonzept geeinigt.
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Beim Batteriekonzern Varta haben sich in den vergangenen Monaten die schlechten Nachrichten gehäuft: Hackerangriff auf die Produktion, fehlende Jahreszahlen, Abstieg aus der dritten Börsenliga, verpasste Umsatzziele. Beobachter konnten miterleben, wie das Traditionsunternehmen aus Ellwangen immer weiter in die Krise rutschte. Und das, obwohl Batterien als Zukunftsprodukte gelten.
Der Überlebenskampf scheint vorerst beendet. Am Wochenende verkündete das Unternehmen eine Einigung mit Finanzgläubigern und Investoren. Das Sanierungskonzept hält aber mehrere bittere Pillen bereit. Und es stellen sich Fragen: Wie geht es bei den Schwaben weiter? Und wie konnte es überhaupt so weit kommen?
Schuldenschnitt und Porsche-Einstieg als Rettung
Das Konzept sieht vor allem zwei Schritte vor: Ein Schuldenschnitt und die Verlängerung von Krediten soll die Verbindlichkeiten von fast einer halben Milliarde Euro auf 200 Millionen Euro verringern. Dann soll das Grundkapital der Varta AG auf null Euro herabgesetzt werden. Der Effekt: Die derzeitigen Aktionäre scheiden ohne Kompensation aus und der Konzern verliert seine Börsennotierung. Anlegervertreter kündigten bereits Widerstand an.
Neben einer Gesellschaft des bisherigen Mehrheitseigners Michael Tojner steigt danach auch der Stuttgarter Sportwagenbauer Porsche bei Varta ein. Beide lassen sich das je 30 Millionen Euro kosten. Von den Gläubigern kommen weitere 60 Millionen als Darlehen. Läuft alles wie geplant, soll das Vorhaben die Finanzierung der Varta AG bis Ende 2027 sichern. Der Batteriekonzern hatte das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren im Juli angemeldet.
Unternehmen mit langer Geschichte
Die Anfänge von Varta - der Name setzt sich aus den Anfangsbuchstaben von "Vertrieb, Aufladung, Reparatur transportabler Akkumulatoren" zusammen - reichen bis ins Jahr 1887 zurück. Bereits Forscher Fridtjof Nansen hatte Varta-Batterien bei einer Polar-Expedition dabei. Heute hat Varta nicht mehr viel mit der Gesellschaft gemein, die als Accumulatoren-Fabrik in Hagen gegründet wurde. Der Grund: Varta geriet schon in den 1990er Jahren in die Krise, wurde aufgespalten und stückweise verkauft.
Boom durch Batterien für kabellose Kopfhörer
Der Österreicher Tojner stieg 2007 ein. Er kaufte die Sparte für Mikrobatterien und brachte sie zehn Jahren später an die Börse. Tojner schien den richtigen Riecher gehabt zu haben: Der Börsengang galt als Erfolg. Getrieben wurde die Entwicklung hauptsächlich von der rasant steigenden Nachfrage nach wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Batterien - zum Beispiel für kabellose Kopfhörer und Smartwatches.
2019 kaufte Varta auch den Geschäftsbereich Haushaltsbatterien zurück. Innerhalb weniger Jahre vervierfachte der Konzern den Erlös nahezu. Um die Produktion zu erweitern, wurden Millionen investiert - und Schulden aufgenommen. In dieser Zeit stiegen die Schwaben auch in die Entwicklung von Batteriezellen für E-Autos ein.
Vom Hoffnungsträger zum Sanierungsfall
2022 zeigten sich erste Risse im Bild: Varta hatte sich offenkundig zu sehr von einem seiner Hauptkunden - Apple - abhängig gemacht. Das US-Unternehmen hatte die Batterien aus Ellwangen damals in seinen kabellosen Ohrhörern verbaut. Als sich Apple einen weiteren Zulieferer suchte, geriet das Geschäft unter Druck. Der damalige Varta-Chef Herbert Schein kassierte die Umsatz- und Gewinnziele - und trat wenig später zurück.
In der Zeit danach versetzte die weltweite Wirtschaftsflaute und die hohe Teuerung der Unterhaltungselektronik einen Schlag. Die Nachfrage nach den kleinen Batterien ebbte ab. Die Konkurrenz aus Fernost und Probleme in der Lieferkette machten Varta zusätzlich zu schaffen.
E-Auto-Batterie in der Nische
Hinzu kam, dass die E-Auto-Batterie von Varta ein Nischenprodukt blieb. Die Batterie ist für Hybridfahrzeuge gedacht und kann nur wenig Strom speichern. Sie speichert Energie, die während der Fahrt erzeugt wird, zum Beispiel beim Bremsen. Damit wird ein E-Motor angetrieben, der den Verbrenner unterstützt.
Die Varta-Führung bekundete zwar immer wieder, dass es viele Interessenten gebe. Einziger bekannter Kunde ist aber Porsche. Die Zuffenhausener wollen aus diesem Grund auch die Varta-Tochtergesellschaft V4Drive Battery mehrheitlich übernehmen. Porsche braucht die Batterien dringend für den Hybrid-Antrieb des Porsche 911 Carrera GTS.
Tojner: "Wir haben die Latte zu hoch gelegt"
Operative Schwierigkeiten, hohe Schulden, tiefrote Zahlen - Varta schlitterte in der Folge immer weiter in die Krise. Beschäftigte mussten in Kurzarbeit, später wurden Hunderte Stellen gestrichen. Zu allem Überfluss legte im Frühjahr ein Hackerangriff die Produktion an den deutschen Standorten lahm.
Arbeitnehmer- und Aktionärsvertreter machen vor allem Managementfehler für die Misere verantwortlich. Auch Tojner, der Aufsichtsratschef von Varta ist, gab sich in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" kürzlich selbstkritisch: "Wir haben die Latte zu hoch gelegt. Wir haben verschiedene Projekte gestartet, groß investiert, die Produktion ausgebaut."
Es sei zu viel Geld zu leichtfertig investiert worden, sagte Tojner. Bis der Absturz gekommen sei - wegen mangelnder Risikoeinschätzung und Überlastung der Organisation. "Im Nachhinein muss sich der Aufsichtsrat mit mir an der Spitze aber auch Fehler eingestehen. Ich hätte viel früher auf nachhaltigen Risikoanalysen bestehen müssen", gestand er ein.
Wie geht es weiter?
Varta will an allen Standorten in Deutschland festhalten. In der Verwaltung wird es einem Sprecher zufolge einen moderaten Stellenabbau geben. In der Produktion würden jedoch Arbeitskräfte gesucht. Was das am Ende für die Mitarbeiterzahl - aktuell arbeiten bei Varta rund 4.000 Menschen - bedeute, sei noch nicht abzusehen.
Die Einigung muss in den kommenden Wochen dokumentiert und beim Sanierungsgericht eingereicht werden. Dafür müssten die Gremien der beteiligten Parteien zustimmen und das Bundeskartellamt grünes Licht geben. Bis das Konzept final stehe, vergehen voraussichtlich Monate. Man hoffe, dass der Prozess noch in diesem Jahr abgeschlossen werde, hieß es.
Aktionäre reagieren entsetzt
Ein für die Aktionäre schmerzlicher Sanierungsplan für Varta hat die Aktien des Batteriekonzerns am Montag einbrechen lassen. Der Aktienkurs stürzte bis auf 0,76 Euro ab; Schlussendlich notierten die Varta-Papiere via XETRA mit 2,13 Euro noch 45,09 Prozent im Minus. Den Anteilseignern droht ein Totalverlust.
So sollen zunächst ein Schuldenschnitt und die Verlängerung von Krediten die bisherigen Verbindlichkeiten von fast einer halben Milliarde Euro auf 200 Millionen Euro verringern, um das Unternehmen finanziell wieder besser aufzustellen. Daneben allerdings soll das Grundkapital der Varta AG auf null Euro herabgesetzt werden. Der Effekt: Die derzeitigen Aktionäre scheiden kompensationslos aus und der Konzern verliert seine Börsennotierung.
Als neue Gesellschafter sollen unmittelbar im Anschluss an den Kapitalschnitt eine vom Varta-Mehrheitseigner Michael Tojner kontrollierte Gesellschaft (MT InvestCo) sowie einer Beteiligungsgesellschaft des Sportwagenherstellers Porsche mit jeweils 30 Millionen Euro einsteigen.
Für Minderheitsaktionäre dürfte es hier kaum etwas zu holen geben, schreibt Analyst Thomas Wissler von MWB Research in einer Studie. Er bleibt bei einem Kursziel von 0 Euro und entsprechend auch bei einem Verkaufsvotum. Er verwies dabei aber auch auf die Bemühungen der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, die Kleinaktionäre aufruft, ihre Kräfte zu bündeln.
So hatte es von der DSW bereits in der vergangenen Woche scharfe Kritik am erwarteten Sanierungskonzept gegeben und dabei geheißen, "gemeinsam mit dem Restrukturierungsberater One Square Advisors sowie den Anwaltskanzleien Nieding+Barth und K&L Gates ruft die DSW betroffene Aktionäre weiter auf, sich gegen die geplante Enteignung zu wehren".
Die Angst vor einem Totalausfall hatte den Aktienkurs bereits im Juli abstürzen lassen. Von gut 10 Euro war es binnen weniger Tage auf weniger als 1,50 Euro nach unten gegangen. Eine vage Hoffnung, dass es vielleicht doch nicht so schlimm kommen wird, hatte zuletzt dann für eine kleine Erholung gesorgt. Damit ist es nun aber vorbei.
Varta war 2017 für 17,50 Euro je Aktie an die Börse gebracht worden und war lange Zeit gefragt. Anfang 2021 war der Kurs - auch wegen des boomenden Geschäfts mit kleinen Akkus etwa für kabellose Kopfhörer - bis auf 181,30 Euro gestiegen. Seither geht es abwärts.
/mis/brd/DP/mis
ELLWANGEN / FRANKFURT (dpa-AFX)
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