Die Deutschen und die Aktie – immer wieder vergebene Chancen

Es naht die Hauptversammlungssaison in großen Schritten und angesichts der Rekordgewinne vieler DAX-Konzerne ...
... freuen sich die Aktionäre in diesem Jahr besonders auf das alljährliche Aktionärstreffen. Die Chancen stehen gut, dass dann die Rekordsumme von 27,5 Mrd. Euro zur Ausschüttung kommen – entsprechende Berechnungen hat zumindest die EuramS getätigt.
Einen ersten Vorgeschmack wie erfolgreich das vergangene Geschäftsjahr war, erfahren derzeit die Mitarbeiter in der Automobilindustrie. Mit Prämien in Höhe eines Vielfachen Monatsgehalts bringen Deutschlands Autobauer ihre Wertschätzung zum Ausdruck. Für viele Arbeitnehmer dürfte der Bonus aber die einzige Partizipation am Erfolg der deutschen Wirtschaft sein, denn Aktionär sind nach wie vor die wenigsten. Laut Deutschem Aktieninstitut waren 2011 knapp 8,5 Millionen Deutsche Aktien- bzw. Aktienfondsbesitzer. Zum Vergleich dazu: Der Rekordwert lag im Jahr 2001 bei über 12,8 Millionen.
Als Gründe warum die Deutschen Aktienmuffel sind, wird ja immer wieder die Internetblase 2000 angeführt. Dass das nach zehn Jahren eigentlich verjährt sein dürfte und sich die Welt inzwischen weiter gedreht hat, ist eigentlich offensichtlich. Wenn jeder, der einmal einen Unfall hatte, nicht mehr Auto fahren würde, wären die Straßen leer. Stattdessen sind diese voll. Nur im Finanzbereich fehlt dem Deutschen das nötige Grundvertrauen in seine eigenen Fähigkeiten. So kauft man ohne Probleme Elektronikgeräte oder Autos. Im Vorfeld setzt man sich sehr detailliert mit den vielen Möglichkeiten auseinander und vergleicht. Nur in finanziellen Fragen vertraut man vermeintlichen Beratern und nicht dem eigenen Verstand. Oder man hat Angst vom Umfeld sofort als Kapitalist hingestellt zu werden und die sind ja schließlich das Übel der Welt.
In den nun anstehenden Tarifverhandlungen dürfte wieder einmal das Thema Mitarbeiterbeteiligung nicht oder nur rudimentär angesprochen werden. Dabei ist die Beteiligung über Aktien die beste Altersvorsorge, die man machen kann. Die allgemeine Rentendiskussion macht es ja immer wieder deutlich: So richtig zukunftssicher ist da nichts. Einfach das Renteneintrittsalter heraufzusetzen bringt am Ende zwar vielleicht wirklich mehr gesetzliche Rente, wenn man bis zum Ende durchhält und so zwei Jahre länger als bisher Ansprüche sammelt. Das berühmte Einzahlen in die Rentenkasse findet nämlich nicht statt – aber auch das dürfte sich inzwischen weitgehend herumgesprochen haben.
Was also tun? Entweder man sucht sich eine Handvoll dividendenstarker und solider Aktien heraus und baut Jahr für Jahr Positionen auf, oder man entscheidet sich für einen Fonds-Sparplan. Dabei sind sowohl ETF-Sparpläne, also Indexfonds, genauso denkbar, wie gemanagte Fonds. An welcher Benchmark oder Index sich die Fonds orientieren ist Geschmackssache. Der eine mag eher die boomenden Wirtschaften Asiens, der andere setzt auf europäische Blue Chips, wieder ein anderer sieht seine Chancen eher in Nebenwerten. Hauptsache man trifft seine Entscheidung für sich gut begründet und wirft sie nicht alle paar Monate um.
Wichtig ist auch seine Anlage nicht immer nur nach den Empfehlungen seiner Bank zu richten. In der Regel haben die Berater nur einen winzigen Wissenssprung vor dem Kunden, den man durch die Lektüre entsprechender Print- und Onlineprodukte rasch zunichtemachen kann. Wenn jetzt der Einwand kommt: Warum denn nicht eine Rentenversicherung abschließen? Die kümmern sich doch um alles und da weiß man doch was man kriegt… zum Einen weiß man in den seltensten Fällen wirklich, was am Ende herauskommt. Die genannten Garantiewerte sollen ja in der Regel übertroffen werden, um wie viel bleibt aber offen – als Kalkulationsgrundlage kann das also nicht gelten. Und wer sich mit Beginn des Ruhestands wirklich um nichts mehr kümmern möchte (obwohl man dann doch so viel Zeit hat) kann seine Anteile immer noch verkaufen und den Betrag von einer Versicherung lebenslang in monatlichen Renten auszahlen lassen. Dabei wäre dann auch das beliebte Langlebigkeitsrisiko abgesichert, das ja immer als Argument herhalten muss.
Am Ende wird es aber wieder ganz anders kommen. Die Aktienquote der deutschen Anleger wird auch im Jahr 2012 trotz Rekordjahresauftakt im DAX auf dem niedrigen Niveau der vergangenen Jahre bleiben. Die absehbare mittel- und langfristige Rallye an den Aktienmärkten wird wohl weiterhin kritisch beäugt – mehr nicht. Der Grund warum die Märkte fast zwangsläufig nach oben gehen werden, liegt in den unzähligen Rettungsmilliarden, die von den Notenbanken ins System gepumpt wurden und wohl auch weiter werden. Sicherlich geht die Entwicklung der ersten drei Monate nicht unverändert so weiter. Eine erste Korrektur dürfte in den kommenden Wochen für Unruhe sorgen. Aber spätestens nach dem Sommer dürfte die Rallye mit ordentlichem Schwung weiter gehen. Bis dahin könnte man sich die eine oder andere Aktie en Detail anschauen und den Umgang mit Depot, Limit und Co. aneignen.
Marc O. Schmidt schreibt für dieboersenblogger.de, das einfache und direkte Sprachrohr von Journalisten und deren Kollegen, die teils schon mit jahrzehnterlanger Arbeits- und Börsenerfahrung aufwarten können. Auch als professionelle Marktteilnehmer und natürlich als Börsenfans. In ihrem Blog vertreten sie eine ganz simple Philosophie: Sie schreiben unabhängig von irgendwelchen Analysten, Bankexperten oder Gurus, was sie zum aktuellen (Börsen-)Geschehen denken.
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