Halvers Kapitalmarkt-Monitor Robert Halver

Deutschland, leider kein Sommermärchen

29.08.25 11:38 Uhr

Deutschland, leider kein Sommermärchen | finanzen.net

Trotz besserer Geschäftserwartungen gemäß ifo Institut bleibt die Konjunkturlage in Deutschland bedenklich schwach.

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Obwohl es mittlerweile Zollvereinbarungen gibt, halten sich die Handelsrisiken hartnäckig und der buchstäbliche deutsche Reformstau lähmt den Aufschwung wie Blei. Das bringt auch die in diesem Jahr imposante deutsche Börsen-Rallye ins Stottern. Wie sind die weiteren Aussichten für deutsche Aktien?

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Zwar haben sich die ifo Geschäftserwartungen zum fünften Mal in Folge auf den höchsten Stand seit Februar 2022 aufgehellt. Historisch betrachtet haben aufgehellte Visionen stets zu einer nachfolgenden Verbesserung der tatsächlichen Lage geführt. Bislang jedoch bleibt die Konjunkturrealität weit hinter den -erwartungen zurück. Die Stimmung ist besser als die Lage. Umgekehrt wäre besser. Die deutsche Wirtschaft bleibt in der Stagnation gefangen mit Hang zur Rezession.

Tatsächlich fällt der exportsensitiven deutschen Wirtschaft die Umstellung auf die neue Handels-Welt schwer. Zudem tritt China auf den Weltmärkten wegen Überproduktion und daher dringendem Exportdruck, gepaart mit rasant wachsendem Industrie-Know How, immer mehr in Konkurrenz zu deutschen Unternehmen. Asiatische Länder bauen mittlerweile auch solide Autos, allerdings zu einem deutlich günstigeren Preis.

Sicherlich fallen US-Zölle mit 15 Prozent geringer aus als befürchtet. Dennoch verliert damit der von Deutschland aus belieferte US-Markt an Wirtschaftlichkeit. Ohnehin sind diese 15 Prozent noch nicht in Stein gemeißelt. Als Gegenleistung muss die EU ihre Zölle auf US-Industrieprodukte, was einseitig geschäftsschädigend für EU-Unternehmen ist, komplett abschaffen. Ebenso droht der US-Präsident mit weiteren Zöllen für den Fall einer europäischen Digitalsteuer.

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Nicht verwunderlich zeigen sich die ifo Exporterwartungen insgesamt eingetrübt.

Vor diesem Hintergrund lassen weitere Aufhellungen am deutschen Industriestandort auf sich warten. Ingenieure, die früher nach ihrer Ausbildung noch mit dem Lasso von Arbeitgebern eingefangen wurden, spüren mittlerweile auch schwierigere Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt. Auch die Erholung bei Dienstleistern und im Handel gerät angesichts der binnenkonjunkturellen Schwäche ins Stocken. Allenfalls zeigt sich der Bau in Erwartungen des "Bau-Turbos" sowie von Positiveffekten der staatlichen Infrastrukturausgaben zuversichtlicher.

Wann kommt nach der ernüchternden Wirtschafts-Diagnose endlich die wirksame Reform-Therapie?

Die von der Regierung geplante Fiskal-Bazooka ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Zu lange lag Deutschland im infrastrukturellen Dornröschenschlaf. Aber um massive Wirkung zu erzielen, sozusagen "wachgeküsst" zu werden, müssen die finanziellen Mittel mit Verbesserungen der Rahmenbedingungen des deutschen Wirtschaftsstandorts einhergehen. Nur mit Steigerung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit bleiben bzw. investieren Unternehmen hier. Mit Steuererhöhungen für Mittelständler wird aber genau das Gegenteil erreicht.

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Die Beseitigung langer Genehmigungsverfahren, des Innovationsstaus, der schleppenden Digitalisierung der Verwaltung sowie die Effizienzsteigerung öffentlicher Haushalte, die Bereitstellung bezahlbarer Energiekosten und die Verfolgung des Leistungsprinzips werden als wirtschaftliches "Glaubensbekenntnisses" zwar inflationär wie das Amen in der Kirche benannt. Doch bleibt die Umsetzung bislang aus. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.

In puncto Energiekosten sind leider auch die Vorgaben aus der EU wenig wirtschaftsfördernd. Denn die von Berlin geplanten Industriestrompreis-Subventionen für die Industrie sollen nur begrenzt gelten und auf drei Jahre befristet werden. Außerdem müssen im Gegenzug Investitionen in grüne Technologie erfolgen.

Grundsätzlich muss im "Herbst der Reformen" der Strukturbruch erfolgen, der sicher zuerst Schmerzen verursacht, aber längerfristig zu höheren Wachstumsraten führt. Aber wie wahrscheinlich ist dieser Quantensprung für Regierungsparteien, die mit Blick auf Umfragen Angst vor der eigenen Courage haben? Von Berliner Kuhhandel ist Abstand zu nehmen, der nur die politische Hygiene bewahrt, dem Aufschwung aber nicht hilft. Erst das Land, dann die Partei.

Bleibt es beim Status quo, dürfte die Konjunkturbelebung in den kommenden Quartalen trotz expansiver Finanzpolitik bestenfalls verhalten ausfallen.

Deutsche Aktien aus der zweiten Reihe im Fokus

Dieser Hintergrund mag ad hoc keine Empfehlung für deutsche Aktien sein, vor allem nicht für jene aus der zweiten und dritten Reihe, deren Gewinne - auf den MDAX bezogen - zu rund 30 Prozent aus dem Inland stammen. Bei den DAX-Konzernen sind es 18 Prozent. Dennoch profitieren sie von staatlichen Infrastrukturausgaben sowie von den vergangenen Zinssenkungen der EZB, die ihre Refinanzierung erleichtern. Eine weitere Senkung um 0,25 Prozentpunkte im Herbst kommt hinzu. Zudem spielt die deutsche Automobilbranche, die Handelsbeschränkungen ausgesetzt ist, in den Mittelstands-Aktienindizes eine geringere Rolle als im großen DAX.

Überhaupt denken selbst kleinere Aktiengesellschaften über verstärkte Auslandsverlagerungen nach, wenn sich die Strukturbedingungen im Inland nicht umfänglich zum Besseren wenden. Unabhängig davon, wie sie zu Trump stehen, zählt für sie der wirtschaftliche Erfolg. Selbst wenn dieser in den USA erzielt wird, kommt es ihren Aktienkursen dennoch zugute.

Die seit Herbst letzten Jahres beobachtete Stabilisierung der Gewinnentwicklung im MDAX im Vergleich zum DAX dürfte sich perspektivisch insgesamt fortsetzen. Das begünstigt ein Auslaufen der langjährigen Underperformance von MDAX gegenüber DAX.

Ohnehin liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis von deutschen Aktien aus der zweiten Reihe mit gut 20 Prozent unterhalb des Durchschnittswerts der vergangenen 10 Jahre. Im Gegensatz dazu ist der DAX aktuell gut 15 Prozent teurer bewertet.

Dennoch bleiben konjunkturelle und zollbedingte Unsicherheiten bestehen. Der Anlegerfokus sollte daher auf Value-Werten liegen.

Marktlage - Geldpolitik als Aufheller

Die sich immer mal wieder verschärfende Zoll-Rhetorik Trumps - wie z.B. zuletzt gegenüber Indien - sorgt zwischendurch für Irritationen. Was aber weltwirtschaftlich zählt, ist die weitere Stabilisierung im Handelskonflikt mit China und der EU. Die Kraft des Faktischen, die real existierenden Abhängigkeiten zwischen China und den USA, lassen keine großen Zollkonflikte zu.

Positiv blicken die Börsen auf die Fed. Jerome Powell nutzt die Abschwächung am US-Arbeitsmarkt als Alibi, um eine Zinssenkung um 25 Basispunkte im September in Aussicht zu stellen. Inflationsbedenken spielt er mit vermuteten Einmal-Effekten der Zölle herunter. Trumps politischer Druck auf die US-Notenbank zeigt offensichtlich Wirkung.

Auch perspektivisch stehen die Zeichen auf weiterer Zinsentspannung. Hintergrund sind u.a. Trumps Betrugsvorwürfe gegen eine Fed-Gouverneurin. Sollte sie die Fed verlassen müssen, könnte US-Präsident Trump die Mehrheitsverhältnisse im siebenköpfigen Führungsgremium der Fed mit vier ihm genehmen Mitgliedern verschieben. Da dieses Gremium im Februar 2026 über die Besetzung der regionalen Notenbankchefs entscheidet, könnten dort ebenfalls personelle Veränderungen erfolgen. Dann wäre das zwölfköpfige Entscheidungsgremium der Fed (Federal Open Market Committee) dann zu Gunsten einer lockeren Geldpolitik umgestaltet.

Allerdings könnte dies ernsthafte Zweifel an der Unabhängigkeit der US-Notenbank hervorrufen. Der US-Dollar geriete weiter unter Druck und die Renditen von US-Staatsanleihen stiegen. Ein schwächerer Dollar ist aber das erklärte Ziel der US-Regierung. Und da eine erhöhte Zinslast aufgrund der Verschuldung Amerikas kaum zu ertragen ist, wären in einem solchen Szenario erneute Anleihekäufe der Fed möglich.

Das aktuelle Szenario geringer Kursschwankungen bei amerikanischen Staatsanleihen, das stabilisierend auf US-Aktienmärkte wirkt, bliebe so erhalten.

Begünstigt hiervon sind u.a. US-Tech-Aktien. Zwar schleichen sich allmählich wieder Bedenken wegen zu hohen Bewertungen ein. Gepaart mit Sorgen wegen vermeintlicher US-Exportbeschränkungen von Hochtechnologie nach China kommt es daher vereinzelt trotz ansonsten starker Quartalsergebnisse und freundlichen Ausblicken zwischenzeitlich zu nervösen Rücksetzern.

Doch auch wenn Tech-Aktien aktuell keine Schnäppchen mehr darstellen, sind sie im Vergleich zum US-Aktienmarkt insgesamt weit entfernt von ihren relativen Bewertungshochs aus dem Sommer 2024.

Ohnehin sind die Entwicklungen rund um das Thema KI noch lange nicht am Ende. Die stetige Integration von Künstlicher Intelligenz in den Alltag der Unternehmen und bei Privaten belegt eindrucksvoll, dass das gewaltige Wachstumspotenzial nicht annähernd ausgeschöpft ist. Doch dürfte der KI-Boom den Anlegerfokus in Richtung der Tech-Aktien aus der zweiten Reihe lenken. Während bisher vor allem große Unternehmen profitiert haben, die die Infrastruktur bereitstellen, wird der Fokus stärker auf kleinere Unternehmen fallen, die anwendungsorientiert sind: Generative-KI-Anwendungen sowie Software zur Datenverarbeitung und zur IT-Sicherheit.

Krypto-Anlagen wie Bitcoin und Ether gönnen sich nach ihren jüngsten Allzeithochs zunächst eine Verschnaufpause. Langfristig positiv ist jedoch sicherlich, dass der Ethereum-Blockchain als Basis rund um das Wachstumsfeld der Stablecoins - an den Dollar gekoppelte Kryptowährungen - eine zentrale Funktion zukommt. Denn nachdem der GENIUS Act der US-Regierung hier regulatorische Klarheit geschaffen hat, planen viele Unternehmen bereits die Herausgabe eigener Coins als Zahlungssystem. Schätzungen von US-Finanzminister Bessent zufolge könnte der Stablecoin-Markt bis 2030 auf ein Volumen von 3,7 Bill. US-Dollar von aktuell 277 Mrd. anwachsen.

Gleichzeitig öffnet die US-Regierung Krypto-Anlagen als Option zur betrieblichen Altersvorsorge. Schätzungen zufolge könnte schon eine geringe Allokation von nur einem Prozent der US-Pensionsgelder in Bitcoin Zuflüsse von rund 168 Mrd. US-Dollar auslösen. Dies würde dem Markt langfristig spürbare Impulse verleihen und die Akzeptanz digitaler Vermögenswerte als etabliertes Finanzinstrument weiter stärken.

Ohnehin erfährt Bitcoin angesichts der Unsicherheiten in puncto Geo-, Handels- und US-Fiskalpolitik Zuspruch als vermeintlich sicherer Anlagehafen. Dennoch, aufgrund der zu anderen Anlageklassen erschwerten Einschätzbarkeit sollten Kryptos weiterhin eher als Depotbeimischung dienen.

Sentiment und Charttechnik DAX - Luft holen

Die Sentiment-Indikatoren deuten kurzfristig nicht auf großes Drohpotenzial für die richtungsgebenden US-Aktienmärkte hin. Der von CNN Business veröffentlichte Fear & Greed Index bewegt sich moderat im Bereich der "Gier" und zeigt insofern keine drohenden Kurseinbrüche an. Im aktuellen Umfeld bleibt die Börsenverfassung jedoch zunächst schwankungsanfällig. Die unsichere Gemengelage muss sich zunächst festigen.

Doch spricht eine weiterhin überdurchschnittlich hohe Investitionsquote von US-Fondsmanagern dafür, dass smart money die bekannten Risiken bereits eingepreist hat.

Charttechnisch liegen im DAX die nächsten Widerstände an den Marken von 24.066, 24.082 und 24.155 Punkten. Darüber liegen weitere Barrieren bei 24.175 und 24.400. Unterstützungen liegen zunächst bei 23.975, 23.958 und 23.950. Darunter befinden sich die nächsten Haltelinien bei 23.700, 23.475 sowie 23.420 Punkten.

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Nach Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums begann Robert Halver seinen beruflichen Werdegang zunächst als Wertpapieranalyst bei der Sparkasse Essen. Anschließend arbeitete er als Analyst und Aktienstratege bei der Privatbank Delbrück & Co in Frankfurt.

2001 wechselte Robert Halver zur Schweizer Privatbank Vontobel. Sein Aufgabenschwerpunkt war die Formulierung der Anlagestrategie der Vontobel Gruppe in Deutschland.

Seit 2008 leitet Herr Halver die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG in Frankfurt. In dieser Funktion ist er auch für die Außendarstellung der Baader Bank tätig.
Robert Halver ist durch regelmäßige Medienauftritte, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen und als Kolumnist präsent.

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