Vermögensverwalter-Kolumne

Klein vs. Groß - welche Aktien schlagen sich 2026 besser?

09.10.25 13:31 Uhr

Klein vs. Groß - welche Aktien schlagen sich 2026 besser? | finanzen.net

Zinsen, Inflation & geopolitische Spannungen machen 2026 zum Jahr der Differenzierung. Mittelständische Anleger fragen sich: Stabilität globaler Konzerne oder Chancen kleinerer Innovatoren? Aus meiner Sicht wird es - wie so häufig - kein Selbstläufer werden, weder für die Großen noch für die Kleinen.

Weltweit wird 2026 nur ein moderates Wachstum erwartet. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet mit knapp drei Prozent globalem BIP-Wachstum, für Deutschland sagt die Bundesbank rund 0,5 Prozent Zuwachs voraus. Die Inflation nähert sich somit dem EZB-Zil von 2%, Zinsen bleiben jedoch höher als in den Nullzinsjahren. Kredite kosten wieder Prämien und Investitionen müssen sich daher rechnen.

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Gleichzeitig verschärfen Handelskonflikte und geopolitische Krisen die Planungssicherheit. Reshoring, neue Zölle und Subventionswettläufe verändern Lieferketten. Energie- und Klimapolitik erzeugen zusätzliche Kosten, aber auch Chancen. In den vergangenen Monaten haben wir gesehen, dass Anleger sich vor allem an Wachstumsunternehmen orientiert haben. Sicherlich auch zum einen aus Angst etwas verpassen zu können (Stichwort FOMO). In den vor uns liegenden Monaten werden meines Erachtens nach vor allem Qualitätsunternehmen in den Fokus rücken, da die Fantasie bei Wachstumsunternehmen an seine Grenzen gelangt. Wer investiert sollte also Geschäftsmodell, Bilanz und Resilienz der Unternehmen prüfen - nicht nur die Größe.

Stärken der Großen: Stabilität, Skaleneffekte, Kapitalzugang

Global aufgestellte Konzerne punkten mit Diversifikation, günstiger Finanzierung und planbaren Cashflows. Ihre Ausschüttungen bieten Sicherheit und bei Lieferketten haben sie Alternativen und zusätzlich einen gewissen politischen Hebel. Viel DAX-Schwergewichte verfügen über Netto-Cash-Bestände in Milliardenhöhe und können in Schwächephasen zu günstigen Bewertungen zukaufen. Sie profitieren von Skaleneffekten in Einkauf, Produktion und Forschung. Wer also global vernetzt ist, kann Krisen besser abfedern. Für Anleger sind Large Caps die defensivere Wahl - aber nicht automatische billig. Mega-Caps sind nach starken Jahren hoch bewertet, was künftigere Renditeerwartungen dämpfen kann. Hinzu kommt: Größere Organisationen reagieren oftmals träger auf disruptive Technologien.

Potenzial der Kleinen: Nischen, Tempo, Reaktionsgeschwindigkeit und Bewertungshebel

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Kleine und mittlere Unternehmen glänzen mit Innovationen, Spezialisierung und schnellen Entscheidungen. So können sie dynamischer auf sich ändernde Marktgegebenheiten reagieren und sich anpassen. Sie besetzen Nischen - von Maschinenbau über Spezialchemie bis Green Tech - oft früher und fokussierter. In Aufschwüngen erweist sich dies als Wettbewerbsvorteil und Unternehmen legen überproportional zu. Nach Jahren relativer Schwäche sind viele günstiger bewertet: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis europäischer Small Caps liegt derzeit deutlich unter dem historischen Median. Doch kein Vorteil ohne Nachteil: höhere Volatilität, geringere Liquidität und stärkere Abhängigkeit von Banken gehören bei Small- und Midcaps dazu. Wer hier also investieren möchte, sollte Bilanzen, Cashflows und Marktstellung kritisch prüfen.

Strategien: Balance statt Dogma

Es gibt kein universelles "Klein ist besser" oder "Groß ist sicherer". Entscheidend sind Risikoneigung, Anlagehorizont und Liquiditätsbedarf.

- Kurzfristig (1 bis 3 Jahre: Schwerpunkt LargeCaps mit Dividendenfokus (z.B. 60-80%), kleine Beimischung Small/Midcaps, Rest Cash zur Felxibilität

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- Mittelfristig (3 bis 7 Jahre): Etwa halbe-halbe zwischen Large und Small/Midcaps, aktiv selektiert, 25 bis 35 Prozent Small/Midcaps können die Rendite steigern, wenn Wachstum anspringt

- Langfristig (7plus Jahre): Größerer Anteil Small/Midcaps mit Innovationspotenzial (bis 45 Prozent), Large Caps als Stabilisator

Breite ETFs senken hierbei Kosten, aktive Manager helfen jedoch bei Nischen. Bei LargeCaps sollten Anleger auf Qualität und niedrige Verschuldung achten, bei SmallCaps auf Bilanzstärke, Gewinnrevisionen und Branchenstruktur. Es empfiehlt sich die Liquidität so zu steuern, dass man in Stressphasen nicht verkaufen muss.

Wann Small, wann Large?

SmallCaps haben Vorteile, wenn Zinssenkungen klar sind, Wachstum anzieht und Nischeninnovationen gefragt sind. LargeCaps sind stärker, wenn Märkte volatil bleiben, Realzinsen hoch sind und Anleger laufende Erträge abzielen. Historisch haben Small Caps in Aufschwungphasen 2 bis 3 Jahre lang oft zweistellige Überrenditen erzielt - danach flacht der Vorsprung ab.

Fazit: Hybride Haltung als beste Wette

2026 belohnt weniger das Dogma "klein" oder "groß" als die Fähigkeit, das Umfeld zu lesen. Wer investiert, sollte beides im Blick haben: stabile, diversifizierte LargeCaps als Fundament und ausgewählte Small- und Mid-Caps als Renditetreiber. Qualität, Bilanzstärke und Bewertungsdisziplin zählen mehr als Marktkapitalisierung. Kurzum: Nicht die Größe entscheidet, sondern wer im neuen Umfeld seine Stärken am besten ausspielt.

Hierbei sehe ich drei entscheidende Fragen aus Anlegersicht, welche in die eigene Entscheidungsfindung fließen sollten:

1. Wie sicher ist mein Liquiditätsbedarf in den nächsten 3 Jahren?

2. Welche Small Caps haben echte Nischenführerschaft und solide Bilanzen?

3. Bin ich bereit, mein Portfolio regelmäßig zu rebalancieren?

von Ortay Gelen, Vermögensverwalter der AXIA Asset Management GmbH in Dortmund

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Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.