Börsenexperte Schriek: "Zuerst Sport treiben und danach traden"
Nicht Börsenwissen oder charttechnisches Know-how entscheiden nach Ansicht des Finanzcoachs Raimund Schriek über Erfolg oder Misserfolg beim Traden, sondern vielmehr Persönlichkeit und Gefühle des Anlegers.
von Emmeran Eder, Euro am Sonntag
Nicht nur auf eine gute Strategie, sondern vor allem auf den Charakter komme es beim erfolgreichen Handeln mit Contracts for Difference (CFD) an, sagt Finanzcoach Raimund Schriek. Daher fährt er bei der Ausbildung von Tradern einen ungewöhnlichen Ansatz: Im Vordergrund stehen nicht Trendlinien, Kurven oder Widerstände, sondern die Persönlichkeitsentwicklung.
€uro am Sonntag: Herr Schriek, Sie bilden Trader in Seminaren aus. Wie viele davon handeln mit CFDs?
Raimund Schriek: Etwa 70 Prozent. Der Großteil sind Privatanleger, aber es sind auch Fondsmanager oder Portfolioverwalter dabei.
Was reizt Ihre Kunden an CFDs?
Dieses Anlageinstrument passt einfach in unsere schnelllebige Zeit. Die Anleger sind meist sehr kurzfristig orientiert und müssen wenig Kapital einsetzen. Zudem werden Spielernaturen angesprochen.
Die mehrheitlich ihr Kapital verspielen, wie Kritiker monieren?
Das ist richtig. Rund 80 Prozent der CFD-Trader verlieren Geld.
Wäre es da nicht besser, sie würden es ganz sein lassen, statt Ihre
Seminare zu besuchen?
Erstens tragen meine Seminare unabhängig vom Traden zur Persönlichkeitsentwicklung bei. Zweitens steigen die Gewinnchancen, wenn Trader mein Programm durchlaufen. Und drittens handeln die meisten leider auch dann weiter, wenn sie dauernd Geld verlieren. Beim Traden geht es eben nicht nur ums Geld, sondern es hat viel mit Psychologie zu tun.
Wie meinen Sie das?
Viele meiner Kunden handeln nicht, um reich zu werden. Sie hoffen, so viel zu verdienen, dass sie ihren Beruf langfristig aufgeben können. Ein Ziel ist also Selbstbestimmung. Wichtiger scheint es für viele aber zu sein, sich an den Börsen auszutoben und Aggressionen und Gefühle abzubauen.
Der Ersatz für das Fußballstadion?
So ähnlich. Manche toben ihre Aggressionen beim Fußballspielen oder als Fan aus, andere eben beim Traden. Das Unterbewusstsein und die nicht verarbeiteten seelischen Verletzungen spielen beim Traden eine größere Rolle als erwartet.
Können Sie mal Beispiele nennen?
Von Erstgeborenen wird oft mehr Leistung und Toleranz erwartet als von den jüngeren Geschwistern. Diese unbewusste Überforderung spiegelt sich im Leben häufig wider, indem Erstgeborene sich als sehr leidensfähig erweisen. Beim Traden hat das zur Folge, dass sie Verluste so lange laufen lassen, bis es weh tut, um dann Streicheleinheiten zu erhalten. Ein anderer Typ ist der Widerstandskämpfer. Er kennt es, sich gegen den Trend zu stellen, da er sich vielleicht schon in jungen Jahren gegen Autoritäten wie Vater oder Lehrer aufgelehnt hat.
Sigmund Freud lässt grüßen?
Ja. Die Persönlichkeit und die eigene Vergangenheit sind für das Traden wichtiger als Finanzwissen. Ich merke das an der zustimmenden Reaktion vieler meiner Seminarteilnehmer. Der Mensch ist kein Computer, sondern hat Gefühle.
Wie ergründen Sie die Schattenseiten in der Biografie
der Probanden?
Ich lasse sie vorweg einen Fragebogen zu ihrer Persönlichkeit ausfüllen, der mir einen Überblick über sie verschafft. Ich frage auch nach ihrer Familienstruktur, geheimen Ängsten und Sehnsüchten oder nach Erfahrungen, die im Leben tiefe Spuren hinterlassen haben. Zusammen mit ihren Reaktionen wie Wut, Angst, Trauer, Schuld oder Freude beim Handeln ist es mir dann aufgrund meiner jahrelangen Erfahrung möglich, ein individuell zugeschnittenes Feedback und Unterstützung zu geben.
Ist das Verhältnis von Frauen und Männer in Ihren Seminaren gleich?
Nein. Meistens habe ich nur eine Quotenfrau in der Gruppe. Frauen machen lieber Selbsterfahrungskurse wie Yoga- oder Meditationsseminare, um ihre Probleme zu verarbeiten.
Ist der Umgang von Frauen mit Geld anders als der von Männern?
Ja. Sie gehen nicht so hohe Risiken ein und wollen ihre Grenzen nicht austesten. Als Familienmanager müssen sie das Geld zusammenhalten. Das prägt. Männer gehen nach einem hohen Gewinn oft ein viel zu großes Risiko ein und verlieren wieder alles. Das ist bei Frauen die absolute Ausnahme.
Was sind denn so die typischen Tradertypen?
Neben dem beschriebenen Widerstandskämpfer gibt es zum Beispiel noch den Leibeigenen, den Strategielosen und den Traditionalisten.
Welche Charaktere stecken hinter diesen Typisierungen?
Der Leibeigene hat keine eigene Meinung. Er kauft nach Trading-Signalen oder ahmt andere Trader nach. Der Strategielose wirft sein Geld einfach planlos in die Finanzmärkte. Oft sind das Personen, die das Geld erbten und nicht unbedingt dafür arbeiten mussten. Der Traditionalist setzt nur auf steigende Werte. Er sichert sich weder ab noch nutzt er fallende Kurse.
Um diesen Leuten zu helfen,
bringen Sie ihnen wahrscheinlich das Einmaleins der Charttechnik bei?
Keineswegs. Die Erfahrung zeigt, dass Anleger, die viel Finanzwissen besitzen oder in Charttechnik fit sind, in der Regel an der Börse nur Durchschnittliches leisten.
Was zeichnet dann den
erfolgreichen Händler aus?
Dafür gibt es kein allgemeingültiges Rezept. Jeder kann ein hervorragender Trader werden. Er muss dafür jedoch unbedingt eine auf seine Persönlichkeit zugeschnittene Strategie entwickeln. Dabei unterstütze ich meine Klienten. Nur wer seinen Charakter und seine Verhaltensweisen in Stresssituationen gut kennt, kann an der Börse Geld verdienen. Ich rate strikt davon ab, scheinbare Trader-Koryphäen zu kopieren. Das geht fast immer schief.
Gibt es denn nicht ein paar
Faktoren, die zum Gelingen
beitragen?
Doch schon. Der Spruch „Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen“ ist Unsinn. Nicht nur Verluste, sondern auch Gewinne sind zu limitieren. Sonst werden aus Buchgewinnen irgendwann reale Verluste. Es ist auch darauf zu achten, immer nur geringe Risiken einzugehen. Ganz entscheidend ist viel Erfahrung. Sie ermöglicht es, intuitiv rasch richtig zu reagieren. Aber die Basis bleibt eine an die eigene Persönlichkeit angepasste Strategie. Trader sollten ihre Gefühle gut kennen. Grundvoraussetzung ist natürlich das Beherrschen der Technik und die Wahl des richtigen CFD-Brokers.
Was ist dabei zu beachten?
Der Broker sollte in Deutschland lizenziert sein. Er hat eine stabile Kursversorgung zu garantieren, am besten an Reuters-Kurse gekoppelt. Mehrfache Kursstellung, ein sich ausweitender Spread und unzuverlässige Handelssoftware sind Tabus. Trader müssen die Handelsplattform perfekt beherrschen. Überflüssige Fenster und E-Mails haben auf dem Bildschirm nichts zu suchen. Da geht es oft um Sekundenbruchteile.
Können Sie bitte noch einen Geheimtipp geben?
Zuerst Sport treiben und danach an das Handelsterminal gehen. Dann sind viele Gefühle schon rausgeschwitzt und der Kopf ist frei.
Warum leben Sie eigentlich nicht vom Traden?
Ich könnte zwar in bescheidenem Maße davon leben, habe aber mehr Freude an der Arbeit mit Kunden. Traden kann recht langweilig sein. Mir reicht es, morgens oder abends eine Stunde mitzumischen.