Ruhe bewahren

Die Berichtserstattung in der Finanzpresse treibt von Zeit zu Zeit ...
... seltsame Blüten. Gerade aktuell stellt sich oft eine erstaunliche Interpretation der Konjunkturindikatoren ein: Gute Wirtschaftsdaten werden je nach Bedarf als Grund für steigende oder fallende Kurse genommen. Bessere Konjunkturperspektiven pushen die Unternehmensgewinne, auf der anderen Seite steigt aber die Gefahr für Zinserhöhungen der Notenbanken. Die Begründungen sind also logisch, das Problem dabei: Den Lesern ist mit solchen Argumenten wenig geholfen. Sobald die Kurse die Nachrichten machen, tendiert der Nutzwert der Berichtserstattung gegen Null. Vielleicht sollten sich die Redakteure einfach darauf besinnen, dass Aktienkurse nun einmal schwanken und nicht jede Kursbewegung plausibel erklärbar ist.
Höher, schneller, weiter
Ein ähnlicher Nonsens ist der Hang zu Superlativen. Ziemlich verwunderlich war etwa eine Nachricht, die vergangen Donnerstag nach den Aussagen von EZB-Präsident Trichet über die Ticker lief. Darin sprachen die Analysten der Royal Bank of Scotland (RBS) davon, dass die Notenbank die Märkte mit ihren Hinweisen zu einer Zinserhöhung im April „geschockt“ hätte. Der DAX schloss an diesem Tag 0,6 Prozent im Plus, an den US-Börsen ging es fast zwei Prozent aufwärts. Da muss man schon ganz süffisant nachfragen, mit welchen Superlativen die RBS ihren Kunden einen Kursrückgang an den Börsen von ein oder gar zwei Prozent verklickert: Bevorstehender Weltuntergang oder Landung von Außerirdischen?
Ruhe bewahren
Die Börsen sind nicht ganz so spannend wie es manche Schlagzeile in der Finanzpresse vermuten lässt. Obwohl es derzeit eine Reihe an Unsicherheitsfaktoren gibt, haben sich die Aktienkurse erstaunlich gut gehalten. Von „vereinzelten Panikverkäufen“ (ebenfalls eine Headline der vergangenen Tage) kann bei einem Rücksetzer von vier Prozent im DAX keine Rede sein. Das ist noch nicht einmal eine Korrektur, die nach Definition einen Rückgang von zehn Prozent bedeutet. Die Konsolidierung, die aktuell läuft, ist nach der Kursverdopplung des deutschen Leitindex seit März 2009 alles andere als überraschend und wäre wohl auch ohne Probleme im Nahen Osten und der Zinsangst gekommen. Die mittel- und langfristige Aufwärtstendenz bleibt davon bislang unberührt. Und Trends haben die Eigenschaft, meistens deutlich länger zu laufen, wie das Gros der Anleger denkt.
Wolfgang Braun ist Chefredakteur der „Aktien-Strategie“ (früher Global Performance). Der seit 1999 erscheinende Börsenbrief hat sich auf deutsche Wachstums-Aktien spezialisiert. Dank einer ausgefeilten und bewährten Anlagestrategie schlägt das Musterdepot die Vergleichsindizes deutlich. So schaffte das Depot seit seiner Auflegung im März 1999 eine durchschnittliche jährliche Performance von rund 15 Prozent - obwohl in diesen Zeitraum der dramatische Niedergang des Neuen Marktes sowie die Finanzkrise 2008 fällt. Weitere Informationen unter www.aktien-strategie.de
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