Sentix-Experte Hübner: DAX-Korrektur im Anmarsch
Gestern wurde bekannt, dass der Sentix-Konjunkturindex für Euroland den Rückwärtsgang eingelegt hat. Finanzen.net nahm mit Manfred Hübner, Gründer und Geschäftsführer der Sentix GmbH, die Indextendenz unter die Lupe.
Finanzen.net: Am Montag wurde der von Ihnen entwickelte sentix-Konjunkturindex für den Monat Mai veröffentlicht. Können Sie dessen Berechnungsmethode und seine Vorteile für Anleger kurz vorstellen?
Manfred Hübner: Sentix hat sich auf die Durchführung von Umfragen unter Kapitalanlegern spezialisiert. Der Sentix-Konjunkturindex ermittelt einmal im Monat einerseits die Beurteilung der aktuellen Lage und andererseits die Erwartungen der Investoren an die Konjunktur. Von der Methodik lehnt er sich an vergleichbare Indizes wie die ifo-Indizes an. Dies führt dazu, dass er mit den gängigen Konjunkturindizes stark korreliert, der Öffentlichkeit allerdings bereits drei Wochen vorher zur Verfügung steht.
Worauf führen Sie den jüngsten Rückschlag bei der Lagebeurteilung und Konjunkturerwartung in der Eurozone zurück?
Der Rückschlag beim Sentix-Konjunkturindex für die Eurozone von 14,22 auf 10,88 Punkte fiel signifikant stärker als von Volkswirten prognostiziert aus und war vor allem auf die gedämpften Erwartungen der Investoren zurückzuführen. Erstmals seit August gab es hier sogar einen negativen Wert zu beklagen. Gründe hierfür gab es zuhauf: Neben der Euro-Schuldenkrise und den hohen Rohstoffpreisen dürfte auch die Zinserhöhung der EZB auf die Stimmung gedrückt haben. Außerdem leiden einige Schwellenländer wie zum Beispiel Brasilien unter der Aufwertungstendenz ihrer Währungen. Da diese Länder in der Vergangenheit für die Weltwirtschaft als Konjunkturmotor fungierten, wirkt sich auch auf den Konjunkturoptimismus in Europa negativ aus.
Wie sollten Anleger die jüngste Tendenz mit Blick auf ihre Anlagestrategie interpretieren?
Privatanleger sollten die negativen Vorzeichen auf jeden Fall ernst nehmen. Wir betrachten den jüngsten Trend als signifikant. Der mittelfristige Grundoptimismus schwindet und es droht bei deutschen Aktien ein Rückschlag. Die Marktteilnehmer scheinen nicht mehr nach Kaufgelegenheiten, sondern vielmehr nach Verkaufsgelegenheiten zu suchen. Wir können uns gut vorstellen, dass der Aktienmarkt nach dem Ende der Berichtssaison und nach den zahlreichen Dividendenterminen in ein gewisses Loch fällt. Nach den vielen guten Nachrichten, könnten nun negative Aspekte wie die Griechenland-Krise oder die Rohstoffprobleme bei den Anlegern wieder stärker beachtet werden. In der zweiten Maihälfte wächst die Gefahr von Gewinnmitnahmen, so dass sich erfahrenen Anlegern das Absichern ihrer Aktienbestände anbietet, bspw. über das Verkaufen von Calls oder das Kaufen von Puts.
In Deutschland scheint die Konjunkturstimmung im internationalen Vergleich extrem gut zu sein. Beim Wirtschaftswachstum hinken wir asiatischen und lateinamerikanischen Volkswirtschaften dennoch hinterher. Wie kann man sich diese Diskrepanz erklären?
Man sollte die Indexstände der verschiedenen Regionen weniger mit Blick auf ihre absoluten Zahlen, sondern vielmehr in Relation zu deren Historie vergleichen. Soll heißen: Das Land mit dem höchsten Indexstand muss nicht zwangsläufig das höchste Wirtschaftswachstum ausweisen. Weil Deutschland in den Jahren zuvor unter Mini-Wachstumsraten im Bereich von einem Prozent gelitten hat, befindet sich die Stimmung – und damit auch der Sentix-Konjunkturindex - angesichts einer deutlich gestiegenen wirtschaftlichen Aktivität auf einem relativ hohen Niveau. Als besonders aussagekräftig gilt bei Stimmungsindizes vor allem die Dynamik ihrer jeweiligen Veränderungen.
In den meisten Regionen wird die aktuelle Lage erheblich optimistischer eingeschätzt als die Erwartungen. Inwiefern stellt dies ein Problem dar?
Dieser Umstand lässt sich besonders gut durch die sogenannte Konjunktur-Uhr veranschaulichen. Auf der X-Achse wird die Beurteilung der aktuellen Lage visualisiert, links negative und rechts positive Einschätzungen. Auf der Y-Achse kommen hingegen die Konjunkturerwartungen zum Ausdruck, oben positive und unten negative Prognosen. Die Konjunktur-Uhr setzt sich aus vier Quadranten zusammen. Von rechts oben lassen sich im Uhrzeigersinn folgende Wirtschaftsphasen definieren: Boom – Abschwung – Rezession – Aufschwung. In einer Boomphase wird sowohl die aktuelle Lage als auch die Erwartung positiv eingeschätzt. Aktuell befindet sich in der Eurozone der Sentix-Konjunkturindex an der Grenze von einer Boom- in eine Abschwungphase. In solchen Phasen sind Aktien erfahrungsgemäß weniger gefragt und zeichnen sich meist durch technische Korrekturen aus.
Zur Person:
Manfred Hübner ist Gründer und Geschäftsführer der sentix GmbH sowie der sentix Asset Management GmbH und gilt als einer der führenden Experten der Behavioral Finance in Deutschland. Zuvor leitete er den Bereich ´Behavioral Finance´ der Deka Investment. Schwerpunkte seiner Arbeit sind die Konzeption und das Management von Fondsprodukten auf Basis der Behavioral Finance sowie das verhaltensorientierte Kapitalmarktresearch und die Technische Analyse. Unter anderem ist er für den sentix Fonds 1 verantwortlich.