Kopf der Woche

Simon Murray: Der Macher von Glencore

aktualisiert 31.05.11 11:44 Uhr

„Niemals aufgeben“ lautet Simon Murrays Devise – ob im Krieg in Algerien oder auf dem Weg zum Südpol. Mit dem Rohstoffkonzern Glencore ging er jetzt an die Börse.

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von Peter Balsiger, €uro am Sonntag

Ein enttäuschendes Börsen­debüt hat vergangene Woche der weltgrößte Rohstoffkonzern, Glencore, in London und Hongkong hingelegt. Unter dem Eindruck der schwachen Rohstoffmärkte rutschte die Aktie gleich zum Start unter ihren Ausgabekurs. Rund zehn Milliarden Dollar will der geheimnisumwitterte Schweizer Konzern über die Börse einnehmen.

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Einen Fehlstart ganz anderer Art hatte sich zuvor schon der neue Verwaltungsratschef Simon Murray geleistet. In einem Interview mit dem „Daily Telegraph“ sagte der 71-jährige Haudegen und Ex-Fremdenlegio­när kurz nach seinem Antritt Mitte April, er habe zwar grundsätzlich nichts gegen Frauen in Führungspositionen, aber sie seien nun mal nicht so engagiert im Beruf, weil sie viel mit Schwangerschaften und Kindererziehung zugange wären. „Glauben Sie wirklich, dass ich in meinem Unternehmen solche Frauen brauche?“

Groß war daraufhin die Em­pörung, Murray wurde „Sexismus“ ­vorgeworfen. Die Äußerungen seien „unglaublich primitiv“, hieß es in britischen Regierungskreisen. Und der „Guardian“ spottete, dass eine solche Meinung ins Mittelalter gehöre. Murray hat sich inzwischen zwar entschuldigt, aber der „Machismo“ des Legionärs war deutlich zum Vorschein gekommen.

Dabei ist Murray ein global hervorragend vernetzter Manager, der das Rohstoffgeschäft bestens kennt. Der 45 Jahre seines abenteuerlichen Lebens in Asien verbracht hat. Der während des Algerienkriegs in der französischen Fremdenlegion diente. Und der noch mit 65 Jahren 1200 Kilometer durch die Antarktis zum Südpol marschierte.

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Doch zunächst war Murray das verwöhnte Kind einer gutbürgerlichen Familie und studierte an einer der ältesten Universitäten Englands. Seine Vorfahren hatten als Offiziere in berühmten englischen Regimentern gedient. Aber er langweilte sich, suchte das romantische Abenteuer. So wie der Afrika-Forscher David ­Livingstone und Englands Seeheld Lord Nelson, die Helden seiner Kindheit. Mit 18, während eines Urlaubs in Holland, heuerte er in Rotterdam als Küchenjunge auf einem Überseefrachter an. Die Zeit während der Überfahrt nach Buenos Aires verbrachte er im Wesentlichen mit Kartoffelschälen.

Nach acht Monaten war er zurück in England und begann eine Lehre bei Mather & Platt, einem Ingenieurbüro, das von seinem Urgroßvater ­gegründet worden war. „Ich bewegte mich auf eingefahrenen Gleisen“, berichtet er über diese Zeit. „Ich mochte meinen Job nicht. Und da gab es ein Mädchen, das ich ganz gern hatte, und sie hatte mich auch gern, aber wohl nicht gern genug. Da las ich, dass die Franzosen diesen Krieg in Algerien führten. Ich entschloss mich aus einer Laune heraus, in die Legion einzutreten.“ Im Februar 1960 meldete er sich im Rekrutierungsbüro in Paris, dem Mythos der Legion erlegen.

Er träumte von furchtlosen Kriegern, die auf Kamelen die Sahara durchqueren und filmreife Abenteuer erleben. So wie im damals ­populären und mehrfach verfilmten Abenteuerroman „Beau Geste“, der das Legionärsdasein heroisierte. Was ihn jedoch erwartete, waren gnadenlose Ausbildungsmethoden, brutale Offiziere und barbarische Strafen. Nach der Grundausbildung wartete der Krieg. Murray kämpfte als einfacher Legionär im legendären 2. Fall­schirmjäger-Regiment im unwirtlichen Aurès-Gebirge gegen die ­Fellaghas, die Aufständischen. Die Kämpfe wurden ohne Gnade geführt. Einmal musste Murray die abgeschnittenen Köpfe zweier gefallener Rebellen im Rucksack ins Lager zurückschleppen. Mehrfach lag Murray unter feindlichem Feuer, entkam dem Tod nur durch Zufall. „Winston Churchill hatte wohl recht als er sagte, die berauschendste Erfahrung im Leben sei, beschossen zu werden und zu überleben.“

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Murray wurde zum Unteroffizier befördert. Ein Angebot, an die Offiziersschule zu gehen, lehnte er ab. Er hatte genug vom Krieg. Trotzdem sagte er später: „Wenn ich zurück­blicke, bereue ich nicht eine einzige Sekunde.“ Frankreich zeichnete den Exlegionär später mit dem Verdienstorden aus und ernannte ihn zum Ritter der Ehrenlegion.

Seine Zeit in der Legion hatte Murray täglich in einem Notizbuch dokumentiert. Jahre später fasste er seine Aufzeichnungen in einem Buch zusammen, das ein Bestseller wurde und heute als Standardwerk über die Legion gilt. „Tagebuch eines Fremdenlegionärs“ (Verlag Hecht-Druck, 1995) lautet der deutsche Titel.

Nach seiner Entlassung aus der ­Legion heiratete er seine Jugendliebe Jennifer – das Mädchen, von dem er als 19-Jähriger geglaubt hatte, dass es ihn nicht genug liebe. Er zog 1966 mit 27 Pfund in der Tasche nach Hongkong, setzte auf Risiko, getreu seiner Devise: „Folge nicht einem ausgetretenen Pfad. Geh dorthin, wo es noch keinen Pfad gibt, und hinterlasse eine Spur.“ In Hongkong heuerte Murray beim Mischkonzern ­Jardine Matheson an, blieb dort 14 Jahre, kletterte auf der Karriereleiter bis ganz nach oben und war zu guter Letzt für das Handelsgeschäft verant­wortlich. 1980 gründete er Davenham Investments, eine Beratungs- und Investmentfirma, die er vier Jahre später an den chinesischen Tycoon und Milliardär Li Ka-Shing verkaufte.

Murray arbeitete jetzt als Group Managing Director für Li Ka-Shings Flaggschiff Hutchison Whampoa. Er steuerte Hutchisons Übernahme von Hongkong Electric und den Eintritt in den Ölmarkt durch die Übernahme von Husky Oil. Als CEO von Hutchison gründete er den Mobilfunk­anbieter Orange, entwickelte ihn zu einer globalen Marke und verkaufte ihn schließlich für 33 Milliarden Dollar an Mannesmann.

Von 1994 bis 1998 war Murray Chairman der Deutschen Bank in Asien, bevor er sich wieder selbstständig machte, mehrere Gesellschaften gründete und zum Teil wieder verkaufte. Heute sitzt Murray auch im Aufsichtsrat des Schweizer Luxusgüterkonzerns Richemont und des auf Indien konzentrierten Energieunternehmens Essar Energy.

In Hongkong nannte man Murray inzwischen „Tai-Pan“. Tai-Pan heißt in China der „oberste Führer“, der die Macht wirklich in Händen hält. 1994 verlieh ihm Königin Elisabeth den Titel „Commander of the British Empire“ wegen seiner Verdienste um die Kronkolonie. Er wird wohl auch als Glencore-Chairman weiterhin in Hongkong residieren. Murray über das Rohstoffbusiness: „Das ist ein internationales Geschäft, und in Asien liegt die Zukunft, dank China und Indien, die die Nachfrage nach Rohstoffen treiben.“

Die Lust am Abenteuer hat den Exlegionär auch später nicht verlassen. Er bestieg den Kilimandscharo, kletterte zum Mount Everest Base Camp hoch, er fliegt Hubschrauber (wie seine Frau Jennifer, die als erste Frau mit dem Hubschrauber die Welt umrundete) und nimmt an Segel­regatten teil. Zu seinem 64. Geburtstag erfüllte er sich einen lang geheg­ten Wunsch: Zusammen mit dem Forscher Pen Hadow legte er den 1.200 Kilometer langen Weg zum Südpol zu­rück – und zwar zu Fuß, ohne fremde Hilfe, ohne Hunde. Jeder zog einen 250 Kilogramm schweren Schlitten mit Proviant, Brennstoff und Ausrüstung. Für die Strecke benötigten sie 58 Tage. Beim Start wog Murray 76 Kilogramm, bei der Rückkehr noch 56. Er ist der älteste Mensch, der den Südpol erreichte – dafür steht er jetzt im Guinness Buch der Rekorde.

Die Männer hatten all die Strapazen für einen guten Zweck auf sich genommen. Die Mission stand im Zeichen des Königlich geografischen Polararchivs. Umgerechnet 700.000 Euro wurden seit Beginn der Expedition gespendet. Damit soll der Datenbestand digitalisiert werden.

Mit 60 Jahren nahm Murray am „Marathon des Sables“ teil, einem mörderischen 240-Kilometer-Lauf durch die marokkanische Wüste. Er gilt als härtester Lauf der Welt: Brütende Hitze, Sandstürme, Einsamkeit und Halluzinationen erwarten die Teilnehmer. Der Grund, warum er an den Start ging, ist typisch für Simon Murray. „Wenn jemand zu mir sagt, dass ich etwas nicht schaffe, dann motiviert mich das umso mehr, es zu tun. Ich war mal Sponsor eines Teams, das an diesem Marathon teilnahm. Ich sah zu, wie diese armen Teufel sich am fünften Tag durch den Sand quälten. Sie waren alle völlig fertig. Ein Freund sagte dann zu mir: ‚Simon, das hättest du während deiner Legionszeit auch geschafft, heute aber wohl nicht mehr.‘ Ich dachte: Was bildet der sich eigentlich ein, dass ich das heute nicht mehr schaffen würde?“ An seinem 60. Geburtstag rannte er selbst durch die Wüste und beendete den „Marathon des Sables“.

zur Person:

Simon Murray
Manager und Macho

Geboren am 25.3.1940 in Leicester/ England. Schulabbrecher. 1960 bis 1965 Fremdenlegion; zieht anschließend nach Asien, arbeitet sich hoch, übernimmt leitende Funktionen bei Deutscher Bank und Vodafone. Seit 14. April Aufsichtsratschef von Glencore.

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DatumRatingAnalyst
01.05.2025Glencore OverweightBarclays Capital
01.05.2025Glencore BuyGoldman Sachs Group Inc.
01.05.2025Glencore BuyJoh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank)
30.04.2025Glencore BuyJefferies & Company Inc.
30.04.2025Glencore OutperformRBC Capital Markets
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01.05.2025Glencore OverweightBarclays Capital
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30.04.2025Glencore OutperformRBC Capital Markets
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04.07.2024Glencore Equal WeightBarclays Capital
30.04.2024Glencore Equal WeightBarclays Capital
16.04.2024Glencore Equal WeightBarclays Capital
27.02.2024Glencore Equal WeightBarclays Capital
22.02.2024Glencore HoldDeutsche Bank AG
DatumRatingAnalyst
30.04.2020Glencore UnderweightJP Morgan Chase & Co.
25.10.2019Glencore UnderweightJP Morgan Chase & Co.
03.10.2019Glencore UnderweightJP Morgan Chase & Co.
12.09.2019Glencore UnderweightJP Morgan Chase & Co.
28.08.2019Glencore UnderweightJP Morgan Chase & Co.

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