Reiche will Chemieindustrie stützen - Verhandlungen mit Brüssel

11.12.25 17:16 Uhr

BERLIN (dpa-AFX) - Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche will die kriselnde deutsche Chemiebranche stützen. Die CDU-Politikerin setzt dabei zunächst auf eine Einigung mit der EU-Kommission über eine Kombination von zwei geplanten Maßnahmen - den Industriestrompreis und die sogenannte Strompreiskompensation. Die EU-Kommission verbietet eigentlich eine Doppelförderung. Brüssel muss beide Maßnahmen beihilferechtlich genehmigen.

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Mittelfristig soll zusammen mit der Branche eine "Chemieagenda 2045" erarbeitet werden. Reiche sagte nach einer Auftaktveranstaltung dazu in Berlin, der Chemiestandort Deutschland sei in seiner Bedeutung nicht zu überschätzen. "Ohne innovative Chemie keine leistungsfähigen Batterien, keine effizienten Solaranlagen, keine Impfstoffe, keine klimafreundlichen Kunststoffe, keine sauberen Produktionsprozesse."

Im Koalitionsvertrag heißt es, Deutschland solle der "weltweit innovativste Chemie-, Pharma- und Biotechnologiestandort" werden. Zum Ende des ersten Quartals 2026 soll laut Reiche ein Abschlusspapier zur Agenda vorgelegt werden

Hohe Energiepreise

Die energieintensive Chemieindustrie klagt vor allem über hohe Energiekosten im internationalen Vergleich. Reiche verwies zum einen auf beschlossene Maßnahmen wie eine Senkung der Stromnetzentgelte. Die Regierung plant zudem einen staatlich subventionierten, günstigeren Industriestrompreis für die Jahre 2026 bis 2028 sowie eine Verlängerung und Ausweitung der sogenannten Strompreiskompensation. Dabei werden Firmen indirekt von Kosten des CO2-Emissionshandels entlastet.

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Reiche verwies auf den Grundsatz der EU-Kommission, dass keine Kumulierung von Beihilfen möglich sei. Das Ministerium versuche nun eine andere Lösung hinzubekommen: ob man einen chemischen Prozess so in Teile teilen könne, dass abgrenzbar Stromenergiemengen anrechenbar seien - so dass ein Teil für die Strompreiskompensation und ein anderer für den Industriestrompreis zur Verfügung stehe. "Die Kommission hat dazu noch keine Antwort gegeben, aber auch nicht Nein gesagt."

Der Präsident des Verbands der Chemischen Industrie, Markus Steilemann, machte deutlich, es sei ganz entscheidend, beide Maßnahmen wirksam werden zu lassen. Die Hilfen müssten zudem schnell ankommen. Die Maßnahmen sollten allerdings zwar 2026 in Kraft treten, aber ab 2027 rückwirkend beantragt werden können. Ohne kurzfristige Entlastungen werde es nicht gelingen, Investitionen am Standort zu halten.

Der Vorsitzende der Chemie-Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, sagte, derzeit gingen in Deutschland viele Jobs verloren. Es gehe nun zunächst um "Notarzt-Management": "Wenn wir nicht schnell genug sind, wird es einige Teile der Industrie nicht mehr geben."

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Schwere Krise

Die deutsche Chemiebranche erwartet auch im kommenden Jahr kein Ende ihrer tiefen Branchenkrise. "Die Industrie funkt SOS", hatte Steilemann am Mittwoch gesagt. Die Produktionsanlagen der drittgrößten deutschen Industriebranche seien nur zu 70 Prozent ausgelastet - "ein historischer Tiefpunkt und weit entfernt von Rentabilität". Jedes zweite Unternehmen habe zu wenig Aufträge. Diese seien seit 2021 im In- und Ausland um mehr als 20 Prozent eingebrochen./hoe/DP/men