Fondsbeben nach dem Brexit-Entscheid - Wer räumt ab und wer verliert?

Dass das Brexit-Referendum die Märkte durchrüttelt, war für die meisten Fondsgesellschaften keine Überraschung. Doch nicht jede Rechnung ist aufgegangen. Am Morgen nach dem Kursbeben zeigt sich, wer aufs richtige Pferd gesetzt hat - und wer nun kräftig ins Schwimmen kommt.
Nachdem sich die ersten Verwirbelungen an den Märkten gelegt haben, drängen erste mögliche Langzeitfolgen des Brexit-Referendums ans Tageslicht. Spätestens im Laufe dieser Woche wurde klar: Zu den großen Verlierern des Brexit zählen die britischen offenen Immobilienfonds. Um sich vor dem totalen Ausverkauf durch Anleger, die ihre Anteile schleunigst zurückgeben wollen, zu schützen, haben nunmehr sieben offene Immobilienfonds ihre Fonds auf Eis gelegt. Das bedeutet, Anleger, die nicht schnell genug waren und ihre Anteile rechtzeitig veräußert haben, kommen nun nicht mehr an ihr Geld.
Warum ausgerechnet die offenen Immobilienfonds?
Die Flucht aus den offenen Immobilienfonds war wohl vor allem der Angst vor den drohenden wirtschaftlichen Unsicherheiten im Vereinigten Königreich nach dem Brexit geschuldet. Steht die Wirtschaft auf wackeligen Füßen, sinken die Immobilienpreise und damit auch die Renditen der Immobilienfonds. Im Vergleich zu geschlossenen Immobilienfonds, die meist nur in bis zu drei Objekte investieren, sind die offenen Fonds deutlich breiter gestreut. Außerdem können offene Immobilienfonds unbegrenzt Gelder einsammeln, während die Investitionssumme bei geschlossenen Fonds von Beginn an feststeht. Das macht die geschlossenen Fonds zwar nicht unbedingt zu einer sicheren Bank, doch offene Immobilienfonds bekommen eine Talfahrt der ganzen Branche unmittelbarer zu spüren und die Anleger sind flexibler bei der Rückgabe ihrer Anteile - und versilbern diese im Zweifelsfall umso schneller. Das Kapital der Anleger in geschlossenen Fonds ist hingegen meist über Jahre gebunden.In den Köpfen deutscher Immobilienfonds-Anleger dürfte dieses Szenario noch aus 2008 präsent sein. Damals ging die Nachricht von der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers um die Welt - und trieb die Anleger in Scharen aus den Immobilienfonds. Den Fondsgesellschaften rannen die Barmittel durch die Finger. Die einzige Lösung: Die Fonds einfrieren und die Rücknahme der Fondsanteile aussetzen. Stolze 34 Milliarden Euro an Kundengeldern lagen damals auf Eis. Für acht Fonds gab es kein Happy-End - sie blieben eingefroren und wurden letztendlich abgewickelt. Die Nachwirkungen von damals sind bis heute spürbar. Wer 2008 nicht rechtzeitig aus dem Fonds ausstieg und seine Anteile zu Geld machte, machte unter Umständen kräftig Verlust. Geschätzt haben Anleger seit der Finanzkrise 2008 bis heute etwa vier Milliarden Euro Verlust hinnehmen müssen.
Sind deutsche Immobilienfonds gefährdet?
Großbritannien ist auch für deutsche Immobilienfonds ein wichtiger Anlagefaktor. Sogar der Großteil der Investments deutscher Fonds konzentriert sich speziell auf London. Dort befindet sich der wichtigste europäische Markt für Bürogebäude, Shoppingzentren und Hotels. Geraten hier die Immobilienpreise nach dem Brexit gefährlich unter Druck, könnte das auch bei deutschen Fonds zu Wertverlusten führen. Experten gehen von Verlusten zwischen zehn und fünfzehn Prozent aus.Deutsche Immobilienfondsanleger dürfen aufatmen
Ein Szenario wie bei der Finanzkrise 2008 müssen deutsche Fondsanleger jedoch nicht unmittelbar fürchten. Nach der letzten Immobilienkrise wurden die Regeln für offene Immobilienfonds stark angepasst. Fondsanteile können nicht innerhalb eines Tages einfach zurückgegeben werden, die Kündigungsfristen sind weitaus länger. Wer heute aus einem offenen Immobilienfonds aussteigen will, muss dies mindestens zwölf Monate im Voraus tun und der jeweiligen Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt genau mitteilen in welcher Höhe Anteile versilbert werden sollen. Dadurch bleibt den Gesellschaften genug Zeit, notwendige Barmittel zu beschaffen, selbst wenn viele Anleger ihre Anteile zurückgeben wollen.Außerdem sind die Immobilienfondsgsellschaften heute finanziell deutlich besser aufgestellt als 2008. Zwischen Januar und April 2016 sind stattliche 2,8 Milliarden Euro in offene Immobilienfonds geflossen - der doppelte Betrag im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dieser finanzielle Puffer dürfte manchen drohenden Abverkauf eine ganze Weile abfedern können.
Die großen Brexit-Abräumer: Hedgefonds
Jede Marktlage zum eigenen Vorteil nutzen - das ist die Spezialität der Hedgefonds. Nicht verwunderlich also, dass die Turbulenzen am Markt nach dem Brexit-Entscheid der Briten, den Hedgefonds einiges an Gewinn in die Kassen gespült haben. Während die Börsen am Morgen nach dem Referendum ins Bodenlose fielen und die Währungen heftig einknickten, schöpften einige Hedgefonds, die zuvor auf fallende Kurse gewettet hatten, kräftig Gewinne ab. Einer der größten Hedgefonds der Welt, der Winton Capital, legte etwa rund 3,1 Prozent nach eigenen Angaben zu. Der Winton Capital steht stellvertretend für viele Vertreter der Branche. Während am Markt Börsenwerte von insgesamt fünf Billionen Dollar am "schwarzen Freitag" nahezu verpufften, verloren Hedgefonds durchschnittlich nur magere 0,2 Prozent, errechnete der Datenanbieter Hedge Fund Research.Erfolgsrezept: Auf Währungen wetten
Das Erfolgsrezept der Hedgefonds: "Short"-Positionen aufbauen. Vor allem Short-Wetten auf Pfund und Euro dürften die Kassen der Hedgefonds ordentlich zum Klingeln gebracht haben. Beim "Shorten" verkauft ein Investor eine Währung an einem festgelegten Tag zu einem festgesetzten Kurs. Wenn die Währung im Zuge der Laufzeit unter den vereinbarten Kurs fällt, kann der Investor die Differenz zwischen dem tatsächlichen und dem festgesetzten Kurs als Gewinn verbuchen. Der veritable Absturz von Pfund und Euro dürfte sich daher als regelrechter Jackpot für viele Hedgefonds mit "Short"-Positionen herausgestellt haben. Eine andere Möglichkeit, wie Hedgefonds aus dem Brexit-Entscheid kräftig Gewinn geschlagen haben: "Long"-Positionen auf Gold oder den japanischen Yen. Werden die Zeiten an den Märkten turbulent, flüchten sich Anleger gerne in diese "sicheren Häfen". Wer sich nicht direkt beispielsweise Gold-Investments ins Depot legt, wettet auf den Kursanstieg, etwa mit Terminkontrakten. Auch eine solche Wette hat sich für viele Hedgefonds als gewinnbringend erwiesen.Das Spiel mit dem Risiko
Wie bei allen Wetten, ist auch diese Art der Geldanlage ein Vabanquespiel. Entwickeln sich die Kurse nicht so, wie zuvor gewettet, drohen im schlimmsten Fall enorme Verluste. Wer also auf den Währungsverfall am 24. Juli gesetzt hat, der hat auch auf das "No" der Briten zur EU-Mitgliedschaft gewettet. Umfragen im Vereinigten Königreich hatten jedoch noch bis kurz vor der Stimmenauszählung ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem "Bremain"- und dem Brexit-Lager angezeigt.Christina Fischer, Redaktion finanzen.net
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