Euro am Sonntag-Interview

Stratege van Slooten: "Keine Leitzinserhöhung in 2016"

16.07.16 12:00 Uhr

Stratege van Slooten: "Keine Leitzinserhöhung in 2016" | finanzen.net

Société-Générale-Stratege Arthur van Slooten über die anziehenden Teuerungsraten, den Ölpreis als Treiber - und das Abwarten der Fed.

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von Thomas Strohm, Euro am Sonntag

Der Anlagestratege Arthur van Slooten arbeitet im Multi-­Asset-Team von ­Société Générale in Paris. Van Slooten, der in Amsterdam Wirtschaftswissenschaften studierte, ist bereits seit 1994 für die französische Großbank tätig. Im Interview mit Euro am Sonntag spricht er über eine mögliche US-Leitzinserhöhung und über die steigende Inflation.

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€uro am Sonntag: Herr van Slooten, die Teuerungs­rate ist bei null. Warum sollten sich Anleger um Inflation sorgen angesichts vieler anderer Probleme?
Arthur van Slooten:
Die Inflation ist eines der am meisten unterschätzten Themen in der Finanzwelt. Einiges spricht dafür, dass die Teuerung stärker anziehen wird, als viele Marktteilnehmer derzeit erwarten.

Was wird die Inflation Ihrer Ansicht nach in die Höhe treiben?
Zunächst der Ölpreis. Obwohl der Iran zurück auf dem Markt ist, legte der Kurs im ersten Halbjahr schon deutlich zu. Das liegt an der Angebots­seite, dort ändern sich die Dinge dramatisch. In den USA ist die Produktion lange stark gestiegen, das ist vorbei. Die Beschäftigtenzahl der Branche sinkt, neue Quellen werden kaum noch erschlossen. Das Überangebot am Ölmarkt wird schnell verschwinden, schon im zweiten Halbjahr 2016.

Ein Fass Öl kostet rund 50 Dollar, mit welchem Preis rechnen Sie?
Im Jahresschnitt wird ein Barrel erst 2018 mehr als 60 Dollar kosten, auch wenn diese Marke vorher schon zeitweise überschritten werden kann. Entscheidend für eine steigende Inflation ist aber der Basiseffekt: Ende 2015 und Anfang 2016 war der Ölpreis wesentlich niedriger als heute. Also auch, wenn der Preis nur auf dem heutigen Niveau bleibt, wird das die Inflation schon antreiben - die Teuerungsrate und der Ölpreis sind eng verknüpft.
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Die Nachfrage könnte aber unter der Brexit-Unsicherheit leiden, was den Ölpreis belastet ...
Wir erwarten einen anderen Effekt: Der Dollar wird nicht so stark aufwerten, wie am Jahresanfang erwartet, die Parität zum Euro ist nicht mehr realistisch. Und ein nicht so starker Dollar ist gut für die Nachfrage nach Rohstoffen, die in Dollar notieren.

Nach dem Brexit-Entscheid hat der Dollar zugelegt, was spricht gegen eine weitere Aufwertung?
Mit dem Votum der Briten ist eine Zinserhöhung der US-Notenbank im Juli vom Tisch. Nach dem Sommer bringen die Wahlen in den USA Unsicherheit, die Fed wird deshalb weiter abwarten. Der nächste mögliche Zinsschritt wäre damit erst im Dezember, aber auch damit rechnen wir nicht. Nach unserer Einschätzung wird es 2016 keine Leitzinserhöhung geben und 2017 höchstens zwei Schritte. Damit gewinnt auch der Dollar nicht so stark an Attraktivität.

Aber wird die Fed denn nicht handeln, wenn die Inflations­erwartungen am Markt steigen?
Die Toleranz der Fed gegenüber steigenden Teuerungsraten ist höher als die meisten denken. Die US-Notenbank fürchtet vielmehr, dass sie mit zu schnellen Zinserhöhungen das Wachstum abwürgen könnte. Das ist niedrig, aber höher als in Europa.
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Statt Inflation haben viele in den vergangenen Monaten eine Deflationsgefahr gesehen …
Die Angst vor Deflation war in der Tat am Anfang dieses Jahres groß - sogar größer als nach der Lehman-Pleite in der Finanzkrise 2008. Diese Stimmung beginnt sich langsam zu ändern, das Thema Inflation kommt zurück. Wir erwarten keine Hyper­inflation, aber in Europa und den USA eine deutlich höhere Teuerungsrate als heute. Das macht inflationsindexierte Anleihen jetzt interessant.

Investor-Info

Anleihe-ETFs Bei inflations­indexierten Bonds hängen Zins und Tilgung an der Teuerung. Mit einem ETF von Lyxor kann in derlei Euro-Staatsanleihen (ISIN: FR 001 017 429 2) investiert werden und mit einem ­db-X-trackers-ETF in US-Staats­anleihen (LU 042 945 951 3).

Bildquellen: Christophe Audebert/SGCIB