AUSBLICK/EZB senkt nun doch noch die Leitzinsen

02.05.13 07:25 Uhr

   Von Hans Bentzien

   FRANKFURT--Nun ist es wohl doch so weit: Getrieben von unerwartet schwachen Konjunkturdaten und einer überraschend niedrigen Inflation dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag ihren Hauptrefinanzierungssatz senken. 29 der 45 von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte erwarten, dass die EZB ihren Hauptrefinanzierungssatz um 25 Basispunkte auf ein neues Allzeittief von 0,50 Prozent senken wird. Die EZB wird ihre Entscheidung um 13.45 Uhr mitteilen. Präsident Mario Draghi wird sie bei einer gegen 14.30 Uhr beginnenden Pressekonferenz erläutern.

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   Wahrscheinlich wird dieser Schritt wegen des weiteren Rückgang der Konjunkturindikatoren, die die von der EZB bisher erhoffte Wachstumserholung in noch weitere Ferne rücken lässt. Und die Inflation sinkt außerdem auch weiter. In Deutschland ging die Inflation von 1,4 Prozent im März auf 1,2 Prozent im April zurück, den niedrigsten Stand seit September 2010. Ökonomen hatte dagegen einen Anstieg auf 1,5 Prozent erwartet.

   Da auch die spanische Inflationsrate von 2,6 auf 1,5 Prozent abstürzte - erwartet war eine Rate von 2,1 Prozent - dürfte der Teuerungsrückgang im Euroraum wohl auch deutlicher als erwartet ausfallen. Die von Dow Jones Newswires befragten Ökonomen prognostizieren einen Rückgang der Teuerung von 1,7 auf 1,6 Prozent.

   Zudem deuten Wirtschaftsstimmungs- und Geschäftsklimaindex darauf hin, dass sich die Wachstumsaussichten der Eurozone weiter eingetrübt haben. Die Wirtschaftsstimmung fiel auf 88,6 Punkte, während Ökonomen einen Stand von 98,4 prognostiziert hatten. Auch der Geschäftsklimaindex der EU-Kommission fiel auf den tiefsten Stand seit November 2012.

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   Die aktuellen Daten verstärken damit den Eindruck, den schon das schwache ifo-Geschäftsklima und die Einkaufsmanagerindizes hinterlassen haben. Wenn also EZB-Chefvolkswirt Peter Praet am Donnerstag im EZB-Rat zu seinem monatlichen Vortrag schreitet, dann wird er ein trostloses Bild der Konjunkturlage im Euroraum zeichnen.

   Einige EZB-Ratsmitglieder sprechen seit Wochen von der Möglichkeit einer weiteren EZB-Zinssenkung. Seither sind die Konjunkturaussichten noch düsterer geworden. Zuletzt betonte EZB-Vizepräsident Vitor Constancio, dass die EZB bei den Zinsen noch Spielraum habe. Auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann deutete an, dass die EZB ihre Zinsen durchaus noch senken könnte, wenn neue Daten dafür sprächen. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an den Märkten inzwischen, dass die EZB am Donnerstag handeln wird.

   "Die seit der April-Sitzung des EZB-Rates veröffentlichten Konjunkturdaten haben insgesamt enttäuscht. Gerade in den Kernländern hat sich die Unternehmensstimmung nach dem deutlichen Rücksetzer im März im April nicht aufgehellt", sagte Johannes Mayr, Volkswirt bei der BayernLB.

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   Der Realwirtschaft allerdings bringt eine Senkung des Hauptrefinanzierungssatzes von 0,75 auf 0,50 Prozent wenig bis gar nichts, wie die EZB selbst einräumt: Das Signal würde bei den kleinen und mittelgroßen Unternehmen an der Euro-Peripherie nicht ankommen. Ein italienisches Unternehmen zahlt für einen Kredit 6 Prozent, wenn es denn überhaupt einen bekommt.

   Und dass das so ist, liegt nicht daran, dass bei den Banken das Geld knapp ist. Die Banken schauen - wie gute Kaufleute das tun - auf die Kreditrisiken. Und die sind auch deshalb so hoch, weil die Unsicherheit hoch ist und die Konjunktur schlecht. Womit sich die Katze in den Schwanz beißt.

   Angesichts einer Inflationsrate von 1,7 Prozent ist der Realzins negativ, was natürlich den hoch verschuldeten Eurozone-Staaten ganz recht ist. Auf diese Weise lassen sich die Schuldenberge leichter abbauen, freilich zu Lasten der Sparer. Nach Veröffentlichung des enttäuschenden ifo-Index für April stieg der Bund-Future in der vergangenen Woche bis kurz unter sein Allzeithoch. Deutschland muss für neue Schulden so gut wie nichts mehr zahlen.

   Wem noch niedrigere Zinsen ebenfalls nützen könnten, wären die Banken. Sollte die EZB tatsächlich zu einer Zinssenkung schreiten, würden wohl nur die Ausleihzinsen reduziert, nicht aber der schon bei null liegende Einlagenzins. Dadurch würde der ohnehin verengte Zinskanal noch schmaler, was gut für die Bankbilanzen wäre. Nicht zu vergessen die Milliarden, die sich viele Banken auf drei Jahren geliehen haben - sie würden auf diese Weise noch einmal billiger werden.

   Und eine Auswirkung hätten niedrigere EZB-Zinsen wohl noch: Der Euro-Außenwert würde ein wenig sinken. Die EZB würde im Abwertungswettlauf der Zentralbanken, der keiner sein soll, einen längst überfälligen Schritt nachholen.

   Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

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   May 02, 2013 00:55 ET (04:55 GMT)

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