Resterampe München

Unruhe bei EADS: Völlig losgelöst

28.10.13 15:00 Uhr

Während die Flugzeugtochter Airbus Rekordaufträge verzeichnet, herrscht in der Raumfahrt- und Verteidigungssparte große Verunsicherung. Der Standort München verkommt zur Resterampe.

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von Sabine Gusbeth, Euro Magazin

Jubel bei Airbus. Der Flugzeugbauer errang Anfang Oktober einen wichtigen Sieg gegen den Erzrivalen Boeing. Die Fluggesellschaft Japan Airlines, bisher Stammkunde von Boeing, bestellte 31 Großraumjets des Typs A 350. Der Milliardenauftrag aus der Wachstumsregion Asien ist ein Jackpot für Flugzeugbauer Airbus und den Mutterkonzern EADS.

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Doch längst nicht überall bei EADS herrscht Jubelstimmung. In den Raumfahrt- und Verteidigungseinheiten wächst die Verunsicherung. Grund dafür ist ein gigantisches Umbauprogramm, das Konzernchef Thomas Enders diesen Sektoren verordnet hat.

Reserveoffizier Enders, der wegen seiner Karriere bei den Fallschirmjägern den Spitznamen „Major Tom“ trägt, will den Konzern aufteilen: in die zivile Luftfahrtsparte mit hervorragenden Wachstumsperspektiven sowie in das Raumfahrt- und Verteidigungssegment, dessen Aussichten wegen sinkender Etats der hoch verschuldeten europäischen Staaten mäßig sind.

Deshalb will Enders Kosten sparen. Dazu sollen bis Mitte 2014 die bisher weitgehend eigenständigen Bereiche Astrium (Raumfahrt), Cassidian (Verteidigung) und Airbus Military (Militärflugzeuge) zur neuen Division Airbus Defence & Space zusammengelegt werden (siehe Grafik Seite 48). Langjährige Mitarbeiter bezeichnen den Schritt als tiefgreifendste Umstrukturierung seit der Gründung von EADS im Jahr 2000.

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Das deutsch-französisch-spanische Gemeinschaftsunternehmen ist Europas größter Luft- und Raumfahrt- sowie zweitgrößter Rüstungskonzern. EADS steht für European Aeronautic Defence and Space Company. Wichtigste Tochterfirma ist der Flugzeugbauer Airbus, der fast 70 Prozent zum Umsatz und mehr als die Hälfte des Gewinns beisteuert — Tendenz steigend. In den Raumfahrt- und Verteidigungssektoren dagegen gehen die Aufträge rapide zurück. „Wir erwarten, dass dieser Zustand mindestens bis zum Ende dieses Jahrzehnts anhält“, schrieb der Vorstand Ende Juli in einem Brief an die Mitarbeiter, in dem er den Umbau ankündigte.

Problembereiche in München. Bei den Betroffenen herrscht seither „große Unsicherheit“, sagt einer von ihnen. Es scheint, als solle der Konzern aufgeteilt werden: Der erfolgreiche Teil, Airbus, wird aus dem südfranzösischen Toulouse gesteuert. Die Problembereiche werden künftig in München zur neuen Division Airbus Defence & Space zusammengefasst.

Außer einer groben Struktur und der Führungsriege ist auch intern bislang nur wenig über den neuen Bereich bekannt. CEO von Airbus Defence & Space wird der bisherige Chef der Verteidigungssparte Cassidian, Bernhard Gerwert. Für ihn bedeutet das einen Machtzuwachs, während der bisherige Chef der Raumfahrtsparte Astrium, François Auque, Kompetenzen abgeben muss.

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Derweil sorgt sich die Belegschaft vor allem, weil Schlagworte wie „Profitabilität steigern“, „Synergien realisieren“ und „mit Sozialpartnern diskutieren“ immer häufiger auftauchen. „Das heißt doch, dass sie Leute einsparen“, bringt es ein Mitarbeiter auf den Punkt. Seit Wochen drehen sich die Gespräche in den Kantinen und Kaffeeküchen bei Astrium, Cassidian und Airbus Military nur um Fragen wie: Werden Stellen gestrichen? Welcher Einheit werden wir zugeordnet? Wer wird mein Vorgesetzter? Wo wird die Zentrale angesiedelt?

„Wir wissen nicht, wohin wir kommen“, klagen Mitarbeiter. Kein Wunder, dass Spekulationen ins Kraut schießen. So ist zwar bekannt, dass die neue Division in den Großraum München kommt, doch dort gibt es zwei Standorte: Unterschleißheim, die bisherige Zentrale von Cassidian, und das ehemalige EADS-Hauptquartier in Ottobrunn. Hier stehen viele Gebäude leer, seit Enders die EADS-Verwaltung komplett ins südfranzösische Toulouse verlagert hat — zum Entsetzen der deutschen EADS-Belegschaft. Sie hatte große Hoffnung in den ersten deutschen Chef des Unternehmens gesetzt und spekuliert nun darüber, dass einer der beiden Münchner Standorte „plattgemacht wird“.

Angst vor Verkauf. Andere fürchten noch Schlimmeres. Am EADS-Standort Ulm, der „Radarhochburg“, kursieren Gerüchte, der Konzern plane die gesamte Radartechnik dort zu bündeln und anschließend zu verkaufen.

Ob die Sorgen der Mitarbeiter berechtigt sind, will das Unternehmen nicht kommentieren. Man evaluiere das „Portfolio unter dem Gesichtspunkt der Profitabilität“, sagt Kommunikationschef Rainer Ohler nur. Die gute Nachricht sei: „Der größte Teil unseres Verteidigungsgeschäfts ist profitabel.“ Details über die künftige Ausrichtung würden erst in den kommenden Wochen und Monaten bekannt gegeben.

Dass derweil in den betroffenen Segmenten die Unsicherheit wächst, ist inzwischen auch zum designierten Chef, Bernhard Gerwert, vorgedrungen. Ende September bat er die Mitarbeiter in einem Brief, der €uro vorliegt, um „Verständnis dafür, dass es noch zu früh ist, um über zentrale Entscheidungen zu sprechen, die uns alle umtreiben“. Wenig Substanz, um die brodelnde Gerüchteküche zu beruhigen.

Dem Schreiben zufolge sollen zunächst die bestehenden Strukturen analysiert werden. Im November soll ein „Entwurf der neuen Organisationsstruktur“ vorgelegt und mit den Gewerkschaften diskutiert werden. Ziel sei es, „die Integration bis Mitte 2014 abzuschließen“, schreibt Gerwert.

Das allerdings dürfte schwierig werden. Denn die Organisationsstrukturen von Astrium, Cassidian und Airbus Military unterscheiden sich stark. Sogar innerhalb der einzelnen Sparten gibt es große Unterschiede zwischen den Standorten, teilweise wird nicht einmal mit den gleichen IT-Systemen gearbeitet.

Doch selbst wenn die Integration gelingt und dadurch künftig Kosten gespart werden können, löst das noch lange nicht das Grundproblem der Raumfahrt- und Verteidigungsbranche: Es fehlen Aufträge. Enders selbst erwartet in den kommenden zehn bis 15 Jahren keine großen europäischen Projekte wie die Militärflugzeuge A 400 M oder Eurofighter.

Er setzt deshalb voll auf die derzeitige Stärke der zivilen Luftfahrtsparte. Auch das ist ein Strategiewechsel. Bisher galt es als Kern der Unternehmensstrategie, ein Gleichgewicht zwischen den konjunkturabhängigen zivilen Flugzeugen und den anderen Segmenten anzustreben. Schon in der Vergangenheit war die Balance allerdings nie gelungen.

Enders, der erst im vergangenen Jahr von der Airbus-Spitze auf den EADS-Chefsessel gewechselt war, warf die Vorgabe nun über Bord. „Airbus ist und bleibt der Wachstumsmotor des Konzerns, unser unumstrittenes Flaggschiff“, schrieb er im Juli in dem Brief, den er mit Tom unterzeichnete. Denn das Unternehmen sieht in der Passagierluftfahrt die größten Wachstumschancen. EADS erwartet, dass die Branche in den kommenden Jahren weltweit um 4,7 Prozent pro Jahr zulegt.

Auch nach außen hin soll der Glanz von Airbus künftig auf den ganzen Konzern abstrahlen. Deshalb wird EADS in Airbus Group umbenannt. Sogar die einzelnen Segmente sollen Airbus im Namen tragen. Die neue Division Airbus Defence & Space ebenso wie die Hubschraubertochter Eurocopter, die künftig als Airbus Helicopters firmieren wird — sehr zum Unmut der Mitarbeiter. Als Enders die Umbenennung per Videobotschaft im Intranet bekannt gab, hagelte es im internen Diskussionsforum Kritik.

Dampfwalze Enders. Die Eurocopter-Mitarbeiter sind nicht die Einzigen, bei denen der Hobby-Helicopter-Pilot verbrannte Erde hinterlassen hat. Kurz nach seinem Amtsantritt 2012 versuchte er mit aller Gewalt, die Fusion mit dem britischen Rüstungskonzern BAE durchzubringen. Doch er scheiterte am Einfluss der Politik. Nun brüstet er sich, den Einfluss der deutschen und französischen Regierung auf das Unternehmen zurückgedrängt zu haben. Sein forsches Auftreten ist riskant für ein Unternehmen, das immer noch stark von staatlichen Aufträgen abhängt.

Anders als Vorgänger Louis Gallois, der stets um Ausgleich bemüht war und sehr diplomatisch agierte, beschreiben Beteiligte Enders als „Dampfwalze“. Der Reserveoffizier sagte selbst in einem Interview: „Ich stehe dazu, ich habe viel an Führungsrüstzeug mitbekommen beim ‚Bund‘.“

Ihm gehe es darum, aus EADS ein „normales Unternehmen“ zu machen, betont er immer wieder. Dazu zählt insbesondere, die Profitabilität zu steigern. Denn seit dem Rückzug der Großaktionäre Daimler und Lagardère fokussiert sich das Unternehmen stärker auf den Kapitalmarkt.

Der gibt Enders recht: Die Aktie befindet sich im Steigflug und legte seit Jahresanfang um 66 Prozent zu — vor allem wegen der Rekordaufträge für die zivile Airbus-Sparte.

Doch auch bei dem Flugzeugbauer ist nicht alles Gold, was glänzt. Trotz Marktführerschaft und Rekordumsätzen bleibt das Unternehmen, gerade was die Profitabilität angeht, hinter Hauptkonkurrent Boeing zurück. Für den Gesamtkonzern hat Enders das Ziel ausgegeben, die Ebit-Marge bis 2015 auf zehn Prozent anzuheben. Im ersten Halbjahr lag die Quote bei sechs Prozent. Bei Airbus waren es sogar nur drei Prozent, während Astrium und Eurocopter fünf Prozent erreichten. Zwar konnte Airbus die Profitabilität im ersten Halbjahr 2013 steigern. Doch für Jubel ist es noch zu früh — selbst für den vermeintlichen Musterschüler Airbus.

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