Prijono Sugiarto: Der dickköpfige deutsche Ingenieur

Der Indonesier Prijono leitet einen der größten privaten Konzerne seines Landes, Astra International. Im Interview verrät er, warum deutsche Tugenden seinen Aufstieg erst ermöglicht haben.
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von Sabine Gusbeth, Euro am Sonntag
Prijono Sugiarto hat in den 80er-Jahren in Deutschland studiert. Heute führt er eines der größten privaten Unternehmen Indonesiens, Astra International. Das Konglomerat, das im Februar vor 60 Jahren gegründet wurde, ist der größte Auto- und Kraftradhersteller des Landes, Marktführer bei Schwermaschinen und die Nummer 1 im Bereich Versicherungen und Leasing. Darüber hinaus ist der Konzern in den Bereichen Agrarindustrie, Informationstechnologie, Infrastrukturbau und Immobilien aktiv. Als "Spiegelbild der indonesischen Wirtschaft" sieht Prijono sein Unternehmen.
€uro am Sonntag: Herr Prijono, Sie sagen, dass Sie Chef von Astra International geworden sind, weil Sie ein "dickköpfiger deutscher Ingenieur" sind. Das müssen Sie erklären.
Prijono Sugiarto: Ich habe während meines Studiums in Deutschland vor allem Disziplin gelernt, und zwar nicht nur Disziplin bei der Arbeit, wie etwa Pünktlichkeit, sondern auch im Privatleben, beim Sport, beim Essen. Ich bin 56 und komme heute noch jeden Tag pünktlich um 7.15 Uhr ins Büro. Sie müssen wissen, dass ich aus einer begüterten und behüteten Familie stamme. Als Kind hatte ich einen Chauffeur. In meinen ersten Jahren in Deutschland war ich ganz auf mich allein gestellt, musste ohne meine Familie eigene Entscheidungen fällen und zum Beispiel lernen, meinen Weg zu Fuß oder mit dem Bus zu finden.
Warum sind Sie überhaupt nach Deutschland gekommen?
Mein Vater baute in den 60er-Jahren in Jakarta Autos zusammen und importierte auch Mercedes-Pkw aus Deutschland. Ich wollte schon mit sieben oder acht Jahren Autoingenieur werden. Deshalb habe ich mit 15 angefangen, Deutsch zu lernen, hier am Goethe-Institut in Jakarta. Mit 19 bin ich dann nach Deutschland. Erst habe ich noch Sprachkurse gemacht und dann angefangen zu studieren. Finanziert habe ich das Studium dank eines Stipendiums des Katholischen Akademischen Austauschdiensts (KAAD).
Sie sind katholisch?
Ja, das mag etwas seltsam erscheinen, weil fast 90 Prozent der Indonesier Muslime sind. Aber meine ganze Familie ist katholisch. Als ich am Goethe-Institut in Iserlohn Deutsch gelernt habe, hat meine Gastfamilie mich immer mit meinem Taufnamen Peter gerufen.
Was haben Sie studiert?
Ich habe 1984 meinen Abschluss als Diplom-Ingenieur für Maschinenbau an der Uni Konstanz gemacht und zwei Jahre später in Bochum den Diplom-Wirtschaftsingenieur. Dann habe ich mich bei dem Bochumer Mercedes-Händler Lueg als Mechaniker beworben.
Mit zwei Diplomen als Mechaniker?
Ja, der Personalchef war auch mehr als verwundert. Aber ich wollte von der Pike auf lernen und verstehen, wie man Autos zusammenbaut. Denn genau das war in Indonesien wichtig. Diese etwas ungewöhnlich Art von Trainee-Programm und die Zielstrebigkeit, mit der ich das Thema schon von Jugend auf anstrebte, waren ganz entscheidend für meine Karriere.
Weshalb?
Als ich nach einem Jahr als Mechaniker nach Jakarta zurückkehrte, erhielt ich sofort von Mercedes ein Jobangebot als Manager. Nach dreieinhalb Jahren wechselte ich zu BMW Indonesia. Ich blieb dann zehn Jahre und schied im Jahr 1990 als CEO aus, weil ich in den Vorstand von Astra berufen wurde. Bis 2010 war ich dort verantwortlich für eine Vielzahl von Bereichen, von Automotive über Komponenten und Industrie, Schwermaschinen bis hin zu Agrarbusiness. Jetzt bin ich fast sieben Jahren CEO von Astra …
... einem der größten Unternehmen Indonesiens.
Ja, die Astra-Gruppe hat acht börsennotierte Unternehmen. Die Marktkapitalisierung dieser Aktiengesellschaften liegt bei umgerechnet rund 22 Milliarden Euro. Insgesamt beschäftigen wir 212.000 Arbeitnehmer in 203 Firmen.
Welche Rolle hat in Ihrer Karriere die deutsche Disziplin letztendlich denn gespielt?
Ich habe meine Ziele immer konsequent verfolgt. Aber zurück in Jakarta musste ich auch lernen, Kompromisse zu machen, und mich den indonesischen Verhältnissen anpassen. Manche dieser Kompromisse bereue ich im Nachhinein. Heute bezeichne ich mich selbst als "dickköpfigen deutschen Ingenieur".
Gibt es etwas aus Ihrer Zeit in Deutschland, was Sie vermissen?
Ich vermisse die Winter- und Weihnachtszeit. Deshalb war ich im Dezember auch mit meiner Familie in Frankfurt, um dort die Adventszeit zu verbringen. Ich komme immer noch zweimal im Jahr nach Deutschland. Im Januar rund um das Weltwirtschaftsforum in Davos und zur Automobilmesse IAA.
Was außer Disziplin kann Indonesien von Deutschland lernen?
Technologie, Qualität, Standards, Organisation und Hartnäckigkeit. Die Deutschen ziehen durch, was sie erreichen wollen. Sie geben nicht zu früh auf. BMW bleibt BMW und Mercedes bleibt Mercedes - Marken, die Qualität bedeuten. Das ist etwas, was nicht nur Indonesien lernen muss. Denn der Druck des globalen Wettbewerbs zwingt alle dazu, immer besser zu werden. Wir nennen das "kaizen", also permanente Qualitätsverbesserung. Das habe ich - neben der Disziplin - in Deutschland gelernt. Übrigens, auf den deutschen Titel "Diplom-Ingenieur" bin ich viel stolzer, als ich es auf einen Master of Science wäre.
Warum das?
Das mag altmodisch klingen, aber ich empfinde das so. Deutschland sollte sich auf seine Qualitäten besinnen. Und es sollte weiter auf seine großen globalen Marken setzen, wie BMW, Mercedes, Bayer, Siemens. Die Deutsche Bank mal ausgenommen …
… und Volkwagen
Das hat mich mehr als überrascht. Eigentlich darf so etwas nicht passieren, doch jeder macht mal Fehler. Denken Sie an die große Rückrufaktion von Toyota. Wir von Astra vertreten ja Toyota in Indonesien. Bei so vielen Angestellten, so vielen Ingenieuren kann das dann vorkommen. Man muss dann eine Lösung finden. Der Vorfall wird "Made in Germany" aber nicht beschädigen. Volkswagen wird sich wieder erholen. VW ist eine enorm starke Marke.
Auch Astra ist ein starkes Unternehmen, aber die Umsätze haben in den letzten Quartalen stagniert. Warum?
Weil Astra mit seinen weitverzweigten Geschäftsbereichen ein Spiegelbild der indonesischen Wirtschaft ist. Und deren Wachstum stagniert. Deshalb können auch wir nicht wachsen. Vor allem die gesunkenen Rohstoffpreise haben uns zu schaffen gemacht, ebenso wie die rückläufige Nachfrage aus China. Aber auch das schwächere Wachstum auf dem Binnenmarkt und die geringere Kaufkraft haben direkt auf unser Geschäft durchgeschlagen.
Wo besonders?
Dort, wo wir besonders stark sind. Wir sind Marktführer im Autobereich mit 54 Prozent Marktanteil und bei Zweirädern sogar mit 73 Prozent. Das Autogeschäft stagnierte bei einer Million verkauften Fahrzeugen. Bei Zweirädern schrumpfte die Nachfrage sogar um zehn Prozent. Bei einer Umsatzzahl von sechs Millionen pro Jahr ist das viel. Dabei sind Krafträder in Indonesien extrem wichtig, weil es so wenig öffentliche Transportmittel gibt.
Lief denn auch intern was schief?
In den vergangenen zwei Quartalen sah es aus, als würde sich das Blatt wenden. Aber wir wurden in unserem Bankgeschäft negativ überrascht, weil sich der Anteil der faulen Kredite von 2,6 Prozent im Jahr 2015 auf 4,9 Prozent 2016 fast verdoppelte. Ohne dieses Problem wären wir wieder gewachsen. Auch hier war der Grund das stagnierende Wirtschaftswachstum und die niedrige Kaufkraft der Konsumenten. Wir sind nicht die einzige Firma in Indonesien, der es so geht. Aber unsere Bilanz ist sehr gesund.
Das war nicht immer so.
Das stimmt. Während der Asienkrise war Astra fast bankrott. Damals waren wir hoch verschuldet. Aber wir haben dazugelernt. Heute liegt unser Verschuldungsgrad bei drei Prozent. Deshalb sind wir extrem widerstandsfähig, auch wenn unsere Umsätze und unsere Profitabilität gerade schwächeln.
Wie soll der Turnaround gelingen?
Wir brauchen im ganzen Land einen Wandel. Präsident Joko Widodo weiß genau, dass sich Indonesien zu einem exportorientierten Produktionsstandort entwickeln muss. Ich bin überzeugt, er wird das schaffen. Und wenn es Indonesien gut geht, geht es Astra gut.
Was macht Sie so optimistisch?
Präsident Joko packt die Probleme an, wie zum Beispiel das Verkehrschaos in Jakarta. In drei Jahren werden wir hier ein gutes öffentliches Nahverkehrssystem haben - auch wenn der Bau einer U-Bahn momentan natürlich zusätzliche Staus verursacht. Auch Astra wird von dem Ausbau der Infrastruktur profitieren. Wir sind an vier von fünf Mautstraßen im Land beteiligt. Bis 2019 sollen nach dem Willen von Joko Widodo außerdem 35.000 Megawatt Kraftwerkskapazitäten aufgebaut sein, um die ständigen Versorgungsprobleme zu lindern. Auch hier baut Astra an zwei 1000-Megawatt-Kohlekraftwerken mit.
Das klingt fast euphorisch.
Von diesem Jahr erwarte ich noch nicht allzu viel. Wer kann schon sagen, ob es 2017 in Deutschland oder Europa besser wird und wie sich der neue Präsident in den USA auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirkt? Aber das Potenzial in Indonesien ist vorhanden, man muss nur Geduld haben. Vergessen Sie nicht, wir haben 250 Millionen Einwohner, von denen die Hälfte jung ist. Das ist ein riesiger Absatzmarkt. Unsere Volkswirtschaft ist Nummer 16 in der Welt. Wenn wir die gut managen, haben wir viel größere Chancen als die vielen kleinen Länder in Südostasien. Und wenn es wieder aufwärtsgeht, wird Astra als Erster davon profitieren, weil wir in vielen Bereichen die Nummer 1 sind.
Sie haben viele strategische Partnerschaften, bei Autos und Zweirädern etwa mit Toyota oder Honda. Warum ist kein deutscher Hersteller dabei?
Vielleicht weil die deutschen Autobauer den Standort Indonesien vergessen haben, als es alle in das Riesenreich China zog. Dabei sind wir mit 250 Millionen Einwohnern das größte Land der südostasiatischen Freihandelszone ASEAN. Die Japaner haben dagegen schon in den 70er-Jahren hier das große Potenzial für Massenhersteller gesehen. Heute kommen auf 1.000 Einwohner gerade einmal 50 Autos. In Deutschland sind es 800 Fahrzeuge auf 1.000 Einwohner. Wenn das mal kein Potenzial auch für Volkswagen ist - zumal der chinesische Markt mehr und mehr gesättigt ist.
Haben Sie schon einmal daran gedacht, eigene Autos herzustellen?
Leider fehlt es uns in Indonesien an Ingenieuren. Und ohne Ingenieure können Sie auch keine eigenen Produkte entwickeln. Deutschland ist gesegnet, dass es so viele Ingenieure hat.
Was sind denn die Vorteile Indonesiens im Vergleich zu anderen ASEAN- Staaten?
Im Autobereich: Produktivität, Wirtschaftlichkeit und niedrige Löhne. Wir sind einer der Hersteller in der Welt mit den niedrigsten Kosten bei Kleinwagen. Wir exportieren zum Beispiel nach Malaysia und Thailand, ja sogar nach Mexiko, Südafrika oder Venezuela. Wir sind also wettbewerbsfähig, was diese Länder betrifft. In Indonesien liegen die Mindestlöhne bei 200 Euro im Monat.
Und was sind die Schwächen?
Im Vergleich zu Malaysia, Singapur oder den Philippinen sind die Englischkenntnisse in der Bevölkerung noch gering. Außerdem müssen wir immer noch zu viel Rohmaterial wie etwa hochwertigen Stahl importieren.
Wie wichtig sind ausländische Direktinvestitionen für Indonesien?
Enorm wichtig. 2015 waren es etwa 26 Milliarden US-Dollar, heuer voraussichtlich 29 bis 30 Milliarden US-Dollar. Wichtig ist, dass damit die Produktivität erhöht wird. Und ausländische Investoren brauchen einen guten lokalen Partner. Sehen Sie sich unser Joint-Venture mit Honda Motor Cycles an. Ohne Astra hätte Honda nie einen Marktanteil von 73 Prozent bei Zweirädern erreicht.
Warum gibt es so wenige deutsche Firmen in Indonesien?
Es gibt schon viele deutsche Firmen hier. Siemens zum Beispiel kommt immer besser ins Geschäft. Als Präsident der deutsch-indonesischen Handelskammer bin ich fest davon überzeugt, dass es für die gesamte deutsche Wirtschaft hier ein enormes Potenzial gibt. Zudem erhält die Wirtschaft starke Unterstützung durch Präsident Joko. Es ist nicht zu spät, im bevölkerungsreichsten Land Südostasiens zu investieren und aus Indonesien einen Industriestandort zu machen.
Auch andere Länder Südostasiens wie Vietnam werben um Investitionen.
Wissen Sie, ich habe acht Jahre am Industriestandort Deutschland gelebt und dort sehr viel für mein Leben gelernt. Heute, nach 35 Jahren, zeigen mir diese Erfahrungen deutlich: Man muss einen Traum haben, ein Ziel, das man konsequent verfolgt. Ohne dieses Ziel weiß man nicht, wo es langgehen soll. Das gilt im persönlichen Bereich, aber auch in der Wirtschaft oder Politik.
Vita:
Grenzgänger
Als 19-Jähriger kam Prijono Sugiarto aus Indonesien nach Deutschland. Er studierte Maschinenbau in Konstanz und Wirtschaftsingenieurwesen in Bochum. Anschließend absolvierte er eine Ausbildung zum Mechaniker. Nach Stationen bei Daimler und BMW in Jakarta wechselte er zu Astra International. Seit sieben Jahren steht er an der Spitze von Astra. Zudem ist der 56-Jährige Präsident der deutsch-indonesischen Außenhandelskammer EKONID.
Allrounder
Vor 60 Jahren wurde Astra International gegründet. Heute ist der Konzern mit einem Umsatz von umgerechnet rund 13 Milliarden Euro und einer Marktkapitalisierung von 22,4 Milliarden Euro eines der größten privaten Unternehmen Indonesiens. Das Konglomerat hat 203 Tochterfirmen, davon sind acht börsennotiert. Die wichtigsten Geschäftsbereiche sind Auto, Finanzen, Schwermaschinen, Agrarwirtschaft, Infrastruktur, IT und Immobilien.
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Name | Hebel | KO | Emittent |
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Bildquellen: Sabine Gusbeth für Finanzen Verlag
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