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Report: Wie China über Hongkong die Welt erobert

01.04.11 06:00 Uhr

Von Hongkong aus expandieren chinesische Unternehmen in alle Welt. Das Geld für ihre Einkaufstour kommt unter anderem aus Deutschland.

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von Sabine Gusbeth, Hongkong

Greif an, wenn die Rahmenbedingungen stimmen“, riet der chinesische General und Philosoph Sunzi in seinem Buch „Die Kunst des Krieges“ vor über 2500 Jahren. Noch heute zitieren Chinesen gern den Großmeister der Strategie – auch dann, wenn es um die Expansion der chinesischen Wirtschaft geht. „Noch nie war für chinesische Unternehmen die Gelegenheit so gut wie heute, ins Ausland zu expandieren“, sagte jüngst Wang Jianzhou, Chef des weltgrößten Mobilfunkbetreibers, China Mobile.

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Die westliche Welt erzittert vor dem wirtschaftlichen Aufstieg der inzwischen zweitgrößten Volkswirtschaft. Was jedoch kaum jemand sagt: Der Westen ­finanziert die Expansion.

Immer häufiger startet die Eroberungstour chinesischer Unternehmen an der Börse in Hongkong (HKEx) – mit dem Kapital internationaler Investoren, die am Boom des Exportweltmeisters mitverdienen wollen. Von diesen Ausländern stammt also das Geld, mit dem Chinas Unternehmen im Ausland wachsen.

Von „massiven Kapitalzuflüssen nach Hongkong“ spricht der Chefökonom der Sonderverwaltungszone, Andrew Au. Das Geld kommt von Hegdefonds, Pen­sionskassen, aber auch von privaten Anlegern, die in China-Fonds investiert haben. Auf etwa eine Billion US-Dollar schätzt der Chef der HKEx, Ronald Arculli, das Vermögen, das in Hongkong verwaltet wird. Die Zuflüsse stammen vor allem aus den USA und Europa, wo die Zinsen auf historisch niedrigem Niveau verharren.

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In den vergangenen Monaten legten viele professionelle westliche Anleger – auf der Suche nach einer höheren Rendite – das Geld in Hongkong an. Zudem lockt die Hoffnung auf eine baldige Aufwertung der chinesischen Währung Renminbi (RMB) vermehrt institutionelle Anleger nach Hongkong, wo China die schrittweise Liberalisierung seiner stark regulierten Währung vorantreibt.

Der Liquiditätsschub sorgt auch an der Börse für Rekordumsätze. Umgerechnet 40 Milliarden Euro konnten sich die Unternehmen im vergangenen Jahr an der HKEx besorgen – so viel wie an keiner anderen Börse der Welt. Börsenchef Ronald Arculli verrät im Interview mit Euro, dass schon heute die Hälfte des Umsatzes an der HKEx von institutionellen Investoren aus dem Ausland stammt.

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Um von Chinas Wachstum zu profitieren, kaufen viele ausländische Investoren sogenannte H-Aktien, also Anteile chinesischer Unternehmen, die in Hongkong notiert sind. Dieser Umweg ist ­nötig, weil die chinesische Regierung den Zugang zu inländischen Börsen wie Shanghai oder Shenzhen für ausländische Anleger und Finanzinstitute stark beschränkt.

Umgekehrt heißt das für chinesische Firmen: Wer ausländische Investoren finden will, muss nach Hongkong. Allein 2010 wagten 72 Unternehmen vom Festland den Sprung auf das Hongkonger Parkett. Insgesamt sind dort inzwischen 592 Firmen aus der Volksrepublik gelistet.

Die Zahl wird weiter steigen. Denn chinesische Banken, bislang wichtigster ­Finanzier expansionswilliger Firmen, ­haben in letzter Zeit auf Geheiß der ­Regierung ihre Kreditvergabe zurückgefahren. Damit wollen die Machthaber verhindern, dass sich die Wirtschaft überhitzt und die Inflation weiter ansteigt. Im Februar hat Chinas Zentralbank zudem bereits zum wiederholten Mal die Leitzinsen angehoben und die Mindestreserven erhöht. Dadurch werden Unternehmenskredite teurer – und die Suche nach alternativen Geldquellen, insbesondere bei privaten Firmen, wahrscheinlicher. Nach einer Studie der Beratungsfirma Grant Thornton plant inzwischen fast ein Viertel der befragten chinesischen Privatunternehmen einen Börsengang (IPO) – mehr als doppelt so viele wie 2010.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum wachstumswillige chinesische Firmen sich für einen Börsengang in Hongkong - und nicht in Shanghai oder Shenzhen - entscheiden. Tor zur Welt. Dass dabei die Wahl auf Hongkong und nicht etwa Shanghai oder Shenzhen fällt, liegt auch an der starken Präsenz ausländischer Investoren in der ehemaligen britischen Kronkolonie. Dadurch ist nicht nur die Liquidität an der Börse höher, der IPO verspricht auch ­internationale Aufmerksamkeit – und damit beste Voraussetzungen für ein Sprungbrett in internationale Gefilde.

Außerdem, sagt Thomas Wong, Finanzchef von Guotai Junan International, der Hongkong-Tocher einer der größten Investmentbanken Chinas, gibt es in Shanghai „eine sehr lange Schlange von IPO-Kandidaten“, denn „jede Branche, jede Firma will expandieren, und alle brauchen dafür Geld“. Hunderte Firmen warten nach seiner Auskunft darauf, für einen Börsengang in Shanghai zugelassen zu werden. „In Hongkong geht es sehr viel schneller“, weiß er aus eigener Erfahrung. Seine Bank ist seit vergangenem Juli hier gelistet, „um das internationale Geschäft auszubauen“.

Es gibt weitere Gründe, die für die Sonderverwaltungszone sprechen: Das Ansehen, das ein Börsengang in Hongkong für ein Unternehmen vom Festland mit sich bringe. „Denn das bedeutet, dass man die strengen Vorschriften der Hongkonger Börse und der Finanzaufsicht erfüllt“, erläutert Wong. Die Notierung erfolgt in Hongkong-Dollar, einer Währung, die im Gegensatz zum regulierten chinesischen Renminbi auch für Inves­titionen außerhalb der Landesgrenzen verwendet werden kann. Nicht zuletzt die Vielfalt der Investoren aus der Volksrepublik, vor allem aber aus der übrigen Welt machen den Finanzplatz interessant für Chinas wachstumshungrige Firmen. „Hongkong ist ein sehr guter Ort, um international zu expandieren“, lautet das Fazit von Wong. Und, fügt er hinzu, „jeder in China will heutzutage international Geschäfte machen“.

Alle fünf Jahre verabschiedet China einen 5-Jahresplan für seine Wirtschaft.
Expansion nach Plan. Der weltweite Wachstumskurs ist staatlich gewünscht. „Schwärmt aus“, befahl Chinas ehemaliger Staatspräsident Jiang Zemin einst den Unternehmern des Landes. Seine Nachfolger im Politbüro gaben das Ziel aus, bis 2010 müssten unter den 500 umsatzstärksten Unternehmen der Welt 50 chinesische sein. 42 Konzerne vom Festland und vier weitere aus Hongkong erreichten die Vorgabe der staat­lichen Planer – aus Deutschland kommen 37. Die drei größten heißen Sinopec (Platz 7), State Grid (8) und China National Petroleum (10) und sind allesamt staatlich kontrollierte Energie- und Rohstoffkonzerne.

Darin spiegelt sich die Strategie der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt wider, durch Expansion weltweit den Zugang zu Rohstoffen zu ­sichern. Vergangenes Jahr investierten Chinas Unternehmen über 40 Milliarden Euro im Ausland. Davon flossen allerdings nur 1,5 Milliarden Euro in die (rohstoffarme) EU. Das ist aber schon dreimal so viel wie 2009.

Häufig beteiligen sich chinesische Firmen an namhaften westlichen Unternehmen, um im Ausland Fuß zu fassen. In Deutschland sicherten sich Chinas ­Unternehmer in der Vergangenheit vor allem die Marken zahlungsunfähiger ­Firmen. „Dabei übersehen chinesische Investoren oft, dass die Marke insolventer Unternehmen häufig bereits beschädigt ist“, weiß Unternehmensberater Stephan Brämer, dessen Klienten ausländische Firmen sind, die nach Deutschland expandieren wollen.

Inzwischen sind „Beteiligungskäufe der bevorzugte Weg bei der chinesischen Internationalisierung“, hat die Bertelsmann Stiftung in einer aktuellen Studie festgestellt. Diese Beobachtung teilt auch Anshu Jain, Investmentbanking-Vorstand der Deutschen Bank. Er rechnet in naher Zukunft vor allem mit strategischen Beteilungen aus Fernost, sagte er jüngst am Rande einer Veranstaltung. Mehrheitsübernahmen sieht er derzeit nicht – „noch nicht“.

Erfahren Sie auf der folgenden Seite, welche Firmen aus China an der Börse Hongkong Geld einsammeln um international zu expandieren.

Chinas Firmen wollen international expandieren.
Doch schon 2015 sollen die Investi­tionen chinesischer Firmen im Ausland genauso hoch sein wie die Investitionen ausländischer Unternehmen in China, streben die staatlichen Wirtschaftsplaner an. Diese erreichten 2010 ein Rekordhoch von 76 Milliarden Euro.  Das sieht Hongkong als Chance, sich als Chinas internationales Finanzzentrum zu etablieren: „Wir helfen Firmen vom Festland dabei, im Ausland zu investieren“, bietet Hongkongs Finanzminister KC Chan an.

Dass die Festlandsfirmen das Angebot annehmen, bewies im vergangenen Jahr der Windturbinenbauer Goldwind, der in Hongkong an die Börse ging, um „international zu expandieren“. Der IPO spülte fast 700 Millionen Euro in die Firmenkasse. Wenig später übernahm Goldwind mehrere Windkraftprojekte in den USA und China. In Deutschland hält die Firma 70 Prozent an Vensys Energy.

Ebenfalls ins Ausland expandieren will der Maschinenbauer Zoomlion, der seit Dezember in Hongkong notiert ist. Für sein Expansionsvorhaben erhielt er prominente finanzielle Unterstützung aus dem Ausland. US-Milliardär George Soros beteiligte sich an der Firma. Ausgeben will diese den Emissionserlös von über einer Milliarde Euro, um in Asien, Nordamerika und Europa zu wachsen. Schon 2008 hatte sie den italienischen Konkurrenten CIFA übernommen.

Ein Ende der Börsengänge chinesischer Firmen in Hongkong ist nicht in Sicht (siehe unten): Aktien­experten gehen für 2011 wieder von über 100 IPOs aus, zum Großteil von chinesischen Firmen.

Zwar locken die hohen Umsätze in Hongkong auch immer mehr ausländische Firmen an, die ihre Ex­pansion ins Reich der Mitte finanzieren wollen. Doch Börsengänge wie der des Kosmetikunternehmens L’Occitane aus Frankreich, des russischen Aluminiumriesen Rusal oder des Luxuskonzerns Prada, der 2011 aufs Parkett will, sind noch die Ausnahme.

Aus Deutschland ist bislang nur eine einzige Firma in Hongkong notiert. Der Beschichtungsspezialist Schramm aus Offenbach ging 2009 dort an die Börse, „weil unser künftiges Wachstum in erster Linie aus Asien kommt“, wie Chef Peter Brenner damals sagte.

Auf die ausländischen Emittenten in Hongkong entfallen aber nur zehn Prozent der Marktkapitalisierung, sagt Börsenchef Arculli. Ein Großteil des Geldes der Anleger, die an Chinas Wachstum mitverdienen wollen, fließt in die Kassen chinesischer Firmen.

„Die kaufen uns mit unserem eigenen Geld“, stellt der Unternehmensberater Stephan Brämer lapidar fest. Ihm kann es recht sein, denn er berät auch chinesische Firmen bei ihrer Expansion nach Deutschland. 

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Börsengänge in Hongkong: Milliarden für die Expansion

Zoomlion stellt Baumaschinen her. Den Emis­sionserlös von über einer Milliarde Euro will die Firma, die bereits in Italien und Großbritannien aktiv ist, für die weitere Expansion nutzen.

Goldwind ist einer der größten Windanlagenbauer Chinas. 2010 besorgte er sich umgerechnet fast 700 Millionen Euro an der Börse Hongkong, um sein weltweites Wachstum zu finanzieren.

Bluestar Adisseo produziert Tierfutter. Der für 2010 geplante IPO soll 2011 nachgeholt werden. Der erhoffte Erlös von über einer Milliarde Euro soll in die Ex­pansion in Europa fließen.

China Gold ist der größte Goldproduzent Chinas. 2010 sammelte er über 200 Millionen Euro in Hongkong ein. Den Großteil davon will das Management in die internationale Expansion investieren.

Sany produziert ebenfalls Baumaschinen. Das Unternehmen holte sich 2009 von Investoren über 200 Millionen Euro. Damit finanzierte es unter anderem den Bau eines Werks bei Köln.

Guotai Junan ist eine der größten Investment­ban­ken Chinas. Mit den annähernd 200 Millionen Euro aus dem Börsengang im vergangenen Jahr will sie ihr inter­nationales Kreditgeschäft ausbauen.

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