Zertifikatemarkt im Bann von Lehman-Knick und US-Steuerproblematik

Die Entwicklung des Zertifikatemarktes seit dem Jahr 2004: Wie hat sich die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers und das aktuelle Steuerchaos mit den USA ausgewirkt?
Laut der Statistik des Deutschen Derivate Verbands hat sich das Zertifikatevolumen vor der Lehman-Krise seit Dezember 2004 bis zum September 2007 sehr positiv entwickelt. Das Volumen hat sich in rund drei Jahren von 48 Milliarden Euro auf 139 Milliarden Euro fast verdreifacht. Man kann somit von einer wahren Erfolgsgeschichte sprechen. Zertifikate waren en vogue. Für Auftrieb sorgte wohl auch die gute Stimmung an den internationalen Kapitalmärkten. In der Zeit ab Ende 2004 bis Ende 2007 legte beispielsweise der Deutsche Aktienindex DAX fast eine Verdopplung hin. Auch in vielen anderen Industriestaaten befanden sich die Aktienmärkte in dieser Zeit im Hausse-Modus. Steigende Aktienmärkte ziehen für gewöhnlich auch verstärkt Anleger an, daneben hat die Finanzindustrie dem Publikum eine große Produktpalette an Zertifikaten angeboten.
Nahezu gleichzeitig mit dem DAX-Hoch im Sommer 2007 erreichte auch das Zertifikatevolumen sein bisherigen Allzeitrekord. Danach kam es für Aktienanleger erst einmal zu einer längeren Durststrecke. Die letzte große Finanz- und Wirtschaftskrise hinterließ ihre Spuren an den Märkten und stürzte auch den Zertifikatemarkt in den Abgrund. Bis März 2009 fiel das Zertifikatevolumen auf 79,9 Milliarden Euro. Im Besonderen dürfte neben der schlechten Marktsituation auch die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 für die negative Entwicklung am Zertifikatemarkt gesorgt haben. So mancher Anleger verlor mit Lehman-Zertifikaten eine Stange Geld und vielen Anlegern wurde durch den Skandal um die Lehman-Zertifikate erst bewusst, dass Zertifikate ein Emittentenrisiko beherbergen. Viele Anleger machten somit in der Krise wohl einen großen Bogen um den Aktienmarkt und scheuten die Anlage in Zertifikaten.
Mit dem Ende der Baissephase an den Aktienmärkten im Frühjahr 2009 ging es bis Juni 2011 auch wieder mit dem Zertifikatevolumen bergauf. Das Allzeithoch vom Jahr 2007 konnte jedoch nicht mehr erreicht werden. Trotz weiterhin haussierender Aktienmärkte ging es mit dem Zertifikatevolumen ab Juni 2011 sukzessive bergab. Laut der letzten Statistik des Deutschen Derivate Verbandes vom Februar 2017 lag das Gesamtvolumen des deutschen Zertifikatemarktes bei etwas mehr als 68 Milliarden Euro und damit deutlich unter dem Niveau vom Zeitpunkt der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009. So richtig scheint sich der Zertifikatemarkt damit nicht nachhaltig vom Lehman-Knick erholt zu haben.
Die aktuelle Situation am Zertifikatemarkt
Das geschätzte Zertifikatevolumen von rund 68 Milliarden Euro verteilt sich laut der Statistik des Deutschen Derivate Verbands im Wesentlichen auf strukturierte Anleihen (25,7%), Express-Zertifikate (17,6%), Aktienanleihen (15,4%), Kapitalschutzzertifikate (11,6%) sowie bonitätsabhängige Schuldverschreibungen (9,5%). Mit strukturierten Anleihen und Kapitalschutzzertifikaten fallen ein erheblicher Teil auf Produkte, die den Anlegern im schlimmsten Fall einen Großteil oder den Gesamtbetrag des eingesetzten Kapitals garantieren. Typisch deutsch, könnte man wieder denken. Sicherheit an erster Stelle.
Tatsächlich ist lange belegt, dass die Deutschen kein Volk von Spekulanten sind. Sie setzen im Anlagebereich eher auf konservative Sparverträge und Tagesgeldkonten, Lebensversicherungen und Bausparverträge. Auf Aktien oder gar Zertifikate setzt lediglich eine Minderheit. Nach der neuesten Statistik des Deutschen Aktieninstituts (DAI) sind nur knapp 7 Prozent der Bundesbürger direkt in Aktien investiert. Kein Vergleich zu traditionellen Aktiennationen wie Großbritannien, Kanada, Schweden, die Schweiz oder die USA, wo hohe zweistellige Prozentwerte die Regel sind.
Die Mehrheit der Deutschen liebt es eben sicher, lässt sich dadurch aber Rendite entgehen. Die Banken hat dies auf die Idee gebracht, verstärkt Zertifikate anzubieten, die den Aspekt der Sicherheit sowie den Renditegesichtspunkt verbinden. Hierzu zählen beispielsweise Kapitalschutzzertifikate. Diese spezielle Zertifikategattung sichert im Idealfall den eingesetzten Kapitalbetrag des Anlegers und liefert eine höhere Rendite als mit konservativen Anlageformen erzielbar wäre - gerade in der aktuell Niedrigzinsphase.
Steuerproblematik als Bremsblock
Neben dem sukzessiven Rückgang des Zertifikatevolumens über die letzten Jahre erweist sich auch die aktuelle Steuerproblematik mit den USA als Hemmnis für den Zertifikatemarkt. Seit Jahresanfang 2017 ist es deutschen Anlegern bei ihren deutschen Brokern nahezu unmöglich, bestimmte Zertifikate auf US-Aktien zu erwerben. Die Banken haben sich dazu entschlossen, den Kauf von bestimmten Zertifikaten auf US-Aktien nicht mehr zuzulassen. Grund ist die Ausweitung der US-Quellensteuerpflicht auf Derivate und damit die Möglichkeit der Entstehung einer Steuerpflicht für Nicht-US-Personen. Mit der Ausweitung der Quellensteuerpflicht wollen die USA verhindern, dass Nicht-US-Bürger mithilfe von derivativen Produkten die Quellensteuer auf US-Dividenden umgehen. Die Banken arbeiten an einer Lösung, so dass baldmöglichst wieder bestimmte Derivate auf US-Aktien erworben werden können. Bis dahin heißt es für Anleger: Geduld haben.
Fazit
Der Zertifikatemarkt in Deutschland ist seit dem Lehman-Desaster nicht mehr nachhaltig gewachsen und erfährt durch die aktuelle Steuerproblematik mit den USA einen weiteren Dämpfer. Mithilfe von Zertifikaten können jedoch in den verschiedensten Marktphasen ordentliche Renditen erwirtschaftet werden, so dass Zertifikate weiterhin ein interessantes Anlagevehikel bleiben.
Redaktion finanzen.net
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